Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
B 44 1949: Der SPD-Parteivorstand mit Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Carlo Schmid
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Carlo Schmid prägte die frühe Bundesrepublik: Er war einer der „Väter“ des Grundgesetzes, hat den Parlamentarismus des frühen Bundestages als Bundestagsvizepräsident maßgeblich beeinflusst, war mit Adenauer 1955 in Moskau, um diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion aufzunehmen; vor allem aber hat er die Inhalte der SPD-Politik in den 50er-Jahren auf einen Reformkurs der Partei und auf eine neue Haltung zur Ostpolitik hin geprägt. Als Teil der Troika mit Erler und Wehner war er nicht nur über 10 Jahre lang eine Säule der Opposition, sondern auch immer ein Vorbild an demokratischer Toleranz, überragender Eloquenz und politischer Kultur.
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Schmid ist ein Beispiel dafür, wie Persönlichkeiten aus dem Südwesten die junge Bundesrepublik mitgestaltet haben.
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Als Landeschef von Südwürttemberg-Hohenzollern, gleichzeitig als kooptiertes Mitglied des Stuttgarter Kabinetts und als langjähriger Kandidat des Mannheimer Wahlbezirks, verkörpert er eine frühe Form, wie der Südwesten politisch mit einer Stimme sprach.
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Von allen beteiligten Politkern prägte er am stärksten die Inhalte des Grundgesetzes von dessen erstem Entwurf in Herrenchiemsee über die Beratungen im Parlamentarischen Rat bis zur Verabschiedung.
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Schmid zeigt für die 50er-Jahre ein anderes Gesicht der SPD als das üblicherweise mit Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer assoziierte der Daueropposition und verweist schon früh auf die Reformzeit der 60er- und 70er-Jahre.
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Schmid hatte immer ganz Europa im politischen Blickfeld: Als Anhänger der Westintegration betonte er immer die Bedeutung der deutschen Frage und verschloss sich nie einem Dialog mit dem Osten. In seiner Person werden sowohl die Dimensionen der deutschen Außenpolitik als auch deren Ambivalenz greifbar.
B 13 11.8.1961 (zwei Tage vor dem Mauerbau): Deutschlandtreffen der SPD in Nürnberg – Carlo Schmid zwischen Willy Brandt und Erich Ollenhauer
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2. Geschichte
B 25 Carlo Schmid als Kind (ca. 1900)
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* 3. Dez. 1896 in Perpignan: Charles Jean Martin Henri
1898 Übersiedlung der Familie nach Deutschland (Schmids Vater tritt eine Lehrerstelle in Möckmühl, kurz darauf in Weil der Stadt an)
1906 Umzug nach Stuttgart, besucht das Karls-Gymnasium
1914 Abitur (befriedigende Noten), Freiwilligenmeldung (August), Einsatz an verschiedenen Fronten, Verwundung (Mai 1918)
1919-21 Studium der Rechte in Tübingen, beste Examensprüfung seit 35 Jahren
B 26 1915: Verlobungsbild von Carlo Schmid
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1921 Heirat mit Lydia Hermes
1921 Referendariat am Amtsgericht Tübingen und 1923 Promotion (Kommentar zum Betriebsrätegesetz)
1927 Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
1929 Habilitation (Systematische Darstellung der Rechtsprechung des Haager Gerichtshofs)
1939 vergebliche Bewerbung um einen Lehrstuhl in Tübingen
1940-45 Kriegsverwaltungsrat in Lille (Nordfrankreich); Mitarbeit im Widerstand (Kreisauer Kreis); Kriegsende in Tübingen
1945 Landesdirektor für Kultus, Erziehung und Kunst in Stuttgart für das Land Württemberg-Baden
B 4 1.1.1946: Der Vorsitzende des Staatssekretariats an seinem Arbeitsplatz
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1945-1948 Staatsrat von Württemberg-Baden zur Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Württemberg-Hohenzollern
16.10.1945 - 8.7.1947 Vorsitzender des Staatssekretariats von Württemberg-Hohenzollern in Tübingen
23.4.1946 Berufung zum Professor für Völkerrecht an der Universität Tübingen
1946 bzw. 1947 Mitarbeit an der Verfassung von Württemberg-Baden und von Württemberg-Hohenzollern
1947-1950 Justizminister von Württemberg-Hohenzollern
1947-1972 Mitglied des SPD-Bundesvorstands
B 8 Der Parlamentarische Rat in der Pädagogischen Akademie in Bonn
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August 1948 Mitglied des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee
1948-49 Vorsitzender des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates
1949-1972 Mitglied des Bundestags
1949-66 und 1969-1972 Vizepräsident des Deutschen Bundestages
1953 Professur am Institut für Politische Wissenschaften in Frankfurt/Main
1953-56 und 1957-66 Stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Auswärtige Beziehungen
B 33 Im September 1955 besucht Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer Moskau; im Hintergrund Carlo Schmid ...
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1955 Mitglied der ersten deutschen diplomatischen Delegation nach Moskau
1957-66 Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD
1959 SPD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten (gegen Heinrich Lübke)
1963-66 Präsident der Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU)
B 22 1.7.1964: Die Staatsspitze: Bundestagspräsident Heinrich Lübke und der Vizepräsident des Deutschen Bundestags Carlo Schmid
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1966-1969 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder
1969-79 Koordinator für die deutsch-französische Zusammenarbeit
11.12.1979 † in Bad Honnef, begraben auf dem Tübinger Stadtfriedhof am 15.12.1979
B 14 1978: Carlo Schmid als Ehrengast bei der Verfassungsfeier des Landtags Baden-Württemberg
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- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -