Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
1974 wurde auf Anregung des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann die „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ im Rastatter Schloss eingerichtet. Im Jahr 1849 hatte die Festung Rastatt die letzte Bastion der demokratisch-republikanischen Bewegung gebildet, und der Ahnensaal des Rastatter Schlosses war nach der blutigen Niederschlagung der badischen Revolution zum Schauplatz des Standgerichts der preußischen Sieger geworden. Gustav Heinemann hatte die Initiative zur Gründung der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ in erster Linie deshalb gestartet, da er fest davon überzeugt war, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre freiheitlich-demokratischen Erinnerungen aktiv pflegen müsse und Demokratie positive Traditionsbildung verlange.
In dieser von Bundespräsident Heinemann begründeten Traditionslinie sahen sich auch die Jubiläumsfeiern, Symposien, Tagungen und Ausstellungen des Jahres 1998 zur Revolution von 1848/49 im deutschen Südwesten. Damals entstand die Idee zum Aufbau des Netzwerks „Die Straße der Demokratie“, für die zunächst Karlsruhe und Offenburg warben. Zwischen 2005 und 2007 konnte das Projekt realisiert werden, und gegenwärtig beteiligen sich an der „Straße der Demokratie“ neben Karlsruhe und Offenburg neun weitere Städte: Frankfurt a. M., Homburg, Zweibrücken, Lörrach, Mannheim, Neustadt a. d. W., Philippsburg, Rastatt und Sinsheim. Jeder der teilnehmenden Orte präsentiert sich unter einem Leitbegriff und im Allgemeinen mit einem zumindest fünf Erinnerungspunkte aufweisenden Stadtrundgang auf den Spuren der Demokratiegeschichte.
Der Karlsruher Rundgang steht unter dem Motto „Verfassung und Recht“, war doch die ehemalige Haupt- und Residenzstadt zwischen 1818 und 1933/34 Versammlungsort des badischen Parlaments und ist nun Sitz der höchsten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs. Schülerinnen und Schüler können bei einem Gang durch die Karlsruher Innenstadt auf der „Straße der Demokratie“ eine neue Perspektive auf die Fächerstadt entwickeln: Sie entdecken Karlsruhe als Ort mit einer bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückreichenden demokratischen Tradition und als „Residenz des Rechts“ mit höchster Bedeutung für die heute bestehende deutsche Demokratie. Der Gang entlang der einzelnen Stationen des Karlsruher Beitrags zur „Straße der Demokratie“ leistet somit einen wichtigen Beitrag zur historisch- politischen Bildung der Schülerinnen und Schüler und zur Förderung von deren geschichtskultureller Kompetenz.
2. Geschichte
Zeittafel
1715/22
Stadtwerdung Karlsruhes
1805-1825
Neubau des Karlsruher Rathauses durch den badischen Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner im klassizistischen Stil
1806
Baden wird Großherzogtum
22.8.1818
Unterzeichnung der Badischen Verfassung durch Großherzog Karl von Baden; im April 1819 tagt erstmals das badische Parlament
16.10.1820
Grundsteinlegung für das badische Ständehaus, das badische Parlament
4.11.1822
Einweihung des Ständehauses mit einer öffentlichen Sitzung der Zweiten Kammer
1822/32
Errichtung und abschließende Gestaltung des Großherzog-Karl-Denkmals, der „Verfassungssäule“, auf dem Karlsruher Rondellplatz
1849
Im Zuge der so genannten „Reichsverfassungskampagne“ kommt es im Großherzogtum Baden nach der erfolgreichen Rebellion der Garnison der Bundesfestung Rastatt und der Flucht Großherzog Leopolds aus Baden faktisch zur Bildung einer Republik. Karlsruhe wird Sitz der badischen Revolutionsregierung unter Lorenz Brentano. Erst der Einmarsch einer preußischen Interventionsarmee unter dem Oberbefehl des preußischen Kronprinzen Wilhelm (des späteren Kaisers Wilhelm I.) beendet die Herrschaft der Revolutionsregierung und ermöglicht die Rückführung des Großherzogs.
1890/97
Errichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kaiserplatz am Mühlburger Tor
20.11.1918
Während der Novemberrevolution konstituiert sich im Karlsruher Rathaus die Vorläufige Badische Volksregierung unter dem Vorsitz von Anton Geiß (SPD). Der Karlsruher SPD-Landtagsabgeordnete Ludwig Marum wird badischer Justizminister.
1934
Aufhebung des (zuvor „gleichgeschalteten“) Badischen Landtags durch die Nationalsozialisten
1944
Zerstörung des Ständehauses und des Karlsruher Rathauses bei Luftangriffen auf Karlsruhe
23.5.1949
Verkündung des Grundgesetzes, dessen erster Teil die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger garantiert.
1950
Eröffnung des Bundesgerichtshofes im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais an der Karlsruher Kriegsstraße
1951
Eröffnung des Bundesverfassungsgerichts im Karlsruher Prinz-Max-Palais
1969
Umzug des Bundesverfassungsgerichts in den vom Berliner Architekten Paul Baumgarten entworfenen Neubau auf dem westlichen Karlsruher Schlossplatz
1974
Gründung der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ durch Gustav W. Heinemann im Rastatter Schloss
1998
Landes-Ausstellung „1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden“ im Badischen Landesmuseum; Anbringung der von Schülerinnen und Schülern des Durlacher Markgrafen-Gymnasiums angefertigten Installation „Freiheitskämpfer stehen auf“ am bzw. vor dem Karlsruher Kaiser-Wilhelm-Denkmal
2002
Einweihung des Denkmals für die im Jahr 1849 hingerichteten badischen Revolutionäre unmittelbar östlich des Kaiser-Wilhelm-Denkmals
2005
Initiierung des Netzwerkes „Straße der Demokratie“ durch die Städte Karlsruhe und Offenburg. Anfänglich beteiligt sind neben Karlsruhe und Offenburg Bruchsal, Frankfurt a. M., Freiburg, Heidelberg, Landau, Lörrach, Mainz, Mannheim, Neustadt a. d. W. und Rastatt.
2005
Fertigstellung des von dem Konzeptkünstler Jochen Gerz konzipierten „Platzes der Grundrechte“ in Karlsruhe
2011
Neukonzeption des Projekts „Straße der Demokratie“, das nun von Frankfurt a. M., Homburg, Zweibrücken, Karlsruhe, Lörrach, Mannheim, Neustadt a. d. W., Offenburg, Philippsburg, Rastatt und Sinsheim getragen wird.
Der in Karlsruhe für die „Straße der Demokratie“ konzipierte Rundgang umfasst sieben Stationen im Karlsruher Zentrum:
• Das Neue Ständehaus mit der Erinnerungsstätte Ständehaus,
• den Bundesgerichtshof,
• Das Großherzog-Karl-Denkmal („Verfassungssäule“) am Rondellplatz,
• das Rathaus,
• den Platz der Grundrechte zwischen Zirkel und Schlossplatz,
• das Bundesverfassungsgericht und
• das durch ein Denkmal für die 1849 hingerichteten badischen Revolutionäre kritisch kommentierte Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kaiserplatz.
Das von dem Ettlinger Architekturbüro Planfabrik SPS 1991/93 realisierte Neue Ständehaus beherbergt die Erinnerungsstätte Ständehaus und die Karlsruher Stadtbibliothek.
Das Neue Ständehaus in Karlsruhe mit der charakteristischen Rotunde. Fotografie aus dem Jahr 2008. ( B 1 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Das Neue Ständehaus wurde auf dem östlichen Drittel des Areals des ehemaligen badischen Ständehauses errichtet und stellt mit seiner auf den Friedrichsplatz weisenden Rotunde explizit einen architektonischen Bezug zu dem einstigen Versammlungsort des badischen Parlamentes her. Das alte Ständehaus war nach Plänen von Friedrich Weinbrenner von Weinbrenner und dann vom badischen Militärbaumeister Friedrich Arnold zwischen 1820 und 1822 im klassizistischen Stil erbaut worden und stellte das erste eigens für parlamentarische Zwecke errichtete Gebäude in Deutschland dar.
Das Ständehaus in Karlsruhe. Ansicht aus südlicher Richtung mit der Rotunde an der Herrenstraße. Kolorierte Lithographie von C. F. Müller, um 1835. ( B 2 )
© LMZ-BW
Ebenso war das badische Parlament eines der ersten Parlamente, das in Deutschland seine Arbeit aufnahm. So gesehen kann sich Karlsruhe zu Recht als eine der Wiegen der deutschen Demokratie bezeichnen.
Die Basis für den badischen Frühkonstitutionalismus bildete die im wesentlichen von dem badischen Finanzrat Karl Friedrich Nebenius (1784-1857) im Auftrag von Großherzog Karl erarbeitete Verfassung, die am 22.8.1818 in Kraft trat.
Karl Friedrich Nebenius (1784-1857), der Schöpfer der badischen Verfassung von 1818. Lithographie, wohl nach 1840.( B 7 )
© LMZ-BW
Die badische Verfassung verkörperte, obwohl sie das wenig später auch in der Wiener Schlussakte (1820) kodifizierte monarchische Prinzip festschrieb, eine der fortschrittlichsten Verfassungen ihrer Zeit. Baden wurde durch sie eine konstitutionelle Monarchie, in der neben den Großherzog die aus zwei Kammern bestehenden Landstände traten. Über das aktive Wahlrecht zur Zweiten Badischen Kammer verfügten 17% der badischen Bevölkerung, was für die damalige Zeit einen außerordentlich hohen Wert darstellte. Die badischen Landstände waren an der Gesetzgebung beteiligt, hatten das Steuerbewilligungsrecht und das Recht der Ministeranklage, und den badischen Bürgern wurde eine Reihe „staatsbürgerlicher und politischer Rechte“ garantiert.
Die Debatten in der Zweiten Kammer der badischen Landstände fanden in Baden, ja in ganz Deutschland größte Beachtung, wurden doch im Karlsruher Ständehaus öffentlich immer wieder liberale und demokratische Forderungen erhoben. In die deutsche Geschichte eingegangen ist v. a. die „Motion Bassermann“ vom 12.2.1848, in der der Mannheimer Liberale Friedrich Daniel Bassermann einen Antrag auf die Einrichtung einer deutschen Nationalvertretung beim deutschen Bundestag stellte. Deutschlandweit bekannt wurden aber auch die liberalen Kammermitglieder Karl von Rotteck (1775-1840), Karl Theodor Welcker (1790-1869), Johann Adam von Itzstein (1775-1855), Karl Mathy (1807-1868) oder der Radikaldemokrat Friedrich Hecker (1811-1881).
Nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 erfolgte im Großherzogtum Baden unter Friedrich I. seit 1860 eine liberale Wendung. In der „Neuen Ära“ erhielten die beiden Kammern das Recht der Gesetzesinitiative (1869) und die Regierungen wurden gemäß der bis 1893 bestehenden liberalen Landtagsmehrheit gebildet, so dass Baden sich der Verfassungsform der parlamentarischen Monarchie annäherte. Darüber hinaus erhielt Baden durch die Verfassungsreformen von 1849 (passives Wahlrecht auch für Juden) und 1869 (Beseitigung des Abgeordnetenzensus; Wohnsitz statt Bürgerrecht als Kriterium für das Wahlrecht) das allgemeine und gleiche aktive und passive (Männer-)Wahlrecht, 1904 zudem das direkte und geheime (Männer-)Wahlrecht.
Nach der Wahlrechtsänderung von 1904 errang in Baden 1905 das Zentrum erstmals eine Mehrheit, so dass die Liberalen, um das Zentrum von der Regierung fernzuhalten, in Form der „Großblock-Politik“ zu Wahlbündnissen mit den Sozialdemokraten übergingen. Hiermit wurden erstmals im Kaiserreich Sozialdemokraten bis hinauf in Regierungskreise als politische Partner akzeptiert.
Nach dem Ende der Monarchie und der Begründung der Republik Baden im Jahr 1918 blieb das Ständehaus Tagungsort des badischen Landtags. Im badischen Parlament hatten die Parteien der Weimarer Koalition bis 1933 eine Mehrheit, und die für Weimarer Verhältnisse auffallend stabilen badischen Regierungen wurden von Zentrum, SPD sowie DDP bzw. DVP getragen. Mit der „Gleichschaltung“ und Aufhebung des badischen Landtags durch die Nationalsozialisten 1933/34 fand das traditionsreiche parlamentarische Leben im Karlsruher Ständehaus sein Ende. Im Ständehaus brachten die NS-Machthaber die Landesstelle des Reichspropagandaministeriums und das Gaupropaganda-Amt Baden unter, der Plenarsaal des Hauses wurde als Festsaal genutzt.
Der Sitzungssaal der Zweiten Kammer im Karlsruher Ständehaus. Holzschnitt aus dem Jahr 1845. ( B 5 )
© LMZ-BW
Am 25.7.1944 brannte das badische Parlamentsgebäude während eines Bombenangriffes auf Karlsruhe vollkommen aus. Nach dem Krieg unterblieben Bemühungen um den Erhalt oder die Restaurierung der Ruine, und sie wurde 1961 schließlich abgebrochen und vollständig abgetragen. Auf dem Gelände des ehemaligen Ständehauses entstanden in den 1970er Jahren das katholische Dekanatszentrum und 1993, wie schon geschildert, das Neue Ständehaus.
Gesamtdraufsicht der Ruine des Ständehauses, nach 1945. ( B 4 )
© StadtAK 8/PBS XIVa-Plan-0694
Die dortige Erinnerungsstätte Ständehaus informiert über das Projekt „Straße der Demokratie“ und präsentiert in einer Dauerausstellung die Geschichte des badischen Landtags. Die Ausstellung bietet Karten zur territorialen Entwicklung Badens, Ansichten, Pläne und ein Modell des alten Ständehauses, die Grundsteinbeigaben des alten Ständehauses, Informationen zur Baugeschichte des alten Ständehauses, Dokumente und Informationen zur Entstehung und Entwicklung der Badischen Verfassung wie auch zur Revolution von 1848/49 in Baden, Dokumente aus dem Nachlass des ersten Karlsruher Oberbürgermeisters und Landtagsabgeordneten Johann Christian Griesbach sowie Informations- und Bildmaterial aus den letzten Jahren der badischen Monarchie und zur Novemberrevolution. Weiterhin finden das politische Leben in Baden während der Weimarer Republik, die NS-„Machtergreifung“, die Verfolgung und der Widerstand badischer Parlamentarier wie etwa Ludwig Marums oder Georg Lechleiters unter dem nationalsozialistischen Regime ihre Darstellung.
Der Bundesgerichtshof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. der Zivil- und Strafrechtspflege. Der Bundesgerichtshof ist - bis auf wenige Ausnahmen - Revisionsgericht und hat vor allem die Sicherung der Rechtseinheit durch Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und die Fortbildung des Rechts zur Aufgabe. 2009 gehörten dem Bundesgerichtshof 128 Richterinnen und Richter an, die auf 5 Strafsenate, 12 Zivilsenate und einen Hilfssenat verteilt sind.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Foto von 2008. ( B 8 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Der Bundesgerichtshof ist, seitdem er seine Arbeit am 1.10.1950 in Karlsruhe aufgenommen hat, im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais in Karlsruhe untergebracht. Der an der Architektur der italienischen Renaissance und des Barock orientierte Repräsentationsbau war zwischen 1891 und 1897 nach Plänen von Josef Durm im Auftrag von Großherzog Friedrich I. als Wohnsitz für den Thronfolger Friedrich errichtet worden. Dieser bezog das Palais im Jahr 1903. Nach dem Ableben seines Vaters im Jahr 1907 überließ Großherzog Friedrich II. aber seiner Mutter das Karlsruher Schloss und verblieb im Erbgroßherzogliche Palais, das auf diese Weise zum badischen Residenzschloss avancierte.
Erbgroßherzogliches Palais von Süden. Kolorierte Postkarte von 1906. ( B 9 )
© StadtAK 8/PBS XIVa-Plan-o1900
In der Weimarer Republik wurde das Anwesen von verschiedenen Institutionen genutzt, so vom Badischen Arbeitsministerium, vom Statistisches Landesamt und dem Versorgungsgericht. 1934 bezog der Reichsarbeitsdienst hier seinen Sitz. 1944 wurde das Mansardengeschoss durch Brandbomben zerstört, und auch die Kuppel des Palais erfuhr Beschädigungen. Instandsetzungs- und Wiederaufbauarbeiten begannen im Sommer 1949, wobei freilich zunächst daran gedacht war, das Badische Landesmuseum in dem Gebäude unterzubringen. Doch nachdem sich der Deutsche Bundestag im Juni 1950 für Karlsruhe als Sitz des Bundesgerichtshofs entschieden hatte, wurde das Palais gemäß seiner neuen Bestimmung mit größter Energie und in erstaunlich kurzer Zeit unter Leitung von Karl Kölmel wiederhergestellt bzw. umgebaut.
Da die räumlichen Kapazitäten des Erbgroßherzoglichen Palais bald erschöpft waren, mussten im Lauf der Zeit eine ganze Reihe von Neubauten angelegt werden: der Saalbau und der Westbau (Herrenstraße; 1960 vollendet), das Empfangsgebäude (Herrenstraße, 2011 vollendet) und der U-förmige Erweiterungsbau (Herrenstraße/Blumenstraße; 2003 vollendet), der nicht nur sechs Zivilsenaten Platz bietet, sondern auch die größte juristische Fachbibliothek Deutschlands mit ca. 439.000 Medieneinheiten und das Rechtshistorische Museum beherbergt. Ermöglicht wurde der Bau des Erweiterungsbaus durch den Abriss des bisherigen Nordbaus des Bundesgerichtshofs, in dem die Bundesanwaltschaft untergebracht war. Diese zog 1998 in ein neues, streng gesichertes Dienstgebäude in der Brauerstraße um.
Das Großherzog-Karl-Denkmal bzw. die „Verfassungssäule“ erinnert an den Erlass der am 22.8.1818 von Großherzog Karl unterzeichneten badischen Verfassung und damit an ein prominentes Dokument des deutschen Frühkonstitutionalismus. Der von badischen Greifen flankierte 7,8 Meter hoher Obelisk wurde zwischen 1822 und 1827 im Auftrag der Stadt Karlsruhe nach Plänen von Friedrich Weinbrenner errichtet.
An die Aufstellung eines städtebaulich dekorativen Obelisken auf dem durch die Stadterweiterung nach Süden entstandenen Rondellplatz war bereits seit dem späten 18. Jahrhundert gedacht worden. Um 1815 wurde dem Monument als Hauptfunktion zugewiesen, die territoriale Ausdehnung des großherzoglichen Herrschaftsbereichs seit 1803 zu versinnbildlichen. Hierzu war vorgesehen, auf dem Obelisken in Stunden die Entfernung wichtiger badischer Orte von der Hauptstadt Karlsruhe einzugravieren. In Zusammenhang mit dem Ableben des erst 33-jährigen Großherzogs Karl (1818) verschob sich die inhaltliche Akzentuierung des Denkmals erneut: Es sollte nun den verstorbenen Großherzog als Stifter der badischen Verfassung ehren. 1822 wurde von Weinbrenner dann ein bis 1827 auch realisierter Entwurf für das Großherzog-Karl-Denkmal vorgelegt. Dieser verband das Denkmal mit einer Brunnenanlage, die von einer 1819 am Geigersberg entdeckten Quelle gespeist werden konnte. Der Sockel des Monuments wies und weist an der Nord- und Südseite je ein Brunnenbecken auf, nach Osten und Westen flankieren den Obelisken zwei nach Norden blickende badische Greifen.
Einen Bezug zur badischen Verfassung von 1818 stellte der Weinbrenner-Entwurf allerdings nicht mehr her, da Karls Nachfolger Ludwig (1818-1830) ein Gegner des konstitutionellen Gedankens war. Zum Verfassungsdenkmal durfte der Obelisk erst nach Großherzog Ludwigs Tod im Jahr 1830 werden: 1831/32 wurden auf der Sockelvorderseite ein Tondo-Brustbild Großherzog Karls im Linksprofil und darunter die Inschrift CARL / GROSHERZOG VON BADEN angebracht. Auf der Rückseite wurde Karl explizit als Stifter der badischen Verfassung geehrt: DEM GRUENDER DER / VERFASSUNG / DIE DANKBARE STADT / CARLSRUHE. Das Großherzog-Karl-Denkmal konnte damit zur „Verfassungssäule“ werden, die entsprechende Bezeichnung bürgerte sich etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Öffentlichkeit ein.
Großherzog-Karls-Denkmal („Verfassungssäule“). Seitenansicht mit Markgräflichem Palais (vor 1896). ( B 10 )
© StadtAK 8/PBS XIVb-Plan-o0445
Das Großherzog-Karl-Denkmal dokumentiert in der Form von 1831/32 die gewachsene politische Bedeutung des liberalen Bürgertums im Großherzogtum Baden und die Entwicklung des Großherzogtums Baden zur konstitutionellen Monarchie. Es bildet somit einen interessanten Kontrast zur 1823/25 errichteten Pyramide auf dem Marktplatz, die das Grab des absolutistischen Stadtgründers Karl Wilhelm deckt.
Das (zweite) Karlsruher Rathaus - ein Vorgängerbau von 1728/29 befand sich an der Langen Straße westlich der Konkordienkirche - wurde zwischen 1805 und 1825 nach Plänen von Friedrich Weinbrenner erbaut. Der dreigeschossige Großbau, dessen fünfachsiges Hauptgebäude mit der ionischen Ratsloggia vom 51 m hohen Ratshausturm überragt wird, stellt ein typisches Bauwerk des badischen Klassizismus dar. Mit dem Bau des Rathauses und der gegenüberliegenden Stadtkirche (erbaut 1807-1816) am großzügig konzipierten Marktplatz erhielt Karlsruhe ein repräsentatives bürgerliches Zentrum, anhand dessen sich die Transformation der Residenzstadt Karlsruhe zur Bürgerstadt architektonisch manifestierte. Am 27.9.1944 infolge eines Bombenangriffs ausgebrannt, wurde das Rathaus zwischen 1948 und 1955 wieder aufgebaut.
Blick auf das Karlsruher Rathaus mit dem Großherzog-Leopold-Brunnen im Vordergrund; Postkarte um 1920. ( B 11 )
© StadtAK 8/Alben 395-0380
Schauplatz von bedeutsamen Ereignissen der Demokratiegeschichte wurde das Karlsruher Rathaus während der Revolutionen von 1848/49 und 1918/19.
Am 28.2.1848 wurde vom Karlsruher Gemeinderat eine Bürgerversammlung ins Rathaus einberufen, die in einer Petition an die Zweite Kammer des Landtags die typischen Märzforderungen erhob (Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgerichte, deutsche Einheit, deutsches Parlament). Die Zusammenkunft endete mit einem Hoch auf Großherzog Leopold, was allerdings angesichts der mehrheitlich gemäßigt-liberalen bis konservativen Einstellung der Bürgerschaft der badischen Residenzstadt nicht zu überraschen vermag.
Nach der Offenburger Landesversammlung der demokratischen Volksvereine, dem Soldatenaufstand in Rastatt und der Flucht des Großherzogs aus Baden (12./13.5.1849) zog am 14.5.1849 der Landesausschuss der badischen Volksvereine unter Lorenz Brentano mit starker militärischer Bedeckung in Karlsruhe ein. Der Landesausschuss nahm im Rathaus seinen Sitz und installierte anstelle des großherzoglichen Ministeriums unverzüglich eine Exekutivkommission, die wiederum Brentano leitete. Als Zivilkommissär für das Stadt- und Landamt Karlsruhe setzte Brentano den Advokaten Karl Theodor Ziegler, demokratisch gesinntes Mitglied des Karlsruher Bürgerausschusses und Gemeinderats, ein. Brentano richtete am späten Nachmittag des 14.5.1849 vom Balkon des Karlsruher Rathauses eine Rede an die durch die Ereignisse beunruhigten Karlsruher, in der er Sicherheit, Ordnung sowie die Gewährleistung des Eigentums versprach. Als Ziel der badischen Revolution wurde die Verteidigung der von der Frankfurter Paulskirche verabschiedeten Reichsverfassung genannt und die Flucht des Großherzogs bedauert; eine Ausrufung der Republik, wie sie etwa Gustav Struve mehrfach gefordert hatte, unterblieb.
Lorenz Brentano auf dem Balkon des Karlsruher Rathauses. Teilweise kolorierte Lithographie aus dem Jahr 1849. ( B 12 )
© LMZ-BW/Arnim Weischer
Unmittelbar nach der Wahl zur badischen konstituierenden Versammlung, die bereits vom Aufmarsch der preußischen Armee gegen Baden überschattet war, gründeten im Karlsruher Rathaussaal am 5.6.1849 ca. 150 Republikaner und Freischärler, zumeist Nichtbadener, den „Club des entschiedenen Fortschritts“. Als dessen Vorsitzender wurde Gustav Struve gewählt.
Der neu gegründete Klub, der die Proklamation der Republik und eine offensive Kriegsführung anstrebte, setzte die Revolutionsregierung sogleich durch eine Petition mit ultimativem Charakter unter Druck und ließ mit dem Club sympathisierende bewaffnete Freischaren strategisch wichtige Punkte in Karlsruhe besetzen. Daraufhin ordnete Brentano an, die am 6.6.1849 erneut im Rathaus tagenden Mitglieder des „Clubs des entschiedenen Fortschritts“ - unter ihnen Gustav Struve, Johann Philipp Becker und Georg Böhning - durch die Karlsruher Bürgerwehr zu verhaften. Ein Teil der Gefangenen wurde im Rathausturm eingesperrt.
Die vorgenommenen Verhaftungen führten wiederum dazu, dass sich einerseits Freischaren und andererseits Karlsruher Bürgerwehr, verschiedene Volkswehren sowie badische Linieninfanterie und Artillerie auf dem Marktplatz und dem Schlossplatz feindlich gegenüberstanden. Erst eine neuerliche Ansprache Brentanos vom Rathausbalkon, diesmal am Abend des 6.6.1849, entschärfte die Situation. Der Konflikt wurde schließlich auf die Weise beigelegt, dass die Verhaftung der Klubisten aufgehoben wurde und diese ihrerseits dem sofortigen Abmarsch der Freischaren an die Neckarfront zustimmen mussten. Außerdem wurde der „Club des entschiedenen Fortschritts“ aufgelöst und Philipp Becker als Oberbefehlshaber der badischen Volkswehren entlassen.
All diese Ereignisse müssen freilich bereits vor dem Hintergrund der scheiternden badischen Revolution gesehen werden. Am 10.6.1849 trat zwar noch die eine Woche zuvor in direkter und geheimer Wahl gewählte konstituierende Versammlung Badens im Karlsruher Ständehaus zusammen und am 13.6.1849 wurde eine provisorische Regierung mit Brentano an der Spitze gewählt, doch schon am 21.6.1849 bezog die Revolutionsarmee in der Schlacht bei Waghäusel ihre entscheidende Niederlage. Am 25.6.1849 rückten preußische Truppen unter dem Oberbefehl von Kronprinz Wilhelm in die badische Hauptstadt ein, womit die Rückkehr von Großherzog Leopold (18.8.1849) sichergestellt war.
Am 9.11.1918, nachdem die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt geworden war, wählten Soldaten auf dem Karlsruher Bahnhofsvorplatz einen Soldatenrat; während etwa gleichzeitig - aus Furcht vor einer unkontrollierbaren revolutionären Bewegung - im Karlsruher Rathaus von Oberbürgermeister Karl Siegrist (1906-1919) ein aus Vertretern aller Parteien (außer der USPD) zusammengesetzter „Wohlfahrtsausschuss“ einberufen wurde. Gegen Abend tagten im Rathaus parallel der Soldatenrat im großen und der Wohlfahrtsausschuss im kleinen Sitzungssaal, während sich auf dem Markplatz eine große Menschenmenge versammelte. Abends gegen 20 Uhr verkündete der Soldatenrat einer auf dem Marktplatz wartenden Menge, dass er die Macht in Hände halte, und ließ die Republik Baden hochleben.
Menschenmenge vor dem Karlsruher Rathaus am 10.11.1918. ( B 13 )
© StadtAK 8/PBS VI-Plan-o0226
Am 10.11.1918 kam es als Ergebnis von Verhandlungen zwischen Wohlfahrtsausschuss und Soldatenrat im Karlsruher Rathaus zur Bildung einer „Vorläufigen Badischen Volksregierung“ unter Anton Geiß (MSPD), der - eine badische Besonderheit - nicht nur Vertreter der beiden sozialistischen, sondern auch der bürgerlichen Parteien angehörten: Die SPD stellte fünf Minister (Anton Geiß: Vorsitz, Ludwig Marum: Justiz, Philipp Martzloff: Übergangswirtschaft, Leopold Rückert: Verkehr, Friedrich Stockinger: Unterricht), zwei die USPD (Johann Brümmer: militärische Angelegenheiten, Adolf Schwarz: soziale Fürsorge), ebenfalls zwei das Zentrum (Gustav Trunk: Ernährung, Joseph Wirth: Finanzen)und je einen Minister die FVP (Ludwig Haas: Inneres) und die Nationalliberalen (Hermann Dietrich: Äußeres) angehörten. Gegen 16 Uhr wurde vom Rathausbalkon aus die neue Regierung vor einer etwa 1.000köpfigen Menge offiziell verkündet.
Die Vorläufige Badische Volksregierung. Stehend von links: Stockinger, Rückert, Marum, Dietrich, Schwarz, Brümmer; sitzend von links: Wirth, Trunk, Geiß, Haas, Martzloff. ( B 14 )
© LMZ-BW
Das endgültige Aus für die badische Monarchie ließ nun nicht mehr lange auf sich waren. Am späten Abend des 11.11.1918 verließ die großherzogliche Familie in bereitgestellten Automobilen fluchtartig das Karlsruher Schloss, nachdem Matrosen unter der Führung von Heinrich Klumpp einige Schüsse auf die Schlossfront abgegeben hatten. Am 13.11.1918 verzichte Großherzog Friedrich II. von Schloss Zwingenberg aus auf die Ausübung der Regierungsgewalt, und am 14.11.1918 erklärte die Vorläufige Volksregierung Baden zur „freien Volksrepublik“. Schließlich unterzeichnete Großherzog Friedrich II. am 22.11.1919 für sich und den Thronfolger Prinz Max den endgültigen Thronverzicht.
Am 5.1.1919 wurden die Wahlen zur badischen verfassungsgebenden Versammlung durchgeführt, die das Zentrum mit 36,6% der Stimmen zur stärksten Partei werden ließ und den Parteien der Weimarer Koalition eine Mehrheit von 91,5% bescherte. Die „badische Nationalversammlung“ verabschiedete am 21.3.1919 eine freiheitliche Verfassung, die am 13.4.1919 in der ersten Volksabstimmung der deutschen Geschichte mit großer Mehrheit angenommen wurde. Damit war in Baden der revolutionäre Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur freiheitlich-demokratischen Republik abgeschlossen.
Der 2005 eingeweihte Karlsruher „Platz der Grundrechte“ liegt auf der „via triumphalis“ zwischen Schlossplatz und Zirkel. Auf ihm befindet sich eine von dem international renommierten Konzeptkünstler Jochen Gerz geschaffene Installation, die die Beziehung der Stadt Karlsruhe zum Recht und zu den Karlsruher Gerichten, insbesondere zum Bundesverfassungsgericht, thematisieren und sichtbar machen soll. Den Anlass dafür, dass die Stadt Karlsruhe die Installation bei Jochen Gerz in Auftrag gab, hatten das 50-jährige Jubiläum des Bundesverfassungsgerichts und die Verabschiedung von dessen Präsidentin Jutta Limbach 2001/02 gegeben. Weiterhin nahm die Installation 2004/05 bei der (vergeblichen) Bewerbung Karlsruhes um den Titel der „Kulturhauptstadt Europas 2010“ die Rolle eines Leitprojekts ein.
Der Platz der Grundrechte. Foto aus dem Jahr 2008. ( B 15 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Das Werk von Gerz besteht aus 24 doppelseitig beschrifteten Emailleplatten zum Thema Recht, die wie Fahnen an Straßenschildmasten angebracht sind. Gertz lässt auf jeder Seite der Platten jeweils eine anonym bleibende Person zum Thema Recht zu Wort kommen. Alle Äußerungen stellen hierbei Antworten auf eine Serie von Fragen dar, die der Künstler entwickelt hat. Die Hälfte des Kreises der insgesamt 48 Befragten setzte sich aus Juristen (darunter den Präsidenten der Karlsruher Gerichte) und Vertretern des öffentlichen Lebens zusammen, die andere Hälfte aus Personen, die schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren. Die Textpaare binden im Allgemeinen jeweils eine eher theoretische und eine eher subjektiv-persönlich geprägte Aussage zusammen und eröffnen dem Betrachter sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Recht und Gerechtigkeit. Die Installation auf dem Platz der Grundrechte existiert noch in einer zweiten, identischen, aber dezentralisierten Version. Die über das gesamte Karlsruher Stadtgebiet verteilten 24 Standorte wurden hierbei im Jahr 2004 von drei Bürgerforen bestimmt.
Dezentraler Standort der Gerz-Installation am Bundesgerichtshof. Foto aus dem Jahr 2008. ( B 16 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Das Bundesverfassungsgericht ist „ als der oberste Hüter der Verfassung … ein mit höchster Autorität ausgestattetes Verfassungsorgan“ (Status-Erklärung des BVG vom 27.6.1952). Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht in ganz erheblichem Maße dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Ansehen und Wirkung zu verschaffen.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten zu je 8 Richtern; sein Vizepräsident ist Vorsitzender des Ersten, sein Präsident Vorsitzender des Zweiten Senats. Gewählt werden die Richter des Bundesverfassungsgerichts zur einen Hälfte vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestags und zur anderen Hälfte vom Bundesrat, wobei jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben eine Amtszeit von zwölf Jahren, eine Wiederwahl ist nicht möglich. Die Zuständigkeit für Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen (konkrete und abstrakte Normenkontrolle) ist auf beide Senate verteilt, in allen übrigen Verfahren entscheidet ausschließlich der Zweite Senat. Die Zahl der Verfahrungseingänge am Bundesverfassungsgericht beläuft sich seit 2006 durchschnittlich auf etwa 6.300 pro Jahr, während in den 50er-Jahren dieser Durchschnittswert noch bei etwas weniger als 750 Verfahrenseingängen pro Jahr lag.
Das Bundesverfassungsgericht wurde am 28.9.1951 in Karlsruhe in Beisein des Bundespräsidenten Theodor Heuss, des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, des gesamten Bundeskabinetts und der meisten Ministerpräsidenten mit einer Feierstunde im Karlsruher Schauspielhaus eröffnet. Sitz des Gerichtshofs wurde zunächst das Prinz-Max-Palais, ein 1881/1884 von Josef Durm im Auftrag des Unternehmers August Schmieder errichtetes Gebäude, das 1899 in den Besitz des Prinzen Max von Baden übergegangen war.
Im Prinz-Max-Palais fielen für die Geschichte der jungen Bundesrepublik wegweisende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, so die Entscheidung über den Abstimmungsmodus über die Neugliederung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern (1951/56), das Verbot der Sozialistischen Reichspartei (1952) und der KPD (1956), das Lüth-Urteil (1958) oder das Urteil im so genannten Fernsehstreit (1961). 1969 bezog das Bundesverfassungsgericht einen von dem Berliner Architekten Paul Baumgarten errichteten Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Badischen Staatstheaters, das 1851/53 von Heinrich Hübsch als Großherzoglich-Badisches Hoftheater erbaut worden war.
Großherzogliches Hoftheater. Gesamtansicht von Südosten um 1895. ( B 18 )
© StadtAK 8/PBS XIVa-Plan-0219
Das Badische Staatstheater hatte den Zweiten Weltkrieg lediglich als ausgebrannte Ruine überstanden. Wiederaufbau- und Neubaupläne am selben Standort wurden aufgegeben, als das Bundesverfassungsgericht, das zuerst ins Schloss hatte übersiedeln wollen, den westlichen Schlossplatz als Baugelände für sich reklamierte und den Architekten Baumgarten direkt mit der Planung seines neuen Dienstgebäudes beauftragte. Der Baumgarten-Bau besteht aus fünf kubischen, flachgedeckten Baukörpern, dessen Herz der sich nördlich an das Sitzungssaalgebäude anschließende Richterbau bildet. Sein Erscheinungsbild ist maßgeblich durch die Stahlskelettbauweise, großzügige Glasfronten, die für die Verkleidung genutzten Aluminium-Gussplatten, die Verwendung von Holzelementen wie auch die die einzelnen Pavillons verbindenden verglasten und gleichsam über dem Boden schwebenden Korridore bestimmt. Die sehr offen wirkende Bauweise zielt darauf ab, den Eindruck demokratischer Transparenz zu vermitteln.
Botanischer Garten und Bundesverfassungsgericht. Luftaufnahme von Nordwesten aus dem Jahr 2002. ( B 19 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Gegen Ende des letzten Jahrhunderts konnte der Gebäudekomplex den zunehmenden Raumbedarf des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erfüllen. 1995 wurde deshalb das Casino, das der Karlsruher Bevölkerung offen gestanden hatte, geschlossen und dort Mitarbeiterräume eingerichtet. Vor allem aber wurde 2005/07 in einem kleinen Teilbereich des Karlsruher Botanischen Gartens ein Erweitungsbau (Architekt: Michael Schrölkamp) erbaut, der über eine Brücke an den bisherigen Gebäudekomplex Anschluss findet.
Seit 2011 wird das Gerichtsgebäude umfassend saniert; die Arbeiten werden nicht vor 2014 abgeschlossen sein. In dieser Zeit dient die Karlsruher General-Kammhuber-Kaserne dem BVG als Ausweichquartier.
Das Karlsruher Kaiser-Wilhelm-Denkmal, 2002 durch ein Denkmal für die 1849 hingerichteten Revolutionäre ergänzt, ist in hohem Maße dazu geeignet, Schülerinnen und Schüler in die Erinnerungskultur Deutschlands einzuführen und deren geschichtskulturelle Kompetenz zu vertiefen.
Zwischen 1888 und 1918 wurden auf dem Gebiet des Deutschen Reiches 63 Reiterstandbilder, 231 Standbilder und 5 Sitzstatuen für Kaiser Wilhelm I. errichtet. In Karlsruhe, wo bereits 1879 zu Ehren Wilhelms I. die Lange Straße in Kaiserstraße umbenannt worden war, diskutierte der Stadtrat seit 1889 über die Errichtung eines Reiterstandbildes des Monarchen. Mit seiner Ausarbeitung wurde 1890 der Bildhauer Adolf Heer beauftragt, und am 18.10.1897 (dem 84. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig) konnte das Denkmal schließlich offiziell eingeweiht werden.
Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kaiserplatz am Mühlburger Tor. Fotografie aus dem Jahr 2008. ( B 20 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Das bronzene Reiterdenkmal steht auf einem hohen rechteckigen Sockel aus rotem Granit in der Mitte des eigens für das Standbild angelegten Kaiserplatzes und ist nach Osten, also in Richtung Stadtmitte, ausgerichtet. Den eher schlichten Sockel hatte Adolf Heer durch einige allegorische Figuren bereichert, die freilich 1943 im Rahmen einer Kriegsmetallspende demontiert und eingeschmolzen wurden. An der nördlichen Längsseite des Denkmals ruhte mit Blickrichtung zur Kaiserstraße als Symbol der wiedergewonnenen Kraft des Deutschen Reiches ein Löwe, der zwischen seinen Tatzen das Reichsschwert hielt. Auf der südlichen Seite lagerte ein geflügelter Greif, der Schildträger des badischen Wappens, mit wachsam Richtung Rhein gewandtem Haupt auf lorbeergeschmückten Fahnen. An der Vorderseite des Denkmals schritt mit wehendem Gewand und ausgebreiteten Flügeln die lorbeerbekränzte Siegesgöttin Viktoria, die in ihrer ausgestreckten Rechten einen Lorbeerzweig und in der Linken einen Feldherrnstab trug. An der Rückseite saß auf einem halbrunden Sockel Klio, die Muse der Geschichtsschreibung, und betrachtete eine Tafel mit den Aufschriften „Straßburg“ und „Metz“, womit an den siegreichen Krieg von 1870/71 erinnert wurde. Zu Füßen Klios lehnten die Wappenschilder der beiden größten Städte des 1871 geschaffenen Reichslands Elsass-Lothringen.
Postkarte „Karlsruhe in Baden. Kaiserplatz“ (1943). ( B 21 )
© StadtAK 8/Alben 395-0173
An der östlichen Frontseite des Sockelschaftes des Reiterdenkmals ist die Inschrift WILHELM I angebracht, an der gegenüberliegenden Seite die Inschrift ERRICHTET V. D. STADT / KARLSRUHE IM JAHRE 1897. An den Längsseiten des Sockelschafts befinden sich zwei erhalten gebliebene Bronzereliefs, die Motive aus dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zeigen. Auf der Südseite sind badische Truppen mit dem Oberbefehlshaber des XIV. Armeekorps, General Graf August von Werder, und dem Generalleutnant und Kommandanten der 1. Badischen Infanterie-Brigade Prinz Wilhelm von Baden dargestellt. Auf der Nordseite wird in Anlehnung an die bekannten Gemälde Anton von Werners die Kaiserproklamation in Versailles wiedergegeben, und zwar der Moment, in dem Großherzog Friedrich I. von Baden das erste Hoch auf Kaiser Wilhelm I. ausbrachte. Zu erkennen ist auch Otto v. Bismarck, der mit der Proklamationsurkunde in der rechten Hand Kaiser Wilhelm I. gegenübersteht.
Das Reiterstandbild selbst orientiert sich an der Darstellung Wilhelms I. auf einem Gemälde Carl Wagners aus dem Jahr 1883, das Kaiser Wilhelm I., Kronprinz Friedrich, Bismarck und Moltke zu Pferd zeigt und von der Großherzoglichen Kunsthalle Karlsruhe 1887 erworben worden war. Die Skulptur stellt Wilhelm I. als Feldherrn in der Uniform der preußischen Generalität mit Feldherrnmantel und Pickelhaube dar. In der Rechten hält er nicht den traditionellen Feldherrnstab, sondern ein monokulares Fernglas. Er trägt den Kriegsorden „Pour le Mérite“ am Halsband, auf der linken Brust das Eiserne Kreuz Erster Klasse und auf der rechten Brust das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse am Band. Seinen Hengst führt Wilhelm I. mit der linken Hand, und im Galopp scheint der siegreiche Monarch in die Stadt Karlsruhe einreiten zu wollen.
Dem steht unmittelbar östlich des Reiterstandbilds seit 2002 ein zweites Denkmal, das als kritische Kommentierung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals zu interpretieren ist, symbolisch entgegen.
Unter dem Oberkommando des Kronprinzen Wilhelm, des späteren Kaisers, hatten 1849 zwei preußische Armeekorps die badisch-pfälzische Revolution niedergeschlagen. Nach der Kapitulation der Festung Rastatt wurden von drei von preußischem Militär besetzten Standgerichten in Freiburg, Mannheim und Rastatt 27 Todesurteile ausgesprochen, 62 Angeklagte wurden zu Zuchthaustrafen von 10 Jahren verurteilt. An die Hinrichtung dieser 27 Revolutionäre erinnert eine in die Erde eingelassene Granittafel mit der folgenden Aufschrift: UNTER DEM OBERKOMMANDO DES / PRINZEN WILHELM VON PREUSSEN – / DES SPÄTEREN DEUTSCHEN KAISERS / WILHELM I. – SCHLUGEN TRUPPEN DES / DEUTSCHEN BUNDES IM JAHRE 1849 / DIE DEMOKRATISCHE REVOLUTION / IN BADEN UND DER PFALZ NIEDER. / 27 FREIHEITSKÄMPFER WURDEN / STANDRECHTLICH ERSCHOSSEN.
Links und rechts dieser Gedenktafel befinden sich 14 bzw. 13 kleinere Granittafeln, die die Namen der Erschossenen und ihrer Heimatorte tragen und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal halbkreisförmig umgeben.
Eine vor dem Reiterdenkmal Wilhelms I. eingelassene Gedenktafel erinnert mit weiteren 27 Tafeln an die 1849 hingerichteten Revolutionäre. Foto aus dem Jahr 2008. ( B 25 )
© LMZ-BW/Andrea Rachele
Letztlich initiiert wurde dieses zweite Denkmal durch eine Installation mit dem Titel „Freiheitskämpfer stehen auf“, die Schülerinnen und Schüler des Markgrafen-Gymnasiums im Jahr 1998 im Rahmen eines Schülerwettbewerbes des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg unter der Anleitung ihrer Lehrer Norbert Huwer und Wolfgang Weber für vier Wochen auf dem Kaiserplatz präsentierten. Die Schülerinnen und Schüler hatten das Reiterstandbild Wilhelms I. mit Gipstotenköpfen behängt und vor dem Reiterdenkmal mit Senkrechtstangen und Querbrettern, die die Namen Erschossenen trugen, in Richtung Innenstadt eine Barrikade angedeutet.
Die von Schülerinnen und Schülern des Durlacher Markgrafen-Gymnasiums geschaffene Installation „Freiheitskämpfer stehen auf“ am Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Foto aus dem Jahr 1998. ( B 26 )
© Roland Fränkle
3. Anlage
Der in Karlsruhe für die „Straße der Demokratie“ konzipierte Rundgang umfasst 7 Stationen im Karlsruher Zentrum:
- Das Neue Ständehaus mit der Erinnerungsstätte Ständehaus in der Ständehausstraße (ganz in der Nähe von St. Stephan),
- den Bundesgerichtshof auf seinem Areal zwischen Herren- und Kriegsstraße,
- das Großherzog-Karl-Denkmal („Verfassungssäule“) am Rondellplatz,
- das Karlsruher Rathaus am Marktplatz,
- den Platz der Grundrechte zwischen Zirkel und Schlossplatz,
- das Bundesverfassungsgericht auf dem westlichen Schlossplatz und
- das durch ein Denkmal für die 1849 hingerichteten badischen Revolutionäre kritisch kommentierte Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kaiserplatz beim Mühlburger Tor.
Der Rundgang kann zu Fuß abgegangen werden. Die Distanzen zwischen den Stationen 1 bis 6 betragen lediglich 150 bis 600 Meter (im Durchschnitt 300 Meter). Allein die Strecke vom BVG zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal beläuft sich auf etwas mehr als einen Kilometer. Hier kann jedoch für den Großteil des Weges die Straßenbahn benutzt werden (s. Serviceteil, Praktische Tipps).
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -