1.2 Geschichte |
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Im unteren Glattbachtal zwischen Vaihingen/Enz und Ensingen entstand im Sommer 1944 durch die Organisation Todt (OT) ein Arbeitslager - eines der vielen Außenkommandos des KZ Natzweiler im Elsaß. Das Lager bestand am Anfang aus vier Häftlingsbaracken, einer Küchen- und Krankenbaracke auf einem Areal von 150 auf 80 Metern. Abgesichert wurde die Anlage durch doppelten Stacheldraht, Beleuchtung und vier Wachtürme. Die Unterkünfte der SS-Wach-mannschaften sowie die Kommandatur waren außerhalb des Lager-bereichs.
Belegt wurde dieses Lager unter anderem von jüdischen KZ-Häftlingen, die ihrer Vernichtung oder Liquidierung in Radom oder Auschwitz auf Grund ihres körperlichen Zustandes entgangen und als arbeitsfähig eingestuft waren. Die ca. 2200 Gefangenen, die im August 1944 unter unmenschlichen Transportbedingungen im Lager ankamen, wurden als Zwangsarbeiter in einem nahe gelegenen Steinbruch eingesetzt. In diesem Steinbruch sollten auf Anweisung des Luftfahrtministeriums unterirdische Fabrikanlagen für die Flugzeugwerke Messerschmitt entstehen. Die Bauarbeiten wurden unter Leitung der OT von einer Arbeitsgemeinschaft der Firmen Baresel AG und Karl Kübler AG durchgeführt.
Den KZ-Häftlingen wurden die schwersten Arbeiten im Steinbruch zugewiesen: Wegschaffen des Abräummaterials, Entladung von Baumaterial, Vorbereiten von Schalungsmaterial sowie der Transport von Zement und Sandsäcken. Diese Arbeit konnte von den hungernden und teilweise kranken Häftlingen kaum geleistet werden. Ende Oktober 1944 wurde das Projekt wegen des nahenden Frontverlaufs aufgegeben. Die Häftlinge, die nach Ansicht der SS noch arbeitsfähig waren, wurden in andere Lager verlegt, so u.a. in den Fliegerhorst Hessental oder in den Zollern-Albkreis. Im Lager Wiesengrund blieben ca. 400 Häftlinge zurück. Das KZ Wiesengrund wurde nun in ein "SS-Kranken- und Erholungslager" umgewandelt, das vor allem die Aufgabe hatte, die todkranken Häftlinge aus den anderen KZ-Außenkommandos aufzunehmen. Durch die Verlegung der Kranken nach Vaihingen wollte man den Ausbruch von Seuchen in den Arbeitslagern verhindern. Bis zum 11. März 1945 kamen rund 2500 Kranke in 25 Transporten nach Vaihingen, in ein Lager, das durch eine völlig unzureichende Ausstattung zu katastrophalen Zuständen führte. Waschgelegenheiten nur im Freien, unbeheizbare Baracken bei Minustemperaturen und unerträgliche hygienische Verhältnisse ließen Krankheiten wie den Flecktyphus ausbrechen. So wurde aus dem Krankenlager ein Sterbelager für Häftlinge aus über 20 Nationen. Die genaue Zahl der in Vaihingen ums Leben gekommenen Menschen ist nicht mehr zu ermitteln. Bei einer Exhumierung wurden im Jahr 1954 insgesamt 1488 Leichen aus Massengräbern in Vaihingen gefunden. Am 7. April 1945 befreite die 1. französische Armee das Lager. Auch die Zahl der befreiten Häftlinge ist unklar. Selbst nach der Befreiung starben noch Menschen an den Folgen ihrer Krankheit, unter anderem auch Vaihinger Bürger, die sich zu Aufräumarbeiten auf dem Lagergelände aufhielten. Im Herbst 1947 fand ein Prozess gegen 42 Mitglieder der SS-Wachmannschaften verschiedener Außenlager, so auch vom Lager Wiesengrund, vor einem französischen Gericht statt. Zehn Todesurteile wurden ausgesprochen, u. a. gegen die Lagerführung und den verantwortlichen SS-Arzt Dr. Dichmann.
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