Methodenvorschlag
Lernorterkundung
Ein Besuch des Lernortes ist ohne Führungen möglich, jedoch nicht zu empfehlen. Seit Oktober 2005 existiert auf dem Gelände des Samariterstifts Grafeneck ein Dokumentationszentrum mit einer Dauerausstellung
a) Standardrundgang/Standardseminar - Dauer: 2 Stunden
Der so genannte geführte Standardrundgang umfasst drei Stationen. Er beginnt im Schloss ("Ort der Täter"). Anschließend findet eine Führung über das Gelände statt. Die zweite Station ist das moderne Dokumentationszentrum ("Ort der Information"). Dort befindet sich eine Dauerausstellung mit zahlreichen großflächigen Abbildungen und Dokumenten. Die Dokumentation kann selbstständig oder mit Erläuterungen erschlossen werden. Der dritte Ort des Rundganges führt zur Gedenkstätte ("Ort der Erinnerung").
Die Erläuterungen machen den Ort lebendig. An allen Orten des Rundgangs besteht die Möglichkeit für Rückfragen.
b) Erweiterung durch Workshops - Dauer: 4 Stunden
Der Standardrundgang kann auf Anfrage durch Workshops erweitert werden. In einem Workshop besteht die Möglichkeit einer Vertiefung durch die Bearbeitung von Quellen mit den Schwerpunkten
- NS-"Rassenideologie"/"Rassenhygiene/Eugenik" und Propaganda
- Grafeneck und Auschwitz
- Täter-Opfer-Zuschauer
- "Euthanasie"-Verbrechen und Erinnerung: Der Umgang mit Geschichte nach 1945 (Grafeneck als Behinderteneinrichtung, Prozesse 1949, Entstehung der Gedenkstätte Grafeneck, aktuelle Euthanasie-Debatte und Bioethik)
Behandlung des Themas in der Schule
Für den innerschulischen Unterricht bieten sich mehrere Möglichkeiten an.
a) Exemplarische Untersuchung eines Lebensweges
Schicksale einzelner Opfer machen nationalsozialistische Verbrechen oft begreifbarer als abstakte Schilderungen oder Nennungen von Zahlen und Fakten. Die über 10.000 Opfer der Tötungsanstalt Grafeneck stammen aus dem gesamten Südwesten Deutschlands (vgl. Bedeutung), eine Namensliste findet sich in der Gedenkstätte. Lokale Bezüge zum Heimat- oder Schulort lassen sich daher herstellen.
Als Beispiel für eine familiäre Aufarbeitung dient die Internetseite von Siegfried Falkenstein, die das Schicksal ihrer Tante, Anna Lehnkering, dokumentiert. Sie wurde 1940 im Alter von 24 Jahren in Grafeneck ermordet.
b) Handreichung
Einsatz des "Bausteins" der Landeszentrale für politische Bildung "Euthanasie" im NS-Staat: :
- alte Handreichung:
Grafeneck im Jahr 1940 (77 Seiten, 1 MB) - neue Handreichung:
Grafeneck 1940, „Wohin bringt ihr uns ?“, NS-"Euthanasie" im deutschen Südwesten , Geschichte, Quellen, Arbeitsblätter, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.) Stuttgart 2010
Die Materialien der Handreichung sind in sechs Themenbereiche gegliedert.
- Ideologie und Propaganda
- "Euthanasie" innerhalb des NS-Apparates
- Grafeneck: Topographie, Tötungsablauf, bürokratische Abwicklung
- Proteste und Normkonflikte
- Täter vor Gericht
- Erinnerung und Gedenken in Grafeneck heute
Die Autoren der Handreichung weisen auf eine mögliche Bearbeitung in arbeitsteiliger Gruppenarbeit bzw. durch ein Gruppenpuzzle mit Expertengruppen hin.
c) Mobile Ausstellung
Einsatz der mobilen Ausstellung "Krankenmord im Nationalsozialismus Grafeneck 1940: Mobile Ausstellung Gedenkstätte Grafeneck".
