Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Die im wesentlichen von Bauern getragene, jedoch mancherorts auf weitere soziale Schichten wie das städtische Bürgertum und die Bergknappen ausgreifende, letztlich jedoch fehlgeschlagene "Revolution des Gemeinen Mannes" (Peter Blickle, 1975) von 1524/25 erstreckte sich nicht flächendeckend über das ganze Deutsche Reich, sondern konzentrierte sich auf regionale Brennpunkte vor allem in Schwaben, in Franken, im Elsaß, in der Pfalz, in Thüringen und Sachsen, im Salzburger Land sowie in geringerem Maße in Tirol und der Steiermark.
Im süddeutschen Raum lagen die Hauptschauplätze im Bereich des heutigen Baden-Württemberg und der rundum angrenzenden Gebiete.

Die Ereignisse im Hegau, der damals vom landsässigen Niederadel dominierten Bauernlandschaft mit wenigen Kleinstädten zwischen Schwarzwald, Baar, Schweizer Eidgenossenschaft und Bodensee gewinnt im Rahmen der Ereignisse von 1524/25 insofern eine besondere Bedeutung, als in ihnen Querverbindungen zwischen den ersten Erhebungen des deutschen Bauernkrieges in der Landgrafschaft Stühlingen und dem Südschwarzwald und den Aufstandszentren am Bodensee und im Allgäu sowie mit der Eidgenossenschaft zusammenlaufen. Hier begann der Bauernkrieg sehr früh am 2. Oktober 1524 mit der "Hilzinger Kirchweih”, bei der sich 800 bewaffnete Bauern versammelten, und endete dort am spätesten mit dem letzten Gefecht am 2. Juli 1525.

Hilzingen wurde im Hegau zum zentralen Ort des damaligen Geschehens. In dieser Gemeinde ist die Erinnerung an den Bauernkrieg besonders wach geblieben, was sich in der alljährlich als Dorf- und Volksfest mit Jahrmarkt und Ausstellungen gefeierten "Hilzinger Kirchweih” ebenso dokumentiert wie in der von der Gemeinde seit 1993 eingerichteten Abteilung "Bauernkrieg im Hegau 1524/25" in ihrem "Museum im Schlosspark”.

Die Befassung mit dem Bauernkrieg im Hegau vermittelt in exemplarischer Weise Erkenntnisse zu den allgemeinen Hintergründen der Bauernaufstände, deren Zusammenhang mit den Umbrüchen am Beginn der Neuzeit, ihrer ideologischen Legitimierung, den Entstehungsbedingungen von Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung von Interessen, den Voraussetzungen für die Rekrutierung und Operationsfähigkeit militärisch agierender Verbände, den Erfolgschancen von Verhandlungslösungen und kriegerischen Auseinandersetzungen und schließlich der Instrumentalisierung Aufständischer zur Verfolgung fremder Ziele (Herzog Ulrich von Württemberg) aufgrund partiell gemeinsamer Interessen.

 

2. Geschichte

23. Juni 1524
Erste Erhebung im Bauernkrieg in Stühlingen im Wutachtal gegen den im dortigen Schloss Hohenlupfen residierenden Grafen Sigmund II. von Lupfen, Herr über die Herrschaft Lupfen und die Herrschaft Hewen mit der Stadt Engen im Hegau, mit Ausstrahlung auf die Nachbarregionen Klettgau, Südschwarzwald und Hegau.

2. Oktober 1524
Auf der "Hilzinger Kirchweih", einem großen traditionellen Volksfest, verbünden sich ca. 800 Bauern aus dem westlichen Hegau zu einer "Eidgenossenschaft".


Aufständische Bauern auf der Kirchweih - Holzschnitt von Hans Sebald Beham, 1539
Aufständische Bauern auf der Kirchweih - Holzschnitt von Hans Sebald Beham, 1539
© Johannes Hof

 

18. Januar 1525
Mehrwöchige Befriedungsversuche der österreichischen Landesherrschaft, unterstützt durch die Reichsstadt Überlingen, mittels Verhandlungen, militärischen Drohgebärden, dem "Riedheimer Vertrag" und Gerichtsentscheidungen enden mit einem ungünstigen Urteil des Stockacher Landgerichtes, das die Bauern ablehnen und sie zu Kriegsvorbereitungen veranlasst.

24. Februar - 17. März 1525
Erfolgloser Feldzug des württembergischen Herzogs Ulrich zur Rückeroberung seines 1519 wegen seines Überfalls auf die Reichsstadt Reutlingen verlorenen Herzogtums von seiner Festung Hohentwiel aus in Richtung Stuttgart unter Beteiligung angeworbener Bauern und Schweizer Söldner. Ein zweiter Versuch im April 1525 misslingt ebenfalls.

Herzog Ulrich von Württemberg - Holzschnitt eines unbekannten Meisters, 1520
Herzog Ulrich von Württemberg - Holzschnitt eines unbekannten Meisters, 1520
© Johannes Hof

 

6. - 8. März 1525
Beim "Memminger Bauernparlament", von dem die berühmten "12 Artikel" und die "Memminger Bundesordnung" verabschiedet werden, sind die Hegauer Bauern durch ihren Anführer Hans Bienckler als Beobachter vertreten.

2. - 17. April 1525
Eroberungszüge des Baltringer Haufens in Oberschwaben und des Bermatinger Haufens im Linzgau führen zum Eingreifen der Truppen des Schwäbischen Bundes unter Georg Truchseß von Waldburg, dem "Bauernjörg", der den Bauern am 4. April in der Schlacht von Leipheim eine vernichtende Niederlage zufügt.

Mitte April 1525
Hilzingen scheidet durch Vertrag mit Georg Truchseß von Waldburg aus der Front der Aufständischen aus.

22. April 1525
Abschluss des "Weingartener Vertrages" zwischen Georg Truchseß von Waldburg mit den oberschwäbischen Bauern, den Allgäuer Bauern und den Seebauern, durch den die oberschwäbische "Christliche Vereinigung" aus der Aufstandsbewegung ausschied.

April 1525
Eroberungszug eines 4.000-Mann-Heeres der Schwarzwälder, Hegauer und Baarbauern auf der Baar und im Hegau, bei dem sie im Hegau alle Dörfer bis auf Bodman auf ihre Seite bringen.
Nach der Einnahme der Stadt Engen am 23. April mit militärischer Hilfe von Herzog Ulrich ziehen die Schwarzwälder Bauern über Hüfingen, Deißlingen, Schwenningen, Donaueschingen, Furtwangen und Kirchzarten nach Freiburg, das sie am 24. Mai zusammen mit den Breisgauer Bauern einnehmen können.

Ein Teil der Hegauer Bauern zieht vor die Stadt Radolfzell, in der die österreichische Kommission ihren Sitz hatte und sich zahlreiche Adlige der Umgebung aufhielten, und belagert sie.

Graf Helfenstein wird gefangen genommen 1525 Holzschnitt
Graf Helfenstein wird gefangen genommen 1525 Holzschnitt
© www.lmz-bw.de

April/Mai 1525
Herzog Ulrich von Württemberg unternimmt nach der Erhebung der württembergischen Bauern einen zweiten Versuch zur Rückeroberung seines Herzogtums vom Hohentwiel aus. Am 14. April bricht er mit einem Teil der Hegauer Bauern nach Württemberg in Richtung Stuttgart auf, zieht sich aber wegen Meinungsverschiedenheiten mit den Bauern bald zurück, während die Bauern weiter in Richtung Böblingen vorstoßen.

12. Mai 1525
In der Schlacht bei Böblingen erleidet das 12.000 Mann starke Bauernheer eine vernichtende Niederlage mit 4.000 Gefallenen gegen die Truppen des Schwäbischen Bundes unter Georg Truchseß von Waldburg.
Zusammen mit den Siegen bei Frankenhausen in Thüringen am 15. Mai und bei Zabern im Elsaß am 17. Mai ist den Feudalherren der Durchbruch gegen die Bauern gelungen.

20. - 22. Mai 1525
Eroberungszüge der Hegauer Bauernhaufen, verstärkt durch Schwarzwälder und Höri-Bauern, auf dem Bodanrück und der Reichenau mit Plünderung des anschlussunwilligen Bodman

27. Juni 1525
Mark Sittich von Ems, seit dem 1. Juni Feldherr des Schwäbischen Bundes gegen die Hegauer Bauern, sprengt die Belagerung von Radolfzell.

2. Juli 1525
Endgültige Niederlage der Hegauer Bauern bei Radolfzell, in den folgenden Tagen auch der Stühlinger und der Baarbauern; vor den grausamen und rachsüchtigen Bestrafungsaktionen fliehen viele in die Schweiz.

Der Hilzinger Vertrag - Ausfertigung für die Gemeinde Reichenau (Schlossparkmuseum Hilzingen)
Der Hilzinger Vertrag - Ausfertigung für die Gemeinde Reichenau (Schlossparkmuseum Hilzingen)
© Johannes Hof

4. Juli 1525
Letztes Gefecht bei Hilzingen,
"Hilzinger Vertrag": Bedingungslose Unterwerfung der aufständischen Bauern: Hinrichtung und Verstümmelung mehrerer hundert Anführer, Niederbrennung von mehr als 24 Dörfern, Strafgeldzahlungen beteiligter Haushalte.
50 Haupträdelsführer werden von Mark Sittich von Ems über den See abgeführt und bei Bregenz an Bäumen aufgehängt.

Erhängte Bauernführer bei Bregenz Ausschnitt aus der Bregenzer Chronik von 1616
Erhängte Bauernführer bei Bregenz Ausschnitt aus der Bregenzer Chronik von 1616
© Johannes Hof

 

3. Anlage

Das Museum im Schlosspark Hilzingen, das in den Nebengebäuden des Hilzinger Schlosses (heute Rathaus) gegenüber der berühmten Barockkirche St. Peter und Paul von Peter Thumb untergebracht ist, präsentiert im Amtshaus Exponate zu den Themen "Bäuerliches Leben und Arbeiten" und "Das Dorf im Wandel", in der räumlich davon getrennten Remise die Abteilung "Der Bauernkrieg im Hegau 1524/25".
Die Besucher finden hier neben Faksimiles von Urkunden auf 15 Text-/Bildtafeln des Historikers Dr. Casimir Bumiller eine Darstellung der Hintergründe und Ereignisse im Hegau 1524/25 sowie Kurzfassungen der Memminger 12 Artikel auf Stoffbahnen im Groß- und einzeln als Faksimiles der Originalfassung im Kleinformat auf handlichen Tafeln zum individuellen Ansehen und Erarbeiten.

Eine Ausstellung für Kinder im Amtshaus erzählt die bäuerlichen Lebensbedingungen um 1500 sowie die Vorgeschichte und die Ereignisse des deutschen Bauernkrieges anhand von Texten von Manfred Mai und Bildern der Kinderbuchillustratorin Gabriele Hafermass.

 

- Arbeitskreis für Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -


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