Heinrich Schickhardt, dessen 450. Geburtstag im Jahr 2008 gefeiert wird, kommt als Städteplaner, Festungsbaumeister, Zivil-Architekt, vielseitigem Ingenieurtechniker, Feldvermesser, Kartograf, Prospektor im Bergbau und kompetentem Gutachter ein besonderer Platz in der Geschichte des Herzogtums Württemberg zu:
- Er ist der Beitrag Württembergs zur Elite technischer Spezialisten, die es zu seiner Zeit mancherorts gab und die den schon im Spätmittelalter grundgelegten technischen Standard in der frühen Neuzeit fortentwickelten; von ihren Leistungen profitieren wir letztendlich bis heute.
- Aber Schickhardt ragte aus dieser Gruppe insofern heraus, als er durch die Aufträge seines Herzogs wie kein anderer die Möglichkeit hatte, die technischen Neuerungen auch in die Tat umzusetzen, zu erproben und den wechselnden Gegebenheiten anzupassen.
Neckarbrücke bei Köngen, weitgehend in dem von Schickhardt erbauten Bestand (1600) © LMZ-BW Fahrbahn über die Brücke © LMZ-BW
- Sein umfangreicher Nachlass an technischen Zeichnungen und deren Erläuterungen ist nicht nur ein wertvolles Zeugnis technischer Innovationen, sondern darüber hinaus dokumentiert es auch deren praktische Umsetzung. Dies macht den besonderen Informationswert seiner Überlieferung gegenüber den Zeichnungen anderer zeitgenössischer Techniker aus.
Eigenhändig geschriebenes Monogramm Heinrich Schickhardts, wie es in zahlreichen Zeichnungen auftaucht. © Landesarchiv BW (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
- Durch sein Können war Schickhardt der unermüdliche Helfer vor allem Herzog Friedrichs I. bei der Realisierung von dessen merkantilistischen Plänen und damit bei der Förderung des wirtschaftlichen Wohlstands des Landes.
Der Neue Bau in Stuttgart. Zeichnung nach einer Lithographie von 1820 © LMZ-BW, Stadtarchiv Herrenberg
- Auf seinen Reisen setzte er sich als Architekt und Städteplaner mit der italienischen Renaissance-Baukunst auseinander und wurde für Württemberg einer ihrer kompetenten Vermittler und Umsetzer. Damit trug er wesentlich zur repräsentativen Ausgestaltung der beiden Residenzen in Stuttgart und Mömpelgard bei.
Fruchtkasten (Mitte) mit der von Schickhardt geschaffenen Renaissancefassade, Stuttgarter Schillerplatz (ehem. "Alter Schlossplatz") © LMZ-BW
- In seinem "Inventarium" hinterließ er ein einzigartiges und umfangreiches Quellenwerk zu Leben und Werk eines Menschen an der Epochenwende vom Mittelalter zur Neuzeit.
Fassade von Schickhardts1944 zerstörtem Wohnhaus in Stuttgart, erbaut 1596-1602, Foto 1948 © LMZ-BW
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Bezüge zu Europa
Eine Persönlichkeit wie Heinrich Schickhardt blieb nicht auf ihr Herkunftsland, das Herzogtum Württemberg, beschränkt:
- Die notwendige Vertiefung und Ausweitung seines Wissens konnte Schickhardt in einer an Medien armen Zeit nur durch Reisen und damit durch den Augenschein erwerben. Bevorzugtes Ziel war damals generell Italien, wo nicht nur die neue Zeit früher angebrochen war, sondern wo sich auch die unmittelbare Begegnung mit der Antike bot, so dass vor dem Italienreisenden gleichsam die Wurzeln Europas offen lagen. Schickhardt hielt sich 1598 und 1599/1600 (als Reisebegleiter Herzog Friedrichs I.) dort auf. Seine Notizbücher sind gefüllt mit Zeichnungen und Beschreibungen von technischen Einrichtungen und Werken der großen Renaissancebaumeister.
Theatro Olympico in Vicenza, Zeichnung Schickhardts © LMZ-BW
- Über die Grenzen des Herzogtums hinaus wiesen ihn auch seine Aufgaben in den linksrheinischen Besitzungen Württembergs (Grafschaft Mömpelgard mit den Lehnherrschaften Clerval, Passavant und Granges sowie die Herrschaften Reichenweier und Horburg im Elsass). Sie waren mit häufigen Reisen dorthin und schließlich dem jahrelangen Hauptwohnsitz in der Residenz Mömpelgard verbunden. Kontakte zu Frankreich und zu den vorderösterreichischen Gebieten mit dem Zentrum Ensisheim im Elsass waren die Folge.
Die württembergische Residenzstadt Mömpelgard (Montbéliard), Kupferstich von Matthäus Merian (17. Jh.) © LMZ-BW
- Bald war auch Schickhardts Ruf weit über die Grenzen Württembergs hinaus gedrungen, was ihm bedeutende Aufträge von außen einbrachte. Er gutachtete z. B. in Basel, als Schäden an der Rheinbrücke auftraten, und gab Empfehlungen für deren Behebung. Kaiser Rudolf II. lud ihn ein, in Ensisheim eine Festung zu bauen, und Erzherzog Maximilian wollte seine Mitwirkung an der Befestigung von Innsbruck. Zwar zerschlugen sich beide Projekte, das eine am Geld, das andere am Widerstand Herzog Friedrichs, aber sie zeigen trotzdem die europäische Dimension, in die Schickhardt hineingewachsen war.
Schließlich ist Schickhardt auf Grund seiner Leistungen bis heute über Landesgrenzen hinweg im Bewusstsein vieler präsent, wie dies die Heinrich-Schickhardt-Kulturstraße beweist, die 1992 in das Programm der Kulturstraßen des Europarats aufgenommen wurde und der insgesamt 19 Orte seines Wirkens in Württemberg und Frankreich angehören.
Strukturskizze der Kulturstraße auf der Homepage des Vereins: www.heinrich-schickhardt-kulturstrasse.de © Verein "Kulturstraße des Europarates Heinrich Schickhardt"
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