"Hexenschwaben und Schermaus-Italiener": Ein- und Auswanderung im Gebiet des heutigen Landkreises Sigmaringen seit der Frühen Neuzeit

Hintergrundinformationen

1.1 Bedeutung

Badewanne
B 14 

In einer Badewanne gen Westen: Anna Stenzel aus Soigsdorf (Sudetenland) wird im Sommer 1946 enteignet und zwangsausgesiedelt. In einer Badewanne, auf Federbetten und sämtlichen Papieren der Familie gebettet, wird die blinde und teilweise gelähmte Frau gen Westen getragen.
© Foto: Petra Dollinger, Sigmaringen

- Das Modul bietet in einem diachronen Längsschnitt einen Überblick über die für die Region Sigmaringen prägenden Immigrations- und Emigrationsbewegungen der Neuzeit: Einwanderung nach dem Dreißigjährigen Krieg, Auswanderung nach Südosteuropa bzw. Amerika, Arbeitsimmigration im Zweiten Deutschen Kaiserreich, Zwangsarbeiter im „Dritten Reich“, Flüchtlinge und Vertriebene am Ende des Zweiten Weltkriegs, Immigration von „Gastarbeitern“ ab den 50er-Jahren, von Asylbewerbern und Flüchtlingen, sowie von Spätaussiedlern ab den 90er-Jahren. (Sachkompetenz)

- Lokale und biographische Fallbeispiele ermöglichen einen für die Lernenden aufgrund der geographischen Nähe bzw. des eigenen Migrationshintergrunds motivierenden Zugang zum Thema.

- Die repräsentativen Fallbeispiele besitzen in Kombination mit den darstellenden Texten Transfereigenschaft. Sie ermöglichen eine umfassende Behandlung des Längsschnittthemas „Individuum und Gesellschaft im Wandel – Migration“ in der Kursstufe.

- Abschließend wird die Bedeutung der historischen Erkenntnisse für die aktuelle Integrationsdebatte thematisiert. Das Modul ist dadurch auch für den Gemeinschaftskundeunterricht interessant. (Reflexions- und Orientierungkompetenz)

- Das Modul bietet binnendifferenzierende Methoden und Lernwege. Diese ermöglichen den Einsatz des Moduls in beiden Sekundarstufen.

Direnc
B 21
„Direnc“ (Widerstand), so nennt der kurdische Intellektuelle Latif Kalok eine Plastik aus Mehl, Klebstoff und Haar, die er während seiner Inhaftierung in der Türkei im Jahr 2001 geschaffen hat. Kalok wurde in türkischen Gefängnissen gefoltert. Inzwischen ist er, nach mehreren abenteuerlichen Fluchtversuchen und einem Asylverfahren, in Hohentengen ansässig.
© Foto: Latif Kalok, Hohentengen


1.2 Geschichte

Ca. 1655
Beginn der Zuwanderung aus den durch den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wenig beeinträchtigten Gebieten in der Schweiz, in Österreich und Bayern. Die Immigration ebbt gegen Ende des Jahrhunderts wieder ab.

Schachtel
B 1
„Ulmer Schachtel“ (Lithographie von Jakob Alt, Nachdruck des Originals von 1824)
© Stadtarchiv Ulm, F 2/3, Donauansichten

1689
Beginn der ersten Auswanderungswelle nach Südosteuropa. Die Auswanderung vollzieht sich in mehreren Schüben. Erst um ca. 1830 löst Amerika Südosteuropa als Hauptziel der Auswanderung ab.

1852 bis 1890
Hauptzeitraum für die Auswanderung nach Amerika

Alpini“ beim Bahnbau am Bahnhof Hanferta
B 7
„Alpini“ beim Bahnbau am Bahnhof Hanfertal (Sigmaringen), 1909/10
© Foto: Kreisarchiv Sigmaringen XI/8 – 3784

Ca. 1890
Beginn des Zuzugs italienischer Wanderarbeiter (sogenannte „Alpini“ bzw. „Transalpini“)

Zwangsarbeiter
B 10
Zwangsarbeiter bei einer Weihnachtsfeier im Barackenlager des Hüttenwerks Laucherthal während des Zweiten Weltkriegs
© Foto: Kreisarchiv Sigmaringen XI/41 Nr. A 271

1939 bis 1945
Zweiter Weltkrieg. Zwangsarbeitereinsatz, z.B. ab 1940 im Hüttenwerk Laucherthal (Sigmaringendorf).

Begrüßung und Aufnahme von Heimatvertriebenen
B 18 
Begrüßung und Aufnahme von Heimatvertriebenen. Bronzeplastik von Monika Geiselhart, Veringenstadt 1989.
© Foto: Markus Fiederer, 2013

1947
Erstmalige offizielle Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten in der französischen Besatzungszone

1956
Ein Jahr nach dem Anwerbeabkommen mit Italien treffen die ersten offiziellen italienischen Industriearbeiter in Deutschland ein.

Übergangswohnheim
B 19
Das Übergangswohnheim des Landkreises Sigmaringen in Laiz („Gelbes Haus“)
© Foto: Markus Fiederer, 2013

1990
Das sich abzeichnende Ende der UdSSR (1991 Auflösung) und der damit zusammenhängende Zusammenbruch des „Ostblocks“ führt in den folgenden beiden Dekaden zu einem massenhaften Zustrom von „Spätaussiedlern“.

1993
Verschärfung des Asylrechts: Begrenzung des seit den 80er-Jahren drastisch angestiegenen Zustroms von Asylbewerbern.

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -