Hintergrundinformationen

Der Fall Dr. Hermann Stratz - Ein Kampf für die Pressefreiheit

1. Bedeutung

Der vorliegende Fall ereignete sich in der Frühphase des "Dritten Reiches", als die NSDAP ihre Macht noch festigen musste. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch den Reichspräsidenten Hindenburg am 30.1.1933 wurden innerhalb eines halben Jahres fast alle demokratischen Institutionen (Parteien, Gewerkschaften, Länderregierungen, Reichstag und Länderparlamente, Pressefreiheit) verboten oder gleichgeschaltet. Ein Grund dieses schnellen Erfolges für Hitler und seine Partei ist sicher auch in der schwachen Gegenwehr zu finden. Die demokratischen Parteien kämpften nicht entschlossen und geschlossen gegen den drohenden Untergang der Weimarer Republik.

Deshalb sollte man sich auch an die mutigen Bürger und Bürgerinnen erinnern, die, wenn auch erfolglos, gegen die Zerstörung der Demokratie kämpften. Am Beispiel des Zeitungsherausgebers Dr. Hermann Stratz kann man die Gleichschaltung in einer Kleinstadt exemplarisch aufzeigen und erkennen, wie die letzten kritischen Pressestimmen unterdrückt wurden. Im Kampf für die Pressefreiheit verlor er sein Leben. Deshalb engagierten sich Schüler der Rudolf-Eberle- Schule dafür, dass an Dr. Hermann Stratz mit einer Gedenktafel erinnert wird und er somit nicht in Vergessenheit gerät.

In der letzten Ausgabe seiner Zeitung beschrieb Stratz die Aufgabe eines Redakteurs mit den Worten: "Scheut er Gefängnis, Acht und Bann, ist er kein rechter Zeitungsmann."


2. Geschichte

1873
Gründung des "Säckinger Volksblatts", welches später in das "Hochrheinische Volksblatt" umbenannt wurde, durch Hermann Stratz. Das Blatt stand dem Zentrum nahe, vertrat eine römisch-katholische Grundhaltung und umfasste etwa eine Auflage von 4500 Exemplaren.

Buchdruckerei Hermann Stratz

Buchdruckerei Hermann Stratz
© Franz Stortz

1930
Der Enkel von Hermann Stratz, Dr. Hermann Stratz, übernahm mit 27 Jahren nach dem Tod seines Vaters den Verlag und leitete ihn in der nationalsozialistischen Zeit. Schon in den zwanziger Jahren lernte Stratz als Student in München die Nazis aus nächster Nähe kennen und studierte "Mein Kampf" und andere NS-Schriften. Daher rührte auch nach einer seiner Aussagen "sein Widerstand gegen diese Bewegung".

Hermann Stratz

Hermann Stratz
© Stadtarchiv Bad Säckingen


30.1.1933
Hitler wurde von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.

24. Februar 1933
Unter der Schriftleitung von Dr. Hermann Stratz erschien im Hochrheinischen Volksblatt der Leitartikel "Gegen die braune Schmach". In diesem Artikel äußerte sich Stratz negativ über die gewaltsamen Übergriffe des NS-Regimes im Wahlkampf zu den Reichstagswahlen am 5.3.1933.

Zeitungsartikel

Zeitungsartikel "Die Braune Schmach" vom 24.2.1933 im Hochrheinischen Volksblatt
© Stadtarchiv Bad Säckingen/Franz Stortz


28. Februar 1933
"Verordnung zum Schutz von Volk und Staat"
In dieser Verordnung wurden die Grundrechte wie Pressefreiheit praktisch aufgehoben. Erste Schritte der Gleichschaltung leitete man ein, um den Presseapparat unter nationalsozialistische Aufsicht zu stellen.

2. März 1933
Das "Hochrheinische Volksblatt" (HRVB) veröffentlichte mehrmals die Reden von regimekritischen Katholiken. So druckte es im Wahlkampf eine Rede des Landtagsabgeordneten Graf Galen ab, der darauf hinwies, dass wie "der Kommunismus (...) auch der Nationalismus eine Kollektividee, nämlich das Aufgeben der Persönlichkeit" predige (HRVB 2.März 1933).

5. März 1933
Reichstagswahlen
Die NSDAP konnte sich in Säckingen zwar von 19 % auf 30 % steigern, lag aber immer noch deutlich unter ihrem Reichsdurchschnitt (43 %). Im katholischen Säckingen war die Zentrumspartei die dominierende Partei mit 44 % ( AB 4 )

13. März 1933
Das "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" wurde geschaffen (RMVP), Reichspropagandaminister wurde Joseph Goebbels. Dieser gestand der Presse nicht mehr zu, Kritik am neuen Regime zu üben. Das Ziel bestand zunächst darin, die Kontrolle über die bürgerliche Presse zu erlangen. Verbieten wie die SPD- und KPD- Zeitungen wollte man diese bürgerlichen Zeitungen nicht, da man sich ihren guten Ruf in der Bevölkerung zunutze machen wollte.
Die Journalisten fasste man in einer berufsständischen Organisation, der "Reichspressekammer", zusammen. Für alle journalistisch Tätigen wurde es Pflicht, sich in Berufslisten eintragen zu lassen. Somit konnte das Propagandaministerium kritische Journalisten ausschließen lassen.


Rathaus nach der

Rathaus nach der "Machtergreifung"
© Stadtarchiv Bad Säckingen


März bis Juni 1933
Gleichschaltung des Säckinger Gemeinderates (siehe Gemeinderatsprotokolle AB 5 ). Dr. Stratz war aktives Mitglied der Zentrumspartei und im Gemeinderat der Stadt Säckingen und musste aus "gesundheitlichen Gründen" zurücktreten (3.5.1933).

2. Mai 1933
Dr. Hermann Stratz wurde aufgrund seines Geständnisses, den "tendenziösen" Artikel "Gegen die braune Schmach" verfasst zu haben, in Schutzhaft genommen. Auch fiel er wegen des Nichtgrüßens der Reichsflagge auf.

4. Oktober 1933
Einführung des Schriftleitergesetzes. Die Medien wurden jetzt direkt dem Reichspropagandaminister Goebbels unterstellt, der Zugriff auf die "4. Gewalt" ermöglichte es, jeden kritischen Kommentar zu ersticken.
An den Status des Schriftleiters wurden verschiedene Anforderungen gestellt, u. a. arische Abstammung und die Tatsache, sich nie als "Schädling an Volk und Staat" erwiesen zu haben. Weiterhin verlangte man, das "Eintreten für eine Weltanschauung, die mit dem vorbehaltlosen Bekenntnis zur Nation im Widerspruch steht, (...) als Mangel einer persönlichen Eignung anzusehen". Die Journalisten mussten also vorbehaltlos die NS-Ideologie vertreten, bei Nichtbeachtung drohten strenge Strafen, da das RMVP auch die Kontrolle über die Berufsgerichtsbarkeit innehatte.


Bürgermeister Uttenthaler

Bürgermeister Uttenthaler
© Stadtarchiv Bad Säckingen


Oktober 1933
Die ständigen Diffamierungen und Angriffe durch das Bürgermeisteramt unter Führung des Bürgermeisters Uttenthaler lösten einen Rückgang im Abonnenten- und Anzeigegeschäft sowie den Verlust aller amtlichen und halbamtlichen Druckaufträge aufgrund "politischer Neuorientierung" aus. So musste die Druckerei kurzarbeiten lassen.
Passentzug und Hausdurchsuchung durch die Geheime Staatspolizei.
( T 3 , T 4 )

Zeitungsartikel

Zeitungsartikel "Darf man aus Mitleid töten?" vom 02.01.1934 im Hochrheinischen Volksblatt
© Stadtarchiv Bad Säckingen/Franz Stortz

02.01.1934
Das Volksblatt nahm kritisch Stellung zum Thema Euthanasie. Unter dem Titel "Darf man aus Mitleid töten?" schreibt das Blatt, dass der Mensch nicht sein eigener Herr sei und "... dass durch eine grundsätzliche Verletzung der ethischen Ordnung mehr Unheil in der Welt hervorgerufen wird, als wir im Einzelfall abzuwenden glauben."


22.03.1934



© Stadtarchiv Bad Säckingen Inv. Nr.26/03, Sign.E/-185
"Schutzhaftbefehl" der Geheimen Staatspolizei in der Sache H. Stratz
Examensarbeit Gregor Banz ( T 2 )


November/Dez. 1934
Eine Übersiedlung in die nahe Schweiz scheiterte, so dass ein Neuanfang nicht möglich war.

Februar 1935
Brief des Bürgermeisters an das Hochrheinische Volksblatt ( T 1 )

Brief des Bürgermeisters an das Hochrheinische Volksblatt

© Stadtarchiv Bad Säckingen Inv. Nr.26/03, Sign.E/-185
Examensarbeit Gregor Banz

Das Bürgermeisteramt ordnete an, dass alle Veröffentlichungen des "Hochrheinischen Volksblattes" über städtische Angelegenheiten, Anstalten und Betriebe dem Bürgermeisteramt zur Genehmigung vorgelegt werden mussten. Der Grund dafür war ein Artikel im "Hochrheinischen Volksblatt", der über die Zustände im Säckinger Krankenhaus und die Bezuschussung der Säckinger Fastnachtsveranstaltungen berichtete. Eine schnelle und objektive Berichterstattung war durch diese Maßnahmen nicht mehr möglich.


Fridolinsumzug 1935

Fridolinsumzug 1935
© Stadtarchiv Bad Säckingen


2. März 1935
Zum Fridolinsfest, an dem an St. Fridolin, den Kirchenpatron von Säckingen, erinnert wird, erschien ein Artikel mit dem Satz "An diesem hl. Brauchtum wollen wir festhalten, unbekümmert um alle Versuche, uns in ein altgermanisches Heidentum zurückzuwerfen." (HRVB 1. März 1935). Mit dem Heidentum war der Nationalsozialismus gemeint.
Das Bezirksamt ließ die Ausgabe vom 1. März 1935 sofort beschlagnahmen, da dies als ein Angriff auf den Nationalsozialismus aufgefasst wurde. Weitere Artikel, in denen die Kirche gegen staatliche Übergriffe in der Erziehung und Lehre verteidigt wurde, beschlagnahmte die Behörde. (18.3. bzw. 22.3.1935). Als ein Fastenhirtenbrief abgedruckt wurde, in welchem dem Staat die alleinige Erziehung der Jugend abgesprochen wurde, verbot man für 10 Tage das Hochrheinische Volksblatt. Stratz kam erneut für drei Tage in Schutzhaft. Ihm wurde vorgeworfen, dass wegen der Angriffe auf den nationalsozialistischen Staat mit Demonstrationen der Bevölkerung zu rechnen sei und er unter Schutz gestellt werden müsse.

25. März 1935
Einleitung eines Verfahrens gegen den Schriftleiter Dr. Stratz durch das Berufsgericht der Presse in Karlsruhe.

5. April 1935
Hermann Stratz wurde aus der Berufsliste der Schriftleiter gestrichen. Als Begründung in der Ausschlusserklärung hieß es u. a.: "Ihre Zeitung hat vor der Machtübernahme die Partei rücksichtslos bekämpft und setzt den Kampf auch heute noch fort" und "Es ist eine selbstverständliche und deshalb vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochene Berufspflicht eines Schriftleiters, sich positiv zum neuen Staat einzustellen und in ihm mitzuarbeiten." ( T 7 )

9.4.1935
Die NS-nahe Zeitung "Der Alemanne", eine überregionale Tageszeitung für den Raum Baden, wurde von den Nationalsozialisten zur Stimmungsmache gegen das "Hochrheinische Volksblatt" genutzt. Zum Verbot des "Hochrheinischen Volksblattes" nahm "Der Alemanne" "Stellung" ( T 5 , T 6 )


Artikel in der NS-nahen Zeitung

Artikel in der NS-nahen Zeitung "Der Alemanne"
© Stadtarchiv Bad Säckingen Inv. Nr.26/03, Sign.E/-185
Examensarbeit Gregor Banz


Oktober 1935
Neben Hermann Stratz schloss man die gesamten Familie Stratz aus der Reichspressekammer "... wegen mangelnde Zuverlässigkeit und Eignung ..." aus.

27. November1935
Nach dem Ausschluss des bisherigen Schriftleiters Dr. H. Stratz aus der Berufsliste der Schriftleiter übernahm Dr. Fridolin Jehle, ein Freund der Familie Stratz, dessen Stelle. Durch den Antrag auf Zusammenlegung mit dem "Säckinger Tagblatt" versuchte man die Weiterführung der Zeitung zu ermöglichen. Dieser Antrag wurde aber durch den Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger abgelehnt. ( T 8 )

31.12.1935
Letzte Ausgabe des "Hochrheinischen Volksblatts". Die Firma Hermann Stratz existierte als "Hochrheinische Buchdruckerei und Kunstanstalt" weiter ( T 9 )

Bekenntnis von Stratz zur Pressefreiheit in der letzten Ausgabe

Bekenntnis von Stratz zur Pressefreiheit in der letzten Ausgabe
© Stadtarchiv Bad Säckingen Inv. Nr.26/03, Sign.E/-185
Examensarbeit Gregor Banz


Sommer 1936
Kuraufenthalt in Wölfishofen. Als er dort "auffällig" geworden war, sollte Stratz in Freiburg in eine Nervenklinik eingeliefert werden.

26. Juli 1936
Hermann Stratz starb an einer angeblichen Lungenentzündung im Alter von 33 Jahren in Freiburg. Die Überweisungsunterlagen nach Freiburg sowie der Obduktionsbericht von Prof. Aschoff enthalten aber mehrere Widersprüche, der Verdacht einer Vertuschung der tatsächlichen Todesursache steht bis heute im Raume.

Grabplatte von Hermann Stratz auf dem Alten Friedhof

Grabplatte von Hermann Stratz auf dem Alten Friedhof
© Franz Stortz

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -