Lernorterkundung
Grundkonzeption:
"Schüler führen Schüler zu den Rastatter Schauplätzen der Revolution von 1848/49." Die Lernorterkundung ist als Stadtführung angelegt, die von Schülern anhand der Materialien schon im Vorfeld der Exkursion arbeitsteilig vorbereitet und dann vor Ort durchgeführt wird. Mit den Arbeitsblättern werden insgesamt zehn Stationen bzw. acht "Revolutionsschauplätze" abgedeckt, die im Rahmen der Lernorterkundung abgelaufen werden.
Alle im Unterrichtsmodul vorgesehenen "Schauplätze" befinden sich direkt in der Rastatter Innenstadt oder sind von dort aus in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Die 10 vorgeschlagenen Stationen können daher im Rahmen einer etwa eineinhalbstündigen Lernortbegehung problemlos bewältigt werden.
Die Arbeitsmaterialien eignen sich für den Einsatz an allen weiterführenden Schulen. Die schülerzentrierte Konzeption der Lernorterkundung setzt bei den Schülern allerdings ein gewisses Maß an Selbständigkeit im Umgang mit Sachtexten und bei der Präsentation eigener Ergebnisse voraus. Da die einzelnen Arbeitsblätter nicht aufeinander aufbauen, kann die Lehrkraft auf Materialien, die sie für zu anspruchsvoll hält, verzichten.
Vorbereitung der Exkursion:
Zur Vorbereitung der Exkursion wird die Klasse in bis zu zehn Kleingruppen eingeteilt. Jede Kleingruppe macht sich mit Hilfe eines Informationstextes und eines Arbeitsblatts mit einem "Schauplatz der Revolution" vertraut, ermittelt die Bedeutung ihrer Station und bereitet sich auf darauf vor, die Klasse später zu führen.
Bei sehr großen Lerngruppen bietet es sich an, die Stadtführung später in zwei kleineren Gruppen durchzuführen. Dazu wird jede Station an zwei Kleingruppen vergeben werden (Rechenbeispiel: 32 Schüler --> 2 Gruppen à 16 Schüler --> 8 Stationen werden von jeweils zwei Kleingruppen à 2 Schülern bearbeitet). Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist, dass mindestens zwei Lehrkräfte die Klasse zur Exkursion begleiten.
Es ist zu empfehlen, die Schüler mit genügend zeitlichem Vorlauf (mindestens zwei Wochen) mit ihren Aufgaben zu betrauen, damit schon in der Vorbereitungsphase Fragen geklärt werden können. Darüber hinaus wäre es auch vorteilhaft, die Methodik der Stadtführung im Klassenverband zu besprechen und dabei zu thematisieren, dass ein professioneller Stadtführer seinem Publikum immer eine "Mischung" aus Informativem und Unterhaltsamem bieten wird. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich Geschichte am eindrücklichsten in personalisierter, anekdotenhafter und emotionalisierender Form vermitteln lässt.
Die Materialien zu den einzelnen Stationen sind daher so angelegt, dass die künftigen "Stadtführer" ihren Klassenkameraden später nicht nur nüchterne Sachinformationen, sondern auch Spannendes, Lustiges, Rührendes, auf jeden Fall Anekdotenhaftes bieten können. Unterhaltsam wird ihre Führung aber vor allem dadurch, dass sie alles, was ihnen als berichtenswert erscheint, in einer Art Rollenspiel "verpacken". Sie stellen ihren Revolutionsschauplatz vor, indem sie ein ca. fünfminütiges Gespräch zwischen einem Erzähler bzw. Moderator und einem oder mehreren Zeitzeugen stattfinden lassen. Der entsprechende Arbeitsauftrag ist den Arbeitsblättern AB 2-10 enthalten.
Ursprünglich schleuderte Jupiter seine Pfeile vom Dach des Rastatter Schlosses aus wütend gen Frankreich. Zur Zeit der Deutschen Revolution galten die Pfeile wohl eher den Preußen. Ob sie heute schlecht vorbereiteten oder schlecht zuhörenden Schülern gelten?
© Ingo Brömel
Die Quellen und Informationstexte, die den Schülern zur Vorbereitung der Stadtführung ausgehändigt werden, dürfen sich nicht im Anekdotenhaften erschöpfen. Sie müssen vom Einzelfall auch auf die größeren Zusammenhänge der Revolution schließen lassen. Der "Preis" für diese doppelte Zielsetzung ist der größere Umfang, den einige Arbeitsblätter aufweisen. Dies wurde bewusst nicht vermieden, da Lerngruppen in der Regel aus sehr unterschiedlich leistungsstarken und leistungswilligen Schülern zusammengesetzt sind. Bei der Zuteilung der einzelnen Stationen sollte die Lehrkraft also das Potenzial und die "Arbeitsfreude" ihrer Schüler berücksichtigen.
Wenn die Lehrkraft ein Rollenspiel im Hinblick auf ihre Schüler für ungeeignet hält, kann auf diese Methode auch verzichtet werden. Die Schüler erhalten dann lediglich den Auftrag, im Stile einer klassischen Stadtführung einen drei- bis fünfminütigen Vortrag auszuarbeiten, der frei und lebendig gehalten werden soll und eine gute Mischung aus unterhaltsamen und sachlich-informativen Elementen bietet.
Durchführung der Exkursion:
Nur neun Stationen (AB 2-10) befassen sich unmittelbar mit der Revolution. Station 1 ( AB 1 ) bietet grundlegende Informationen zu Rastatt und zum Barockschloss. Station 2 ( AB 2 ) befasst sich mit der Rastatter Festungsanlage des Deutschen Bundes. Da die Kasematten nach der Niederschlagung der Revolution als Massengefängnis dienten, führt diese Station schon zu den Ereignissen des Jahres 1849 hin.
Es bietet sich an, die "Stadtführung" im Ehrenhof der Residenz mit den Stationen 1 bis 3 zu beginnen. Dem Stadtplan ( AB 11 ) ist der weitere Verlauf der Stadtführung zu entnehmen. Es ist problemlos möglich, einzelne Stationen auszulassen und die Exkursion auf diese Weise der verfügbaren Zeit oder auch der Ausdauer und dem Leistungsvermögen der Lerngruppe anzupassen.
Gelegentlich wird in den Arbeitsmaterialien auf eine andere Station verwiesen, um Dopplungen zu vermeiden. Dies geschieht jedoch nur bei "verzichtbaren" Informationen. Sollten Schüler Bedarf an den Materialien einer anderen Station anmelden, kann die Lehrkraft ihnen auch das entsprechende Arbeitsblatt zur Verfügung stellen.
Das Arbeitsblatt AB 15 dient der Ergebnissicherung. Es kann als Laufzettel während der Stadtführung ausgefüllt werden oder im Unterricht zur Nachbereitung der Exkursion herangezogen werden.
Behandlung des Themas in der Schule
Verzichtet man auf eine Exkursion, können die Arbeitsblätter AB 2-10 unverändert auch im Unterricht genutzt werden. Es böte sich an, dass auch in diesem Fall die Schüler die Materialien arbeitsteilig bearbeiten. Der Arbeitsauftrag - das Entwickeln und Präsentieren eines fiktiven Gesprächs im Rahmen eines Rollenspiels - könnte bestehen bleiben, er eignet sich uneingeschränkt auch für den Einsatz im Unterricht: Zum einen würden die Schüler auch vom Klassenzimmer aus etwas über ihre "regionalgeschichtlichen Wurzeln" erfahren. Zum anderen entsprechen der überwiegend narrative Charakter der Materialien sowie die Handlungsorientierung bei der Präsentation der Arbeitsergebnisse der im Bildungsplan verankerten Kompetenzorientierung:
"Angestrebte Kompetenzen sind die Narrativität als ein wesentliches, an der Kompetenz des Erzählens anknüpfendes Element historischer Rekonstruktion und Ergebnispräsentation" (Bildungsplan 2004, Leitgedanken zum Kompetenzerwerb für Geschichte am Gymnasium).
Die Arbeitsblätter AB 12-14 und AB 16-17 sowie der Quellentext T 1 (im Originalabdruck) sind ausschließlich für die Bearbeitung im Unterricht konzipiert. Zum Teil dienen sie der Vorbereitung der Exkursion (AB 14, T 1), zum Teil der Vertiefung und Festigung der Exkursionsergebnisse (AB 16-17), zum Teil sollen sie den Schülern eine multiperspektivische Betrachtung der Vorgänge von 1848/49 ermöglichen (AB 12-13). Die Arbeitsblätter 12-14 sind auch ohne vorhergehende Lernorterkundung verwendbar.
