Der 20.7. im Südwesten

Goerdeler und der Boschkreis

Nachdem Carl Friedrich Goerdeler als Leipziger Oberbürgermeister 1937 zurückgetreten war, wurde er ‘Wirtschaftsberater‘ des Robert Bosch-Konzerns. Mit insgesamt 700 000 Reichsmark finanzierte der "Boschkreis" die Aktivitäten Goerdelers, insbesondere dessen Auslandsaufenthalte.

Robert Bosch um 1919

B 7 Robert Bosch um 1919
© LMZ 050184

Das Unternehmen Bosch war eine Art Anlaufstelle des Widerstandes. In die Aktionen Goerdelers waren Robert Bosch und insbesondere die Firmenmitglieder Hans Walz, Theodor Bäuerle, Hermann Fellmeth, Albrecht Fischer, Willy Schlossstein, Karl Martell Wild, Paul Hahn und auch Alfred Knoerzer eingeweiht. Vom "Boschkreis" aus wurden Kontakte zu anderen Persönlichkeiten, u.a. zu Eugen Bolz und anderen Gesellschaftsgruppen, beispielsweise zu den Gewerkschaftsmitgliedern Christian Härle und Jakob Weimer, einem engen Freund von Wilhelm Leuschner, geknüpft.

arl Friedrich Goerdeler wurde - auch durch die Protektion von Robert Bosch – zur treibenden Kraft des Widerstands der traditionellen Eliten im deutschen Südwesten. Er unterhielt Kontakte zum Stuttgarter Kreis, dem Karlsruher Kreis und dem Freiburger Kreis sowie zu zahlreichen Einzelpersönlichkeiten.

Prozess zum 20. Juli 1944: Dr. Carl Goerdeler am 8. September 1944

B 8 Prozess zum 20. Juli 1944: Dr. Carl Goerdeler am 8. September 1944
als Angeklagter vor dem Volksgerichtshof in Berlin
© Bundesarchiv Bild 151-58-16, Volksgerichtshof, Dr.Carl Goerdeler, CC BY-SA 3.0 DE


Eugen Bolz und der Stuttgarter Kreis

Der württembergische Staatspräsident Eugen Bolz war einer der Hauptgegner der Nationalsozialisten in Württemberg. Am 11. März 1933 wurde seine Regierung von den Nationalsozialisten abgesetzt und er später mehrmals verhaftet. Mit Goerdeler nahm Bolz 1942 durch Vermittlung von Joseph Ersing Kontakt auf. Bei einem positiven Ausgang des Attentats sollte er ein Ministeramt übernehmen.

Eugen Bolz wurde am 12. August 1944 verhaftet, am 21. Dezember 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee ermordet.

Prozess zum 20. Juli 1944: Eugen Bolz am 21.12.44

B 9 Prozess zum 20. Juli 1944: Eugen Bolz am 21.12.44
als Angeklagter vor dem Volksgerichtshof in Berlin
© LMZ 038087

 

Reinhold Frank und der Karlsruher Kreis

Reinhold Frank

B 10 Reinhold Frank
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Der Rechtsanwalt Reinhold Frank verteidigte politisch Verfolgte und hatte 1943 Kontakt zu Eugen Bolz und Goerdeler. Zum inneren Kreis der Karlsruher Widerstandsgruppe gehörten neben Reinhold Frank auch Franz Sprauer, Karl Ramstein, Dr. Siegfried Kühn und Alfred Ibach. Zusammen mit Albrecht Fischer sollte er nach dem Staatsstreich politischer Beauftragter im Wehrkreis V werden.

Am 13. Januar 1945 wurde Reinhold Frank vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und wie Eugen Bolz am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee ermordet.

 

Der Freiburger Kreis

Nach den Novemberpogromen bildete sich 1938 der oppositionelle Freiburger Kreis mit mehreren Arbeitsgruppen.

Die Volkswirtschaftsprofessoren Adolf Lampe, Constantin von Dietze und Walter Eucken, die auch der Bekennenden Kirche angehörten, arbeiteten seit Ende 1938 mit Franz Böhm in einem Gesprächskreis um den Historiker Gerhard Ritter und Geistlichen (u.a. Helmut Thielicke) beider Konfessionen zusammen, um über das Verhältnis von Christen zu dem Unrechtsstaat zu diskutieren.

Die Gruppe pflegte Kontakte zu Goerdeler. Dietze, Lampe und Ritter wurden nach dem 20. Juli verhaftet, da die Gestapo von der Verbindung zum Goerdeler-Kreis erfahren hatte.

Seit 1943 befassten sich Dietze, Eucken und Lampe zusammen mit anderen Freiburger Wissenschaftlern (u.a. Erik Wolf) mit den zu erwartenden Wirtschaftsproblemen nach Kriegsende und leisteten mit ihren Denkschriften und Gutachten die theoretischen Vorarbeiten für die von Ludwig Erhard 1949 eingeführte soziale Marktwirtschaft.

 

Weitere Mitverschwörer und Mitgestalter

Eugen Gerstenmaier (25.8.1906 – 13.3.1986)
Eugen Gerstenmaier war Mitglied des Kreisauer Kreises und hielt sich am 20. Juli 1944 im Bendlerblock auf, um den Umsturzversuch aktiv zu unterstützen. Im Gegensatz zu den anderen Angeklagten wurde er nur zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.1945 wurde er von amerikanischen Truppen befreit.

Theophil Wurm (7.12.1968 – 28.1.1953)
Der Landesbischof der württembergischen Kirche Theophil Wurm hielt über Eugen Gerstenmaier Kontakte zum Freiburger und Kreisauer Kreis, wie auch zum Widerstandskreis um Carl Goerdeler, für den er nach einem geglückten Attentat eine Rundfunkproklamation hätte verlesen sollen.

Alfred Delp (15.9.1907 – 2.2.1945)

Alfred Delp

B 11 Alfred Delp
© Gedenkstätte Deutscher Widerstand

Der in Mannheim geborene Jesuitenpriester Alfred Delp arbeitete ab1942 im Kreisauer Kreis mit und entwickelte ein Modell einer neuen Gesellschaftsordnung für die Zeit nach dem Nationalsozialismus. Dabei berücksichtigte er die Grundlinien der katholischen Soziallehre. Delp stellte Kontakte zwischen einzelnen Münchner Widerstandskreisen und dem Kreisauer Kreis her. Am 28. Juli 1944 wurde Alfred Delp in München verhaftet und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee ermordet.

Otto Geßler ( 6. 2.1875 – 24. 3.1955)
Der gebürtige Ludwigsburger Otto Geßler (DDP) wurde von den Verschwörern um Ludwig Beck und Carl Goerdeler für den Fall eines gelungenen Staatsstreichs als Politischer Beauftragter im Wehrkreis VII (München) vorgesehen.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler wurde Otto Geßler von der Gestapo verhaftet und ohne Gerichtsverfahren bis zum 24. Februar 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern und Haftanstalten festgehalten.

Hans Speidel (28.10.1897 – 28.11.1984)
Der Berufsoffizier Hans Speidel aus Metzingen war bereits im Frühjahr 1943 an einem Attentatsplan beteiligt. Im April 1944 wurde er Chef des Stabes beim Oberbefehlshaber der Heeresgruppe im Westen unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel, den er für den militärischen Widerstand gegen Adolf Hitler gewinnen wollte.
Speidel wurde am 7. September 1944 von der Gestapo verhaftet und als Helfer und Mitwisser des Attentats auf Hitler angeklagt und ab Ende 1944 an wechselnden Orten in Haft gehalten. Im April 1945 gelang ihm die Flucht und konnte sich bis zum Kriegsende in Sicherheit bringen.

Fritz Elsas (11.7.1890 – 4.1.1945)
Der in Stuttgart-Bad Canstatt geborene Fritz Elsas sollte für den Fall eines gelungen Staatsstreichs Leiter der Reichskanzlei in einer neugebildeten Regierung werden. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch nahm Elsas den verfolgten Carl Goerdeler zweimal in sein Haus auf, obwohl er selbst als Jude besonders gefährdet war. Am 10. August 1944 wurde Fritz Elsas verhaftet und am 4. Januar 1945 im KZ Sachsenhausen ermordet. Seine Frau Maria und seine drei Kinder wurden in “Sippenhaft“ genommen und bei Kriegsende befreit.

 

Zu den “Mitverschwörern – Mitgestaltern im deutschen Südwesten“ im Zusammenhang mit dem 20. Juli können noch u.a. folgende Personen zugerechnet werden:

Joseph Andre (16.2.1879 – 15.3.1950), Schramberg:
Verbindungen zur Stuttgarter Widerstandsgruppe.
Nach dem 20.7. verhaftet, ins KZ Welzheim überführt und ins Arbeitslager Aistaig gebracht.

Walter Bauer (6.11.1901 – 1.11.1968), Heilbronn:
Bekanntschaft mit Goerdeler. War mit ihm bei einer Geheimaussprache im Freiburger Kreis. Nach dem 20.7. verhaftet und angeklagt, am 21.4. 1945 aus der Haft entlassen.

Heinrich Baumer (17.4.1891 – 8.7.1962), Waldkirch:
Kontakte zur Stuttgarter Widerstandsgruppe um Joseph Ersing.
Nach dem 20.7. verhaftet.

Valentin Eichenlaub (26.8.1882 – 18.4.1958)
Seit 1933 ständig von der Gestapo überwacht. 1942 an den Umsturzplänen eingeweiht. Kontakte zur Stuttgarter und Karlsruhe Gruppe sowie nach Straßburg zu Johann Keppi. Am 28.8.1944 verhaftet, im Oktober 1944 wieder entlassen.

Christian Härle (28.6.1894 – 8.11.1950), Ingersheim:
1933 ins KZ Heuberg überführt, Kontakte über eine Gruppe Stuttgarter Gewerkschaftlern zu Goerdeler. Nach dem Attentat verhaftet und ins KZ Dachau gebracht.

Emil Henk (17.12.1893 – 10.5. 1969), Heidelberg:
Leiter ab 1933 die Widerstandsgruppe “Rechberg“ im Raum Heidelberg/Mannheim. Von Oktober 1934 bis Sommer 1936 im KZ Osthofen inhaftiert. Zahlreiche Zusammenkünfte in Heidelberg mit Carlo Mierendorf, Alfred Weber und Theodor Haubach und Graf von Moltke (Kreisauer Kreis).

Johann (Jean) Keppi (8.11. 1894 – 17.11. 1976), Straßburg:
Kontakte von August Kuhn und Valentin Eichenlaub zu Keppi,
Verbindungsmann zur elsässischen Resistance. 1943 Verhandlungen in Stuttgart mit Bolz, Frank, Ersing, Goerdeler.
War in die Umsturzpläne eingeweiht. Traf im März/April 1944 Claus Graf von Stauffenberg.

August Kuhn (11. 1. 1886 – 24.12.1964), Mannheim:
Wurde 1933 als Leiter des Arbeitsamtes von den Nationalsozialisten kurzzeitig entlassen, mehrfach versetzt und degradiert.
Hatte Kontakt zu Carl Friedrich Goerdeler und Jakob Kaiser.
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet.

(Quelle: Klaus Eisele, Rolf-Ulrich Kunze, Mitverschwörer – Mitgestalter. „Der 20. Juli im deutschen Südwesten“, Konstanz, 2004, S. 129 ff)


An den Seitenanfang ... zur Gliederung ...

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -


Der Text dieser Seite ist verfügbar unter der Lizenz CC BY 4.0 International
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.