Die Ausstellung umfasst 27 Ausstellungstafeln, die Tafeln sind 200 x 100 cm groß, der Raumbedarf beträgt ca. 75 Quadratmeter. Die Ausstellung ist über die Gedenkstätte zu beziehen. Die obligatorische Ausleihgebühr beträgt für 4 bis 6 Wochen 1.000,- Euro (2007).
d) Vorschlag für eine Doppelstunde
1. Einstieg:
Bild von Theodor K.:
Was fällt Euch an dieser Person auf?
Dieser Mensch wurde von den Nationalsozialisten vergast, weil er schizophren war und damit als nicht lebenswert galt.
Wann hört für euch das Leben auf einen Wert zu haben?
Wer sollte entscheiden, ob Dein Leben lebenswert ist?
2. Leitfrage:
Was heißt hier nicht lebenswert?
(Wer wurde warum 1940 auf der Schwäbischen Alb vergast?)
3. Informationsinput durch Lehrer/in: Zahl der Opfer (im Alter von bis)
2 Bilder – Luftbild S.10, Gaskammer S.24
Zoom-Effekt
"Hier wurden die ersten Menschen im NS vergast!" –
"Der Ort liegt keine 10/50/100km von hier!"
Ablauf der Mordaktion: über Bus in die "Garage"
Begriff: "Euthanasie"
4. AA: arbeitsteilig: 3 Stationen, die alle durchlaufen, bzw. Gruppenpuzzle
S1: Die Aktion T 4
Arbeite mit Hilfe folgender Hilfsfragen heraus, was nach den offiziellen Berichten passiert ist.
Wie verändert sich die Aufgabe eines Arztes?
Wie ist die Aktion organisiert?
Wer ist von der Aktion T4 betroffen?
Grundlage: Quellen auf S. 12, 16, 20, 22 (foliert bereitstellen)S2: Der Hintergrund: Eugenik/Rassehygiene
Arbeite mit Hilfe folgender Fragen heraus, wie das Vorgehen theoretisch begründet wird:
Welche "Belastungen" entstehen angeblich durch lebensunwertes Leben?
Wie werden die "Minderwertigen" dargestellt?
Notiere sprachliche Auffälligkeiten der Vertreter der EuthanasieGrundlage: Quellen auf S. 30/32/34 (foliert bereitstellen)
S3: Reaktionen auf die Mordaktion T4
Arbeite mit Hilfe folgender Fragen heraus, wer die Stimme gegen die NS-Euthanasiemorde erhebt:
Welche der Aussagen auf Seite 36 würdest Du für Dich auswählen?
Welche Argumente gegen die Euthanasie bringen die beiden Menschen der Kirche vor?
Ordne die Aussagen nach dem Grad der Widerständigkeit.Grundlage: Texte auf S. 36/38/40
5. Ergebnispräsentation bzw. Austausch in Kleingruppen
6. Integration: Die Bedeutung von Grafeneck (TA)
Die Bedeutung von Grafeneck |
|
Zusammenhang mit NS-Ideologie:
|
landesgeschichtl. Dimension:
|
Symbolbild: graue Busse |
|
Zusammenhang mit Holocaust:
|
familiengeschichtl. Dimension:
|
7. Schlussdiskussion mit l-Impulsen
-
Grafeneck: der Probelauf für den Holocaust?
-
Menschenbild des NS: Utilitarismus als Argumentationsgrundlage – wo hört das auf?
-
Wo fängt lebenswertes Leben an und wo hört es auf?
-
Wiederverwendung der Mordfabrik nach 1945: Samariterstift – geschmacklos oder bewusste Kehrtwende?
-
Entstehung der Gedenkstättenbewegung erst 1979 bzw. 1990 – Bewertung?
[8. Puffer: Deportation und Wissen - Mat S. 26/27]
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -