Anlage
Als Lernort steht im Mittelpunkt des Unterrichtsthemas die Kernstadt von Freudenstadt. Der ihr zugrunde liegende Entwurf von Heinrich Schickhardt ging zwar in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs (Artillerieangriff mit anschließendem Brand vom 16./17.4.1945) unter. Aber das Freudenstadt von heute ist doch weithin - wenn auch Zugeständnisse an das 20.Jh. gemacht wurden - die Stadt Schickhardts geblieben. Die Diskussion um den Wiederaufbau war von Herbst 1945 an zwar mit großem Einsatz von Städteplanern und Architekten, Verwaltungsbeamten und den betroffenen Bürgern geführt worden, doch erst mit der Ernennung des Stadtbaurats Ludwig Schweizer zum Leiter des Stadtbauamtes im Juni 1949 nahm der Wiederaufbau, seinen Plänen folgend, zügig Gestalt an. Er bekannte sich zu dem von Schickhardt geschaffenen Grundriss, entwickelte ihn aber den Erfordernissen des 20. Jh.s entsprechend weiter ( T 2 ). Im Sommer 1951 konnte bereits die erste Wiederaufbauwoche gefeiert werden, eine weitere Festwoche folgte 1954 zum Abschluss der Baumaßnahmen.
Die Besonderheiten der heutigen Stadt, wie sie Ludwig Schweizer geschaffen hat, können nur über ihre historischen, von Heinrich Schickhardt entworfenen Grundlagen verstanden werden: Schickhardt berichtet in seinem "Inventarium" - im Abschnitt der kommentierten Auflistung seiner Werke - sehr detailliert über den Auftrag Herzog Friedrichs I. zur Planung einer Stadt, die nahe dem Kniebis im Schwarzwald von Grund auf neu errichtet werden sollte ( T 1 ). Die ersten beiden Entwürfe seines Baumeisters lehnte der Herzog ab ( B 2, B 3). Mit dem dritten Entwurf, dem sog. Dreizeilenplan ( B 4a), wurden die Grundlagen für die Gestalt der Kernstadt bis heute geschaffen. Eine Erweiterung der Stadt, die sich im Fünfzeilenplan ( B 5) spiegelt, betraf nur den Rand der Anlage und wurde 1608 um eine Zeile zurückgenommen. Im späten 17. Jh. erhielt Freudenstadt, das anfangs nur mit einem Plankenzaun und Schlagbäumen an der Stelle der 4 Tore nach außen abgegrenzt worden war, eigene Befestigungsanlagen. Die Gestalt der Kernstadt wurde jedoch von ihnen nicht beeinflusst.
Häuserskizzen aus dem Dreizeilenplan (B 4c): Schickhardt sah offensichtlich vorrangig 3stöckige Häuser vor, teils giebel-, teils traufständig mit "Zwerchhaus". Das Nebeneinander beider Formen legitimiert die für den Wiederaufbau gewählte Gestaltung (siehe unten).
© Landesarchiv BW (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
Ausschnitte aus der Marktplatzrandbebauung (Wiederaufbau): Die Frage, ob trauf- oder giebelständige Häuser entlang den Marktplatzseiten entstehen sollten, beherrschte jahrelang die Wiederaufbaudiskussion, bis dann Ludwig Schweizer die jetzige Form durchsetzte.
© Stadtarchiv Freudenstadt
Der frühe Tod Herzog Friedrichs trug wesentlich dazu bei, dass die Stadt in ihrem Wachstum stagnierte und letztendlich unvollendet blieb. Dies wird besonders an dem außergewöhnlichen Marktplatz deutlich, der das Zentrum der Anlage bis heute bildet - ein Quadrat von 780 Schuh Seitenlänge, wie Heinrich Schickhardt in den Plan eingetragen hatte, was 223,2 m entspricht (in der Realität sind Ungenauigkeiten festzustellen: 223.2 x 218,2 x 214 x 214 m). Ursprünglich als Standort für ein herzogliches Schloss gedacht, das aber von Friedrichs Nachfolger nicht gebaut wurde, blieb der Raum frei und stellte in seiner enormen Fläche seit jeher eine Herausforderung für die Städteplaner dar. Darum stand er auch beim Wiederaufbau nach 1945 im Mittelpunkt der Debatten.
Als bauliche Lösung für die schwierige Gestaltung der Ecken des gewaltigen Platzes hatte Schickhardt zwei sogenannte Winkelhakenbauten errichten lassen, die evangelische Stadtkirche und das Kaufhaus. Sie waren beim Wiederaufbau bei weitem nicht so umstritten wie die bauliche Gestaltung der Marktplatzränder. Nach Schickhardts Planung waren ursprünglich überwiegend giebelständige Häuser mit Arkaden errichtet worden. An den Arkaden, die der Weiträumigkeit des Platzes einen Zusammenhalt geben, wurde zwar festgehalten, die Häuser jedoch nach langen Auseinandersetzungen traufständig mit Dachausbauten errichtet (siehe Abbildung oben).
Fünfzeilenplan (Ausschnitt im Bereich der Winkelhakenkirche und des dahinter gelegenen Pfarr- und Schulhauses). Es handelt sich um einen Erweiterungsplan von 3 auf 5 Häuserzeilen. Die Form der Winkelhakenkirche ist die architektonische Antwort auf die Frage nach der Ecklösung des weiträumigen Platzes. © Landesarchiv BW (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
Während der Marktplatz überwiegend von Geschäftshäusern, deren Schaufensterreihen sich unter den Arkaden hinziehen, beherrscht wird, gehören die anschließenden Häuserzeilen, wie sie der Dreizeilenplan vorgesehen hatte, zur Wohnbebauung. Die schmalen Straßen, in denen sich jeweils Vorder- und Rückseite der Häuser gegenüberstanden, wurden nach 1945 zwar beibehalten, aber freundlicher und hygienischer gestaltet.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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