Hintergrundinformationen

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1.1 Bedeutung

Die Pläne für eine Kanalverbindung zwischen Neckar und Donau über die schwäbische Alb sind Teil eines süddeutschen Großwasserstraßenprojekts, das die Ströme Rhein und Donau sowie Neckar, Main und Bodensee betreffen sollte. Dabei hängt der Bau des Neckar-Donau-Kanals unmittelbar mit der Schiffbarmachung des Neckars zusammen, die 1921 begann und 1968 beendet wurde.

Das Projekt der Albüberquerung ist technisch äußerst anspruchsvoll und innovativ – zeitgenössische Quellen vergleichen es sogar mit den antiken Weltwundern. Für eine Vielzahl technischer und naturgeografischer Herausforderungen mussten die Planer Lösungen finden, wie beispielsweise:

  • Neben der Länge von circa 60 Kilometern müssen die über 400 m Höhendifferenz zwischen Plochingen und dem Scheitelpunkt auf der Alb sowie das Abfallen Richtung Donau mit 120 Höhenmetern bewältigt werden.

  • Die Alb als Wasserscheide lässt einen Überleitungskanal von der Donau zum Neckar nicht zu. Die Speisung der Scheitelstrecke kann nicht direkt aus Neckar oder Donau erfolgen.

  • Der zerklüftete weiße Jura der Alb lässt Wasser schnell versickern und macht so eine Bevorratung schwierig. Auch ist ein Zufluss über die schwachen Albquellen, wie etwa die Lone, problematisch.

  • Ein Tunnel könnte den Scheitelkanal durch einen Überleitungskanal ersetzen, aber der Kalkstein erschwert den Tunnelbau.

  • Die dichte Besiedelung des Filstals macht die Trassenführung in der Bevölkerung umstritten.

Trotz dieser Herausforderungen zeigt sich eine technische Begeisterung und ein modernistisches Denken, wie es typisch für diese Epoche der Zwischenkriegszeit ist. Bei den Planungen für den Neckar-Donau-Kanal wird ein ausgeprägter Fortschrittsglaube und Zukunftsoptimismus deutlich, der sich auf die Möglichkeiten der Technik und deren Gestaltungskraft beruft. Dieses Denken zeigt sich auch in anderen „utopischen“ Projekten dieser Zeit, wie den Plänen zum Autobahnbau oder Herman Sörgels „Atlantropa“ - einem Großprojekt, das die teilweise Entwässerung des Mittelmeers vorsieht. Vergleichbar sind zudem die Elektrifizierungspläne Stalins oder das TVA-Projekt in den USA.

Diese modernistischen und utopistischen Konzepte stellen ein problemorientiertes Gegenmodell zu den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen der Weimarer Republik und zum Modernisierungkonzept des Nationalsozialismus dar. Darüber hinaus zeigt sich in dieser positiven technischen Weltsicht eine Parallele zu anderen innovativen Ansätzen der Zeit, z.B. in der Bildenden Kunst oder der Architektur.

1.2 Geschichte

Erste Pläne für eine Verbindung zwischen Neckar und Donau gehen in die 1780er-Jahre zurück und sollen den Warenhandel fördern. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert versuchte Ferdinand Varnbüler mehrfach, den württembergischen König Wilhelm I. für dieses Projekt zu gewinnen. Doch mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes im Südwesten geraten die Kanalpläne aus der Diskussion.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befasst sich das „Neckar-Donau-Kanal-Komitee“ erneut mit dem Thema und legt neue Planungen vor.

Für die Überquerung der Alb werden zu diesem Zeitpunkt drei Routen diskutiert:

  • Kocher-Brenz-Linie

  • Rems-Kocher-Brenz-Linie

  • Filstal-Linie

Dem „Südwestdeutschen Kanalverein für Rhein, Donau und Neckar" gelingt es ab 1916 durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit in der Wirtschaft, bei den betroffenen Kommunen und auch in der Politik die Bedeutung des Projekts herauszustellen. Zentral sind diesem Zusammenhang allerdings auch die Überlegungen Bayerns, eine Wasserstraße zwischen Main und Donau zu bauen. Hierin wird ein Konkurrenz-Unternehmen gesehen, das den Neckar-Donau-Kanal überflüssig machen und Württemberg wirtschaftlich schädigen könnte. Neue Planungen werden ins Werk gesetzt; dabei wird die Route durch das Filstal – also von Plochingen nach Ulm – präferiert.

Im Landtag und auch im Reichstag werden der Ausbau und die Kanalisierung des Neckars befürwortet, der Neckar-Donau-Kanal wird als zweiter Schritt angesehen.

Als 1920 die Wasserstraßen in die Verantwortung des Reichs fallen, wird der Ausbau des Neckars zwischen Mannheim und Plochingen forciert: Die Neckarbaudirektion unter Otto Konz wird errichtet, im Juni 1921 wird ein Staatsvertrag zwischen dem Reich und den Uferstaaten geschlossen. Einen weiteren Ausbau über Plochingen sieht das Reichsverkehrsministerium allerdings nicht vor.

Die Inflation 1923 lässt die Bauarbeiten zum Stillstand kommen, der Ausbau wird auf die Strecke Mannheim-Heilbronn beschränkt und verlangsamt.

Otto Konz, der Vorstand der Neckar AG, legt 1925 neue Pläne für die Filstal-Strecke vor, die u.a. eine Herausführung der Kanalstrecke aus dem Filstal, den Bau eines Tunnels zur Umgehung von Geislingen sowie sechs Stollen von insgesamt 7,5 Kilometer Länge vorsehen. Doch seine Pläne finden kein Interesse.

Die Fertigstellung des Neckarausbaus bis Plochingen erfolgt in drei Etappen: im Juli 1935 die Strecke Mannheim – Heilbronn, im März 1958 Heilbronn – Stuttgart und der Abschnitt Stuttgart – Plochingen am 12. Juli 1968.

Die Pläne für den Neckar-Donau-Kanal werden nicht weiterverfolgt und 1970 mit einem Schreiben des Bundesverkehrsministers Georg Leber endgültig beendet: „Der im Neckar-Donau-Staatsvertrag von 1921 vorgesehene Bau einer Wasserstraßenverbindung zwischen Plochingen und Ulm wird in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden können ... Ich halte es daher für nicht erforderlich, daß die Trasse des Kanals freigehalten wird.“ (zit. nach Seidelmann, S. 1.)

1.3 Anlage

Da das Projekt nicht über den Planungszustand hinauskam und keine bauliche Realisierung stattfand, finden sich keine baulichen Zeugnisse des Neckar-Donau-Kanals.

 

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -

letzte Änderung: 2014-09-07