Das Arbeitsblatt AB 12 hat einen Brief des Heidelberger Biologieprofessors Friedrich Tiedemann an seinen Sohn, den Rastatter Festungsgouverneur Gustav Tiedemann, zum Inhalt. In diesem Brief versucht der Vater seinen Sohn "auf den Pfad der Tugend" zurückzuholen. Seine Abscheu gegenüber der revolutionären Gesinnung seines Sohnes ist so groß, dass er sich seinen eigentlich geliebten Sohn lieber tot als revolutionär wünscht. Vier Arbeitsaufträge (und ein handlungsorientierter Alternativvorschlag) halten die Schüler dazu an, Denken und Fühlen von Vater uns Sohn näher zu beleuchten.
Gustav Tiedemann, Gouverneur der Festung Rastatt, gibt Anweisungen zur Verteidigung der Stadt.
© LMZ-BW (Weischer)
Das Arbeitsblatt AB 13 bietet einen Tagebucheintrag Christian Petersdorffs, der als einfacher preußischer Soldat an der Belagerung Rastatts teilnahm. Nach der Kapitulation der Aufständischen verfolgte er die Standgerichtsprozesse in Rastatt und Mannheim. Im dem Textausschnitt schildert er, wie ein allseits beliebter Dorfschullehrer, der sich den Revolutionären angeschlossen hatte, in Mannheim hingerichtet wurde. Auch diese Quelle zeigt, dass die Forderung nach Freiheit, Menschenrechten und demokratischer Mitbestimmung - für uns heute eine Selbstverständlichkeit - Mitte des 19. Jahrhunderts eben keineswegs fest verankertes Gemeingut war.
Das Arbeitsblatt AB 14 widmet sich mit der "Mannheimer Petition" vom 27. Februar 1848 den Zielen der Revolutionäre. Die Mannheimer Petition gilt als Beginn der Märzrevolution in Deutschland. Das Arbeitsblatt kann zur Vorbereitung der Exkursion eingesetzt werden oder auch unabhängig von der Lernorterkundung. Die Schüler lernen die verschiedenen Revolutionsziele zu differenzieren und zu kategorisieren.
Der Quellentext T 1 ist ein Originalabdruck der Erstausgabe des "Rastatter Festungsboten" (Titelseite). Dieses Blatt erschien während der Belagerung Rastatts zwei Wochen lang täglich und sollte vor allem dem Zweck dienen, die Rastatter Bevölkerung, die unter dem Belagerungszustand erheblich zu leiden hatte, auf den revolutionären Kampf und die Entbehrungen einzuschwören. Herausgeber und Chefredakteur der Zeitung war Ernst Elsenhans, später einer der 19 standrechtlich Erschossenen (vgl. Station 9). Revolutionäre Ziele, aber auch propagandistische Absicht und Methodik lassen sich aus der Quelle gut herausarbeiten.
Zwei Arbeitsblätter ermuntern die Schüler dazu, sich in spielerisch-rätselartiger Form noch einmal mit wichtigen Erkenntnissen aus der Exkursion zu beschäftigen. Beim Bilderquiz ( AB 16 ) müssen die Schüler Abbildungen zu den Revolutionsereignissen in eine sinnvolle Reihenfolge bringen und ihre Anordnung begründen. Da die Begründung auf unterschiedlichstem Niveau erfolgen kann, eignet sich das Bilderquiz gleichermaßen für Sekundarstufe I wie II.
Bilderquiz zur Nachbereitung der Stadterkundung
© Ingo Brömel
Bei dem Quiz "Wer wird Geschichtskönig" ( AB 17 ) stellt die Lehrkraft den Schülern Fragen, die sich allesamt mit Inhalten der Exkursion beschäftigen. Die Schüler müssen sich wie bei der Fernsehshow "Wer wird Millionär" unter verschiedenen Antworten für die richtige entscheiden, um in die nächste Fragerunde einzuziehen. Wer am längsten "durchhält", ist "Geschichtskönig" und erhält gegebenenfalls einen Preis (Hausaufgabengutschein, "Veto-Karte": AB 18 ). Die Lehrkraft kann die Fragen leicht erweitern oder auf die Klasse zuschneiden und auch amüsante Begebenheiten des Exkursionstages aufgreifen (Beispiele siehe Arbeitsblatt).
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -