Methodenvorschlag
Lernorterkundung
Zum Thema Migration - Auswanderung nach Amerika gibt es im Magazin des Staatsarchivs Ludwigsburg viel zu entdecken.
© Ulrich Maier
Die Module zur Migration "Auswanderung vor 200 Jahren"
Das Modul für die Grundschule beginnt mit der "Archivmaus", welche die Kinder begrüßt und von ihrer Entdeckung erzählt. Die Kinder werden spielerisch über eine Powerpointpräsentation auf die Rumpelkammer eines Dachbodens mitgenommen, wo "Archi" einen alten Koffer entdeckt. Damit beginnt die Spurensuche "Heimatland - Fremdes Land - Auswandern mit der Archivmaus", die im Magazin des Archivs fortgesetzt wird. Dort werden alte Schriftstücke erforscht. Als Abschluss folgt eine handlungsorientierte Phase: Die Kinder basteln einen Koffer und einen Reisepass, den sie anschließend mitnehmen können.
Einführung in das Thema Migration im Vortragssaal
© Ulrich Maier
Das Modul für die weiterführenden Schulen verbindet ebenfalls einen Informationsblock mit einer Erkundung des Archivs. Zunächst wird die Arbeitsweise und die Funktion eines Archivs vermittelt, anschließend an einem konkreten Beispiel in das Thema Migration eingeführt. Bei einem Gang ins Magazin erhalten die Schüler Einblick in Einzelschicksale von Auswanderern und Rückwanderern, denn viele Auswanderungen scheiterten und deren Spuren sind im Archiv häufig aufzufinden. Anschließend werden ältere Schüler mithilfe von Schrifttafeln in die deutsche Schreibschrift eingeführt und können an ausgewählten Beispielen, Quellen zur Migrationsgeschichte, das Entziffern üben.
Mit Schrifttafeln lernen die Schüler Archivalien zu entziffern.
© Ulrich Maier
Dieses Modul eignet sich besonders für das Thema "Migration" innerhalb des Bereichs "Individuum und Gesellschaft im Wandel" in der Kursstufe des Gymnasiums. Ein Besuch im Staatsarchiv Ludwigsburg ist hervorragend als Einstieg in das Projekt geeignet.
Zur Ergänzung ist die Einbeziehung der Auswanderer-Website des Landesarchivs ( www.auswanderer-bw.de) zu empfehlen. Als Nachbereitung im Unterricht bietet die virtuelle Ausstellung "Fremd geblieben und ohne wirkliche Heimat" - Die Geschichte der Auswandererin Dorothea Schäfer aus Sindelfingen" eine Konkretisierung des Themas an einem persönlichen Schicksal (siehe unten).
Reisepass eines Auswanderers aus dem Königreich Württemberg nach Amerika
© Landesarchiv Baden-Württemberg/Ulrich Maier
Behandlung des Themas in der Schule
Der "Willsbacher Hungerstein" erinnert an das Notjahr 1817, an das sich eine Massenauswanderung nach Amerika anschloss.
© Ulrich Maier
Nach einem Besuch des Staatsarchivs zum Thema Migration könnte man den Migrationshintergrund der Klasse feststellen lassen. "Fragt nach, wo euere Großeltern bzw. Urgroßeltern geboren sind." Die Ergebnisse lassen sich mit Fähnchen oder Klebepunkten auf einer Europa- bzw. Weltkarte eintragen.
An einer Karte lassen sich auch die Wege der Auswanderer nach Nordamerika verfolgen. Um 1817 trafen sich die meisten Nordamerika-auswanderer aus dem nordwürttembergischen Raum in Heilbronn, um von dort auf dem Neckar bis Mannheim zu fahren und anschließend auf dem Rhein zu den Atlantikhäfen Rotterdam, Antwerpen oder Amsterdam. Die meisten Auswanderer gingen in New York, Baltimore, Philadelphia oder New Orleans an Land. (siehe dazu auch das Unterrichtsmodul "Auswandererhafen Heilbronn - Lernort Stadtarchiv")
Ergänzen ließe sich dies durch die andere große Auswandererroute auf der Donau ab Ulm in den sogenannten Ulmer Schachteln nach Ungarn oder weiter zum Schwarzen Meer, um von dort nach Südrussland oder in die Kaukasusregion zu kommen (vgl. hierzu das Heft "Migration" der Reihe Deutschland&Europa 45, 2002 der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg).
Hier soll im Folgenden der Schwerpunkt auf die Gründe für die Auswanderung 1817 aus Nordwürttemberg in die USA gelegt werden, da dieser Fall einer Massenauswanderung auch bei der Führung im Staatsarchiv Ludwigsburg angesprochen wird.
Im Mittelpunkt stehen die Fragen:
- Warum gaben Tausende Nordwürttemberger in diesem Jahr ihre vertraute Heimat auf und machten sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft?
- Wie reagierte der Staat auf die Massenauswanderung?
- Wer wanderte aus? Lassen sich Hinweise auf die Alters- und Sozialstruktur der Auswanderer erkennen? Wanderten eher Einzelpersonen oder eher Familien aus?
Teuerung und Hungersnot in den Jahren 1816 und 1817 ( AB 1 )
Eine Vorstellung von der Auswirkung der Hungersnot in den Jahren 1816 und 1817 erhalten die Schüler, wenn sie die Entwicklung des Brotpreises verfolgen und in einem Diagramm darstellen. Aussagekräftig ist auch, wie sich das Gewicht eines Wecks veränderte (bis 1815 12 Lot, im Juli 1817 noch 1 Lot). Zur Veranschaulichung können die Schüler das Gewicht in Gramm umrechnen und ein Stück Brot dieses Gewichts abwiegen.
Zwei Augenzeugenberichte ergänzen das Bild. Als gestaltende Aufgabe könnten die Schüler unter Perspektivwechsel die Verhältnisse in Württemberg in einem Zeitungsartikel für eine der damals zahlreichen deutschsprachigen Zeitungen darstellen.
Friedrich Lists Auswandererbefragung vom 30. April bis 6. Mai in Heilbronn, Weinsberg und Neckarsulm ( AB 2 )
Das württembergische Innenministerium schickte seinen damaligen Rechnungsrat Friedrich List nach Heilbronn, wo an die 700 Auswanderer auf die Einschiffung nach Rotterdam warteten. Er sollte die Auswanderer nach ihren Motiven fragen. Das Ergebnis war verheerend. Nicht nur der Hunger, sondern Korruption und Beamtenwillkür trieb die Menschen aus dem Land. List resümiert: "Sie wollen lieber Sklaven in Amerika sein als Bürger in Weinsberg."
Aus den Protokollauszügen von Lists Bericht können die Schüler die Motive der Auswanderer herausarbeiten oder eine kleine Szene mit Originalzitaten der Auswanderungswilligen gestalten.
Darstellung der Ursache der gegenwärtigen Auswanderungssucht in fremde Weltteile ( AB 3 )
In dieser Druckschrift aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg können die Schüler aus der Perspektive der staatsloyalen Bürger erfahren, wie die Auswanderung der verarmten Landbevölkerung von Zeitgenossen beurteilt wurde. Die Druckschrift ist anonym herausgegeben, aus einem Begleitbrief an den württembergischen König geht jedoch der Verfasser hervor, ein pensionierter Lehrer aus dem Oberamt Böblingen, der mit der moralisierenden Schrift versucht, die Auswanderer zurückzuhalten. Im Vergleich zu den Listprotokollen können die Schüler herausarbeiten, welche Motive der Verfasser der Schrift sieht und die unterschiedlichen Darstellungen bewerten.
Diese Archivalie aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg kann den Schülern auch im Faksimile vorgelegt werden, da sie nach einer Eingewöhnungszeit gut lesbar ist. Das Original könnte bei dem einführenden Besuch im Staatsarchiv Ludwigsburg gezeigt werden, evtl. schon mit dem Hinweis, sich damit im folgenden Projektunterricht näher zu befassen.
Namensverzeichnis württembergischer Auswanderer auf dem russischen Segler "Vaterlandsliebe" ( AB 4 )
Die auf Französisch abgefasste Passagierliste umfasst 107 Auswanderungsfälle (Einzelpersonen und Familien) von Auswanderern aus Württemberg, die sich in Antwerpen mit dem Ziel Philadelphia im Mai 1807 einschifften. Auch für Schüler, die des Französischen nicht mächtig sind, lässt sich die Tabelle mit wenigen Wortangaben auswerten. Deutlich wird, dass ganze Familien und verwandte Familien ausgewandert sind, durch die Ortsangaben (bzw. Angabe der Oberämter) lässt sich auch die geographische Herkunft erfassen und evtl. auf einer Karte darstellen, einschließlich ihres vermutlichen Anfahrtsweges über Neckar und Rhein. So lässt sich die Quelle zeitlich und räumlich mit den Protokollen zur Auswandererbefragung Lists im Heilbronner Hafen verbinden. Auch die Altersstruktur der Auswanderer lässt sich aus den ergänzenden Angaben erschließen.
Auch diese Archivalie aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg kann im Faksimile (evt. unter Hinzuziehung der Transkription in AB 4) bearbeitet und davor im Archiv gezeigt werden.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -