Die Napola Reichenau 1941 -1945

Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Im April 1941 wurde die Nationalpolitische Erziehungsanstalt (= Napola) Reichenau für Jungen auf dem Gelände der einen Monat zuvor geschlossenen badischen "Heil- und Pflegeanstalt" für psychisch Kranke gegründet. Die schönen, seenahen Gebäude oberhalb des Bahnhofes Reichenau gingen in das Eigentum des Deutschen Reiches über. Die neue Nutzung der wertvollen Immobilie als Napola entsprach der rassistischen Naziideologie vollkommen, da sie nicht länger "Erbkranken", sondern der künftigen Elite zur Verfügung stand.

Bereits 1933 im April waren im Deutschen Reich die ersten Napolas gegründet worden, damit begabte Kinder vor allem aus den bildungsfernen Volksschichten als Erwachsene dem NS-Staat als treue Führungskräfte zur Verfügung standen. Wer seinen Aufstieg den Nationalsozialisten verdankte, konnte besser geprägt werden und galt als loyal.


Verwaltungsgebäude des ZPR Reichenau - ehemals Napola Reichenau

Verwaltungsgebäude des ZPR Reichenau - ehemals Napola Reichenau
© Marita Sennekamp

Eine Napola war eine staatliche Internatsschule, für die sich begabte, leistungsstarke Viertklässler der Volksschulen bewerben bzw. von Lehrern vorgeschlagen werden konnten. Nach einem strengen Aufnahmeverfahren, in dem nicht nur Schulleistungen, sondern auch sportliche Tüchtigkeit und Mut bei kaum zu bewältigenden Aufgaben verlangt wurden, kamen die Jungen in die 5. Klasse einer Napola.

Der Unterricht erfolgte nach dem normalen Lehrplan einer Oberschule. Der militärische Charakter dieser Eliteschulen wird jedoch schon daran deutlich, dass die Schüler Arbeitsuniformen trugen. Ebenso traten die Klassenlehrer, die auch Erzieher waren, nur in Uniformen auf und standen ihrer nach militärischem Vorbild "Zug" genannten Klasse als Zugführer autoritär vor. Meistens hatten sie einen militärischen oder parteipolitischen Hintergrund, durften keiner Kirche angehören und mussten eine kinderreiche Familie vorweisen können. An der Spitze einer Napola stand ähnlich einem Kommandeur der Anstaltsleiter.

Die Schüler hatten kaum individuelle Freizeit, sondern befolgten einen täglichen Dienstplan, der vormittags Unterricht, nachmittags vor allem Sport, Geländeübungen oder auch handwerkliche Tätigkeiten vorsah. Der Einzelne sollte sich nach der nationalsozialistischen Weltanschauung immer in die Gemeinschaft einordnen und ihr dienen.

Die Schüler verließen eine Napola nach der 12. Klasse mit dem Abitursabschluss und waren in der Wahl ihres Berufes oder Studiums grundsätzlich frei, wenn auch eine Karriere im NS-Staat vorgesehen war.

Es ist nicht möglich abzuschätzen, inwieweit die ideologische Erziehung in einer Napola die Jugendlichen tatsächlich zu überzeugten Führungskräften des NS-Staates gemacht hätte, da durch den Kriegsausbruch 1939 alle junge Männer Soldaten werden mussten. Jedoch machten einige ehemalige Napola-Schüler Karriere in der Bundesrepublik.


2. Geschichte

Am 02.04.1941 wurde die Napola Reichenau feierlich als Filiale der Napola Rottweil in den Gebäuden der aufgelösten Psychiatrischen Klinik oberhalb des Bahnhofs Reichenau eröffnet. Durch die forcierte Gründung von Napolas sollte damals der ständig steigende Bedarf an nationalsozialistisch geprägten Offizieren während des Krieges gesichert werden. Das ehemalige Klinikgelände war für die nie mehr als 125 Schüler umfassende Napola sehr großzügig ausgestattet. Für die Versorgung der Schüler und Lehrer wurde der Gutshof, die Gärtnerei und die meisten Handwerksbetriebe aus der Klinikphase weiter genutzt. Dass andere Bedarfsansprüche, wie z. B. ein Lazarett unterzubringen, nicht zum Zug kamen, zeigt den hohen Stellenwert dieser Institution Napola. Die Schüler hatten auf dem wunderschönen Gelände optimale Sportbedingungen und konnten mit eigenen Jollen in Egg oder Hegne segeln lernen.

Der Anstaltsleiter Dr. Hoffmann war gleichzeitig Leiter der Napola Rottweil und auch der Schulbetrieb startete mit 2 Rottweiler Klassen, die zunächst vor allem die Gebäude für den neuen Zweck einrichteten.

Das erste offizielle Schuljahr begann im Herbst 1941 mit zwei neugebildeten Klassen 5 und 6 und den übernommen Rottweiler Klassen 7 und 8. Jedes Jahr wurden unten neue Klassen aufgenommen. Von einem regulären Schulbetrieb kann aber nur für drei Jahre gesprochen werden, da spätestens ab Herbst 1944 die Endphase des Krieges einen normalen Regelunterricht verhinderte und die Klassen verstärkt zu Arbeitseinsätzen herangezogen wurden. Zudem wurden ganze Schulen aus den nunmehr besetzten Gebieten evakuiert und auf dem Schulgelände der Napola Reichenau untergebracht, da der Ort an der Schweizer Grenze als sicherer Zufluchtsort galt.

So nahm 1944 nach dem Vormarsch der Alliierten im Westen die Mädchen-Napola Kolmarberg in Luxemburg dort ihren Lehrbetrieb auf, ebenso die Reichsschule Heijthuijzen bei Roermond in Holland. Die Jungen-Napola Reichenau verlor hier Einfluss, auch wenn der Lehrbetrieb weiterhin völlig unabhängig von den Mädchenschulen weiterlief.

Bereits im Herbst 1943 mussten schon Gebäude an die benachbarte Deutsche Heimschule für Mädchen in Hegne abgegeben werden, da diese auf Grund des Zustroms von Schülerinnen aus kriegsgefährdeten Gebieten oder durch Aufnahme von kriegsgeschädigten Kindern aus allen Nähten platzte. Die Schülerinnen konnten in den dem Kloster Hegne abgenommenen ehemaligen Klosterschulräumen nicht mehr alle unterkommen.

Am 26. April 1945 endete die kurze Geschichte der Napola Reichenau, die von den Franzosen besetzt und aufgelöst wurde. An ihrer Stelle wurde ein französisches Militärkrankenhaus errichtet, in dem auch befreite französische KZ-Häftlinge behandelt wurden. Damit bekamen die Gebäude ihren ursprünglichen, krankenpflegerischen Sinn wieder.


Die alten Versorgungsgebäude

Die alten Versorgungsgebäude
© Marita Sennekamp


3. Anlage

 

Lageplan der neugegründeten Anstalt bei Konstanz

Lageplan der neugegründeten Anstalt bei Konstanz
© Heinz Faulstich

Vergrößerung

Moderner Lageplan (2007)

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -



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