Methode
Lernorterkundung
Die Stadt als Museum
Münsterplatz:
Westansicht des Münsters mit Historischem Kaufhaus,
Lithographie 1832
© LMZ 308984
Auf der festlich geschmückten Westseite des Münsterplatzes findet am 26. März
1848 ab 11.00 Uhr eine Volksversammlung mit 25.000 Menschen statt. Für damalige
Verhältnisse eine Veranstaltung von gigantischen Ausmaßen, da Freiburg selbst in
dieser Zeit lediglich 15.000 Einwohner zählt. Auf dem Münsterturm wird die
schwarz-rot-goldene Fahne gehisst. Hauptredner Gustav Struve bringt die
Forderungen auf die Formel: "Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen
ohne Unterschied der Geburt und des Standes." Die Mehrheit der Anwesenden
fordert eine Republik auf föderativer Grundlage samt einer neuen Verfassung.
Außerdem gelobt die Menge bewaffnete Unterstützung, falls die Regierung den
Forderungen nicht nachkommen und Hecker zur gewaltsamen Erhebung aufrufen
sollte. Redner mit abweichenden Meinungen werden niedergeschrien und in der
Nacht vor ihrem Haus mit "Katzenmusik" bedacht.
Historisches Kaufhaus am Münsterplatz
© LMZ 326906
Am 10. Dezember 1848 findet im Historischen Kaufhaus eine Gedenkfeier für den am
9. November in Wien hingerichteten Abgeordneten Robert Blum statt. Am 18.
Februar 1849 wird im Kaufhaussaal der Vaterländische Verein unter dem
Bürgermeister Joseph von Rotteck gegründet. Dieser ist strikter Gegner der
Radikaldemokraten und Verfechter der Monarchie.
Rathausplatz
Altes und Neues Rathaus
© LMZ 982618
Die Freiburger Aufständischen stürmen am 23. April 1848 das Alte Rathaus, nachdem sie tags zuvor beschlossen hatten, den gescheiterten Hecker-Aufstand weiterzuführen. Sie entwenden gegen den Widerstand des gemäßigt-liberalen Bürgermeisters Joseph von Rotteck vier dort gelagerte Kanonen, um damit die an den Stadttoren errichteten Barrikaden zu verstärken.
Denkmal für Carl von Rotteck
© LMZ 982611
Diskussion gibt es bezüglich der Aufstellung eines Denkmals für den großen
Freiburger Universitätslehrer und liberalen Politiker Karl von Rotteck
(1775-1840) auf dem Rathausplatz. Die für den Herbst 1847 geplante Aufstellung
untersagt die Kreisregierung. Im Oktober 1848 darf das Denkmal aufgebaut werden,
muss jedoch zunächst hinter Brettern verborgen bleiben. Erst Ende Mai 1850 wird
es ohne Feierlichkeiten zu nächtlicher Stunde enthüllt. Bereits ein Jahr später
wird es wieder abgebrochen. Das Rotteckdenkmal steht heute vor dem
Kollegiengebäude II der Universität.
Schwabentor
Schwabentor © LMZ982619 |
Schwabentor, Feder-Tusche-Zeichnung, Mitte des 19. Jh. © LMZ981976 |
Die Aufständischen verteidigen bei blutigen Barrikadenkämpfen an Ostern 1848 den
Zugang zur Stadt, müssen sich aber letztlich am Ostermontag den
Regierungstruppen geschlagen geben. Diese verhindern somit die Vereinigung der
Hecker-Freischaren unter Franz Sigl mit den Freiburger Kämpfern. Nachdem das
Schwabentor als letzte Barrikade fällt, wird Freiburg von den Bundestruppen
besetzt. Sie beginnen eine brutale Jagd auf versteckte Aufständische. Henriette
Feuerbach, die Frau des Archäologen und Gymnasialprofessors Anselm von
Feuerbach, die in der Nähe des Schwabentors wohnt, schrieb: "Wer auf der Straße
war, wurde gefangen oder niedergemacht, wer an den Fenstern sich zeigte,
erschossen. ... Das dauerte vier Tage; aus den Kellern herauf, zu den Fenstern
heraus wurden sie gezogen."
Karlsplatz
Der harte Kern der Republikaner - ca. 2.000 Menschen - versammeln sich am 22.
April 1848 auf dem Karlsplatz. Karl von Rotteck jun. und Carl Mez versuchen, die
Anwesenden von der Vergeblichkeit des bewaffneten Kampfes zu überzeugen. Eine
Mehrheit beharrt auf der bewaffneten Unterstützung des bereits gescheiterten
Hecker-Zuges und wählt den Studenten Georg von Langsdorff anstelle Rottecks zum
Kommandanten. Schon sechs Tage später paradieren auf dem Karlsplatz die
siegreichen Bundestruppen vor dem Oberkommandierenden des 8. deutschen
Armee-Corps, Prinz Friedrich von Württemberg. Sie besetzen die Stadt und
verkünden am gleichen Tag das Kriegsrecht in Freiburg. Die noch unvollendete
Kunst- und Festhalle am Nordende des Platzes dient den Bundestruppen als Magazin
und Kaserne.
Martinstor
Martinstor
© LMZ 982610
Das Martinstor wird am Ostermontag 1848 von den Regierungstruppen heftig
beschossen und schließlich gestürmt. Die Kugeln der Angreifer fliegen über den
Bertoldsbrunnen hinaus bis fast zur Einmündung der Rathausgasse und beschädigen
viele Häuser an der Kaiserstraße.
Harmonie/Grünwälderstraße
Harmonie - ehemaliger Ort der Lesegesellschaft
in der Grünwälderstraße
© LMZ 982609
Die Harmonie in der Grünwälderstraße ist der Treffpunkt der "Bürgerlichen Lesegesellschaft", die von Karl von Rotteck 1835 gegründet wird. Mitglieder sind u. a. der Fabrikant Carl Mez, Rottecks Professorenkollege Karl Welcker, Advokaten wie Maximilian Ruef und Friedrich Weisseneck und viele Freiburger Wirte, vom "Bären"- bis zum "Römischen Kaiser"-Wirt. Dieser Zusammenschluss des fortschrittlich-liberalen Bürgertums ist das Zentrum einflussreicher Demokraten. Am 28. Februar 1848 versammeln sich hier 800 Menschen und formulieren zum ersten Mal demokratische Forderungen. Außerdem wählen sie einen Volksausschuss und entsenden eine Deputation nach Karlsruhe. Bei ihrer Rückkehr am 2. März wird diese mit einem Fackelzug begeistert empfangen.
Karl Theodor Welcker, Mitglied der Lesegesellschaft,
Stahlstich 1848
© LMZ 981967
Basler Hof
Basler Hof
© LMZ 982621
Im Gebäude des heutigen Regierungspräsidiums findet am 20. März 1849 der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind statt.
Gustav von Struve als Revolutionär
Stahlstich 1848
© LMZ003998
Der Prozess erregt große öffentliche Aufmerksamkeit. Struve hält eine
beeindruckende Rede, in der er die Fürsten des Verfassungsbruchs beschuldigt.
Schließlich habe gegen sie nur die bewaffnete Erhebung helfen können. Zur Gewalt
seien die Republikaner getrieben worden, um einer gewaltsamen Unterdrückung
durch die Regierung zu begegnen. Das erstmals eingerichtete Schwurgericht
verurteilt die Angeklagten zu je acht Jahren Zuchthaus. Auch Wilhelm Liebknecht
muss sich im Mai 1849 wegen der Teilnahme am Struve-Aufstand verantworten. Der
veränderten politischen Situation verdankt er den Freispruch. Als es im Mai 1849
zur zweiten Volkserhebung kommt, wird der Rechtsanwalt Karl Friedrich Heunisch
zum Zivil- und Militärkommissar mit diktatorischen Vollmachten ernannt. Sein
Freund Karl von Rotteck jun. wird provisorischer Direktor des Oberrheinkreises.
Behandlung des Themas in der Schule
Ziel eines möglichen vorbereitenden Unterrichts:
Die politischen Strömungen im Vormärz nennen, ihre Forderungen erklären sowie
ihre Folgen und Bedeutung verstehen.
(Anmerkung: Die Behandlung des Revolutionsverlaufs im Unterricht kann
entsprechend seiner jeweiligen zeitlichen und inhaltlichen Gewichtung aus dem
Materialfundus zusammengestellt werden)
Beginnend könnten komprimiert die grundlegenden politischen Strömungen des
Vormärz behandelt werden, die die geistigen Bewegungen und das politische Denken
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägten und wesentlich für die
revolutionären Entwicklungen der Jahre 1848/49 verantwortlich waren. Ergänzend
könnte die Nationalversammlung in der Paulskirche mit ihren Aufgaben und ihrer
Verfassung gestreift, aber auch auf das bereits in ihrer Arbeit angelegte
Scheitern der Revolution hingewiesen werden.
Die politischen Strömungen im Vormärz beinhalteten die ersten Keime eines
beginnenden Parteienwesens und trugen im Parlament der Paulskirche erstmals zur
Bildung von Gruppierungen, sogenannten "Clubs", bei, um sich im weiteren Verlauf
des 19. Jahrhunderts zu dauerhaften - teilweise heute noch bestehenden -
Parteien auszubilden. Somit trägt die geistig-politische Entwicklung dieser Zeit
die Grundlage der Ausbildung unserer heutigen politischen Kultur in sich. Dabei
darf jedoch nicht übersehen werden, dass sich zur Zeit des Vormärz selber noch
keine Parteien ausgebildet hatten. Es handelt sich um rein geistig-politische
Strömungen, die sich noch nicht klar gegeneinander abgrenzen und differenzieren
lassen. Im Gegenteil, die äußerst vielfältigen politischen Entwicklungen des
Vormärz stehen nebeneinander und sind schwer unter bestimmten Kategorien und
Begriffen zusammenzufassen, was jedoch im Sinne der didaktischen Reduktion für
den Unterricht unerlässlich ist. Um den Schülern in dieser Stunde die groben
Züge der grundlegenden politischen Strömungen bzw. ihre Unterschiede überhaupt
verständlich machen zu können, ist der Unterrichtsstoff weitgehend
zusammengefasst, abstrahiert und plakativ aufbereitet worden, wobei auch auf
eine Darstellung der unterschiedlichen Vorstellungen bezüglich des Wahlrechts
verzichtet wurde. Der vorgeschlagene Unterricht dient der komprimierten
Darstellung der politischen Strömungen des Vormärz, die als Grundlage für die
weitere Behandlung des 19. und 20. Jahrhunderts dient.
Bezüglich der drei vorgeschlagenen grundlegenden politischen Strömungen ist
insbesondere die Rolle der Demokraten und ihre Gewaltbereitschaft bei der
Durchsetzung ihrer - teilweise recht weitgehenden - Forderungen, die politische
und wirtschaftlich-soziale Momente miteinander verbanden sowie die soziale
Herkunft ihrer Anhänger von Bedeutung. Gleichzeitig implizierte aber auch die
schon im Vormärz begründete Unvereinbarkeit der grundlegenden politischen
Richtungen das Scheitern der Revolution, da sie dem Volk die Kraft der Einigkeit
vorenthielt und in endlose politische Debatten und verbale Auseinandersetzungen
ohne konkrete Tatkraft mündete, so dass die fürstlichen Mächte wieder erstarken
und letztendlich ihre Macht behaupten konnten. Diese mangelnde Übereinstimmung
führte schließlich zur Passivität breiter Bevölkerungsschichten, nachdem ein
Teil der politischen Forderungen erfüllt schien, hieran scheiterten insbesondere
die "Linken". Die Liberalen hingegen sahen in der Verfassung von 1848 bereits
viele ihrer Forderungen durchgesetzt und entfernten sich aus Angst vor der
Radikalisierung mehr und mehr von den Demokraten bzw. suchten eine Annäherung an
die Fürsten. Auch die weit reichenden, zum Teil widersprüchlichen Aufgaben der
Nationalversammlung sowie ihre faktische Schwäche, insbesondere nach Ablehnung
der Kaiserkrone, spielten eine wichtige Rolle. Neben all diesen
Unvereinbarkeiten liegt jedoch auch schon in den Entwicklungen des Vormärz das
letztendlich integrierende Moment der verschiedenen politischen Strömungen
begründet: Der gemeinsame Wunsch nach nationaler Einheit. Dazu kommt das
bleibende Erbe eines erstarkten Bürgertums - nicht zuletzt auch aufgrund der
zunehmenden Industrialisierung - sowie des Endes der Restaurationszeit.
Beispielsweise erhielt Preußen eine Verfassung, wenn auch mit eingeschränkten
Grundrechten. Zur Abrundung des Themas werden das integrierende Moment der
Einheit sowie die langfristigen Veränderungen thematisiert und diskutiert.
Möglicher Ablauf:
Zum Einstieg ggfs. mit Hilfe der Karikatur "Michels Nachtmütze" zu den
unterschiedlichen Einflüssen auf den deutschen Michel Interesse am Thema wecken
und aus der Beschreibung und Interpretation die Leitfrage herleiten: "Welche
politischen Strömungen gab es im Vormärz und welche Folgen ergaben sich daraus?"
Nachfolgend mündlich die Aufgaben der Nationalversammlung erarbeiten. Dann die
Forderungen der drei wesentlichen politischen Strömungen im Vormärz mit Hilfe
von drei Quellenblättern und einem Arbeitsblatt ( AB
2a
,
AB
2b
,
AB
2c
)
erarbeiten, wobei sich ein arbeitsteiliges Vorgehen, z. B. in Gruppenarbeit oder
sitzreihenteiliger Arbeit anbietet. Parallele Konsolidierung des Stoffes anhand
von Metaplankarten und Tafelbild ( AB
1a
,
AB
1b
). Vergleich der Forderungen der
politischen Strömungen. Abschließend Vergleich der erarbeiteten Forderungen mit
den in der Verfassung von 1849 festgelegten Grundrechten sowie Klärung der
Fragen, welche Strömung sich am meisten durchgesetzt hat und wie die anderen
darauf reagiert haben mögen.
Konsolidierung des Unterrichtsstoffes durch eine Problematisierung der kurz- und
langfristigen Folgen aus den Unterschieden und Unvereinbarkeiten zwischen den
politischen Strömungen unter Bezugnahme auf eine Einstiegskarikatur sowie durch
Einsatz eines Bildes und eines Liedes als Puffer ( AB
3a
). Abschluss des Themas
durch Thematisierung eines möglichen integrierenden Momentes.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -