Die Ermittler von Ludwigsburg - Projektarbeit im Archiv
Hintergrundinformationen
Etwa 70.000 Aktenbände bieten einen kompakten und nahezu vollständigen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse der Strafverfolgung von NS-Tätern.
© Bundesarchiv Ludwigsburg
Seit 1958 besteht die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg. Angeschlossen ist seit einigen Jahren eine Außenstelle des Bundesarchivs, in das die Bestände der Zentralen Stelle schrittweise überführt werden. Damit werden die Unterlagen der Zentralen Stelle dauerhaft gesichert und Benutzern aus Verwaltung, Wissenschaft und Schulen zugänglich gemacht.
Nach der Strafverfolgung der nationalsozialistischen Machthaber durch den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg sollte nach den Entnazifizierungsverfahren in der neu entstandenen Bundesrepublik die Verfolgung von Naziverbrechen weitergeführt werden. Die Erkenntnis, dass Amts- und Landesgerichte mit der aufwändigen Ermittlung und Beweisführung schlichtweg überfordert waren, führte zum Entschluss der Länder im Oktober 1958 eine Sonderbehörde in Ludwigsburg einzurichten. Sie hat bis heute den Auftrag, durch systematische und zielgerichtete Vorermittlung strafrechtlich noch verfolgbare Verbrechen aufzuklären. Auf dieser Grundlage leiten dann die Staatsanwaltschaften förmliche Ermittlungsverfahren ein.
Über 18.000 Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen, die seit 1958 anhängig waren, sind in der Verfahrenskartei erfasst. Weit über 100.000 Auskunftsersuchen und Überprüfungsvorgänge wurden bearbeitet. 1.666.000 Karteikarten enthält zur Zeit die Zentralkartei der Zentralen Stelle. 560.000 Seiten enthält ihre Dokumentensammlung. Etwa 70.000 Aktenbände bieten einen kompakten und nahezu vollständigen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse der Strafverfolgung von NS-Tätern. Thematische Schwerpunkte sind die Tötungsverbrechen in Konzentrations- und Zwangsarbeitslagern, der Masssenmord an der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten Osteuropas, vor allem durch die SS, die Durchführung der "Endlösung", Verbrechen an Zivilpersonen und Kriegsgefangenen. Detaillierte Karteisysteme ermöglichen die Recherche nach Personen (700.000), nach Ortsangaben (26.000) und nach der Zugehörigkeit zu zivilen, parteiamtlichen, polizeilichen, militärischen o. a. Einrichtungen und Einheiten (4.200) bis auf die Ebene einzelner Dokumente.
In ausgearbeiteten Modulen bieten pädagogische Mitarbeiter Schulklassen aller Schularten der Sekundarstufe Projektarbeit im Archiv an, die in speziell eingerichteten Seminarräumen unter ihrer Anleitung durchgeführt wird. In der Regel beginnt ein Besuch in der "Torhausausstellung", wo die Arbeit der Zentralen Stelle den Besuchern anschaulich und übersichtlich dargestellt wird. Nach einem Gang durch das Archiv, bei dem den Schülerinnen und Schülern die Arbeitsweise eines Archivs vor Augen geführt wird, können sie sich mit Hilfe authentischer Quellen aus dem Bundesarchiv mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzen. Anschließend präsentieren sie ihre Ergebnisse in einer kleinen Ausstellung, die sie zur Nachbereitung im Schulunterricht mitnehmen können.
Spezielle Wünsche der Besucher werden berücksichtigt. So können Fälle aus der unmittelbaren Umgebung des Schul- bzw. Heimatortes einbezogen werden. Am konkreten Beispiel werden so den Schülerinnen und Schülern die Auswirkungen des Terrorsystems nationalsozialistischer Herrschaft eindrucksvoll vermittelt. Ein Besuch des Bundesarchivs in Ludwigsburg ist eine hervorragende Möglichkeit, Archivarbeit, wie sie im Bildungsplan gefordert wird, effektiv, nachhaltig und konzentriert in den Unterricht einzubeziehen.
Seit dem Jahr 2000 hat das Bundesarchiv am Sitz der Zentralstelle eine Außenstelle eingerichtet, die den umfangreichen Aktenbestand für Verwaltung, Wissenschaft und Schulen erschließt.
© Bundesarchiv Ludwigsburg
1958
Am 1.Dezember nimmt die Zentrale Stelle ihre Tätigkeit in Ludwigsburg auf. Zu bearbeiten waren besonders auch NS-Verbrechen in Konzentrationslagern.
1960
Seit Mai 1960 können aus rechtlichen Gründen (Verfolgungsverjährung) nur noch NS-Taten verfolgt werden, die als Verbrechen des Mordes zu bewerten sind.
1966
Die Zuständigkeit der Zentralen Stelle wird erheblich erweitert auf alle NS-Verbrechen, die sich im Bundesgebiet ereignet hatten, insbesondere auf Vorermittlungen gegen Angehörige der obersten Reichsbehörde und Parteidienststellen.
1967-1971
In diesen Jahren führt die Zentrale Stelle gleichzeitig mehr als 600 Vorermittlungsverfahren durch. Sie beschäftigt 121 Mitarbeiter, davon 49 Staatsanwälte und Richter. Danach werden die Fallzahlen rückläufig.
1987
Seit diesem Jahr wertet die Zentrale Stelle auch die Fahndungslisten der United Nations War Crimes Commission (UNWCC) aus mit etwa 30.000 Namen.
1996
Gegen Bestrebungen, die Zentrale Stelle aufzulösen und ihre Akten in das Bundesarchiv nach Koblenz zu überführen, wendet sich ein zu diesem Zweck gegründeter Förderverein. Die noch in diesem Jahr stattfindende Justizministerkonferenz beschließt den Fortbestand der Zentralen Stelle und fasst die Errichtung einer Außenstelle des Bundesarchivs ins Auge.
2000
Die Unterlagen der Zentralen Stelle werden weitgehend vom Bundesarchiv übernommen, das zu diesem Zweck am Sitz der Zentralen Stelle eine Außenstelle eingerichtet hat.
2001
Der Förderverein stellt den Antrag, im Schorndorfer Torhaus eine Ausstellung einzurichten, welche die Arbeit der Zentralen Stelle würdigt.
3. Anlage
Das Bundesarchiv am Schorndorfer Tor
© Ulrich Maier
Die Außenstelle des Bundesarchivs befindet sich am Schorndorfer Tor, Schorndorfer Str.58, im historischen Bau des ehemaligen Frauengefängnisses. Unmittelbar davor steht das Torhaus aus dem Jahre 1760, in dem eine ständige Ausstellung über die Arbeit der Zentralen Stelle der Justizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen informiert.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Stuttgart -