Methodenvorschlag
2.1 Lernorterkundung
Es empfiehlt sich, mit der Schülergruppe die Gedenkstätte nicht unvorbereitet zu besuchen. Zumindest Basis-Informationen über die Situation 1918/19 (z.B. mit Hilfe von AB 1 ) und grobes Überblickswissen über die Weimarer Republik sollten vorhanden sein, um die Informationen vor Ort besser einordnen zu können.
Ob der Aufenthalt im Haus im Rahmen einer Führung durch Mitarbeiter der Gedenkstätte, einer Führung durch Schüler oder in Form einer selbstständigen Erarbeitung durch die Schülerinnen und Schüler in der Dauerausstellung erfolgt, hängt von der Einschätzung der Lehrkraft und der Disposition der Gruppe (z. B. inwieweit die Schülerinnen und Schüler geübt sind, weitgehend selbstständig Themen zu erarbeiten, Disziplinfrage) ab. Es gibt keinen Königsweg, der für alle Gruppen gilt.
Wer sich entscheidet, den in 1.3 beschriebenen Lernort mit seiner Klasse bzw. seinem Kurs zu erkunden, hat mehrere Möglichkeiten:
Eine Führung durch eine von der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte bereitgestellte Fachkraft. Die Führungen sind kostenlos und dauern ca. eine bis eineinhalb Stunden (Praktisches hierzu im Serviceteil).
„Schüler führen Schüler“-Konzept: Hierbei führt eine Expertengruppe von Schülerinnen und Schülern, die sich im Vorfeld kundig gemacht haben, durch die Ausstellung. Eventuell ist auch die Führung durch einen einzelnen, kompetenten Schüler bzw. eine Schülerin denkbar. Die Museumspädagogische Abteilung der Gedenkstätte hilft gerne bei der Vorbereitung. Die Führung durch Schülerinnen und Schüler ist als Projektarbeit bzw. GFS denkbar.
Oder: Die Schülerinnen und Schüler werden, mit entsprechender Vorbereitung und Einweisung, ohne Führung durch die Dauerausstellung geschickt und erarbeiten sich selbstständig anhand von Aufgaben- bzw. Fragebögen (als Vorschlag AB 6 ) die Inhalte der Ausstellung. In diesem Falle ist natürlich eine gemeinsame Nachbesprechung und evtl. Korrektur und Ergänzung im Unterricht unumgänglich.
Zur Alters- und Stufendifferenzierung:
Der Lernort ist prinzipiell für Schülerinnen und Schüler aller Schultypen und Altersgruppen geeignet. Auch der Besuch von Grundschülern ist möglich, so hat die Gedenkstätte gute Erfahrungen gemacht mit Zeichnungen, die die Grundschüler angefertigt und das äußerlich „Typische“ Eberts (kompakte Figur, dunkles Haar, Schnauz- und Kinnbart) eingefangen haben. Grundschulkinder können ferner „erleben“, wie Menschen vor über 100 Jahren gewohnt haben. Es könnte hier ein erstes Vorverständnis und Interesse an der Person Ebert geweckt werden, das später ausgebaut werden kann. Für Klassen aus der Region könnte sich auch ein gewisser Stolz aufbauen, dass ein offenbar sehr bedeutender Mann von hier stammt, mit dem man sich noch genauer beschäftigen wird.
Für die Sekundarstufen I und II sind alle Formen der Arbeit am Thema denkbar (sowohl mit als auch ohne Besuch der Gedenkstätte). Die Niveaudifferenzierung erfolgt dann durch das zu bearbeitende Material und die mehr oder weniger anspruchsvollen Fragestellungen.
Als Rückmeldung für die Lehrkraft, aber auch zur Reflexion und Festigung der Eindrücke seitens der Schülerinnen und Schüler kann der Fragebogen ( AB 7 ) dienen, der möglichst in der Geschichtsstunde nach dem Besuch der Gedenkstätte beantwortet wird. Erfahrungsgemäß wird von Schülerseite häufig die Ebert-Wohnung als besonders eindrucksvoll genannt. Diese unvergessliche sinnliche Erfahrung bietet bei der Auswertung und Besprechung einen guten Ansatzpunkt sowohl für die Diskussion der sozialen Frage um 1900 (evtl. Vergleich mit heute) als auch für ein Gespräch über die Lebensleistung Eberts, der sich aus diesen einfachen Verhältnissen hocharbeitete, dabei aber nie seine Herkunft vergaß. In diese Richtung weisen auch Thomas Manns Beobachtungen (vgl. AB 5 ).
Das Aufgabenblatt AB 6 kann den Schülerninnen und Schülern bei selbstständiger Erarbeitung der Ausstellung zur Sicherung der Ergebnisse mitgegeben oder aber auch nach einem Besuch des Ebert-Hauses zur Überprüfung vorgelegt werden.
2.2 Behandlung des Themas in der Schule
Auch ohne einen Besuch des Lernorts Friedrich-Ebert-Gedenkstätte ist ein großer Teil des hier angebotenen Materials verwendbar.
Je nachdem, wie intensiv die historischen Rahmenbedingungen bereits behandelt wurden (soziale Frage um 1900, Geschichte der Sozialdemokratie, Bismarcks Sozialpolitik und das Sozialistengesetz, das Kaiserreich, der Erste Weltkrieg, die Weimarer Verfassung, der Versailler Vertrag, Krisen, Putschversuche, Inflation, das Parteiensystem in Weimar), lässt sich Eberts Leben im weiteren Sinn und größeren Zusammenhang in zwei bis vier Unterrichtsstunden behandeln.
Das Arbeitsblatt AB 1 , das die Machtfaktoren und Kräfteverhältnisse 1918/19 darstellt, kann in der Sekundarstufe I, auf höherem Niveau auch von der Sekundarstufe II bearbeitet werden. Dabei werden die handelnden Kräfte deutlich, auch in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. Wer auch nur ein minimales politisches Grundverständnis hat, wird schnell sehen, dass eine Zusammenarbeit z.B. zwischen Spartakus und der Obersten Heeresleitung undenkbar ist, aber nachvollziehen, dass Ebert und die Mehrheits-SPD im Bestreben, Chaos, Gewalt und Versorgungsengpässe zu vermeiden, zeitweise mit den alten Kräften der Monarchie eine Kooperation einging. „Das Volk“ ist natürlich eine sehr unbestimmte Masse, aber man kann davon ausgehen, dass die Mehrheit vor allem Frieden, die Heimkehr der Soldaten und eine gesicherte Grundversorgung mit existenziell wichtigen Gütern wollte und keine Experimente, schon gar keine gewaltsamen, wünschte.
Gewinnbringend ist die in D 5 bzw. AB 4 dargestellte langfristige Hausaufgabe (ca. 1-2 Wochen Vorlauf), die einen Vergleich der Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg erarbeitet, ein Auftrag, der erfahrungsgemäß mit entsprechender Zeitvorgabe auch von Mittelstufenschülern gut geleistet werden kann (Material aus Lehrbuch Geschichte, Lexika, Internet u.a.). Mit dem Vergleich sind nicht nur Kerndaten beider Biographien gesichert, sondern auch problematisierende und wertende Ansätze vorbereitet. Die Kontrastierung beider Persönlichkeiten lässt die Profile schärfer hervortreten, ferner kann auf das Wissen über Hindenburg, der für die Endphase von Weimar und den Übergang zur NS-Diktatur eine wichtige Rolle spielt, später wieder zurückgegriffen werden.
Das Badehosenfoto ( B 5 , B 6 , B 7 ) macht visuell anschaulich, mit welchen Mitteln republikfeindliche Kräfte gegen Ebert und weitere Repräsentanten der jungen Demokratie zu Felde zogen und mit den Mitteln Entwürdigung und Lächerlichmachung arbeiteten. Hierbei hilft die Hintergrundinformation D 6 und das Aufgabenblatt AB 3 .
Als Folie projiziert und / oder als Kopie in der Hand der Schülerinnen und Schüler kann nachvollzogen werden, dass und wie mit Fotos, Ausschnitten daraus und entsprechenden Bildunterschriften manipuliert und der Betrachter gelenkt werden kann. Das ist auch im Sinne von kritischer Medienerziehung von Bedeutung und lässt sich auf die mediale Darstellung von Politik und Politikern heute anwenden.
Vor allem in der Sekundarstufe II, aber auch in einer interessierten und lernbereiten Mittelstufenklasse, lässt sich eine Bilanz und kritische Würdigung Eberts herstellen. Als Hausaufgabe oder in Arbeitsgruppen können die Schülerinnen und Schüler sich die Antworten selbst erarbeiten. Als Impuls können die im Arbeitsblatt AB 5 vorgegebenen Kurzdarstellungen von vier Positionen zu Friedrich Ebert dienen.
Eine Diskussion über den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu Friedrich Ebert bleibt wohl in der Regel eher der Sekundarstufe II vorbehalten. Ein großes Problem der Ebert-Forschung war und ist, dass es kaum Original-Quellen gibt. Einige Dokumente wurden von Ebert selbst vernichtet, 1943 wurden bei Bombenangriffen in Berlin weitere zerstört. Ein Nachlass ist nicht vorhanden, einige Protokolle sind im Bundesarchiv Berlin erhalten.Somit werden die Schülerinnen und Schüler in grundsätzliche Probleme historischer Forschung eingeführt.
Neben der dürftigen Quellenlage wurde möglicherweise Ebert auch deshalb in der Forschung lange vernachlässigt, weil er wenig charismatisch, vielleicht zu konsequent-geradlinig war und keine spektakulären Brüche in der Lebensgeschichte aufzuweisen hat.
Während Ebert in der DDR z.T. immer noch als „Arbeiterverräter“ gesehen wurde (pikanterweise war Ebert-Sohn Friedrich jr. Mitglied im ZK der SED), galt er der westdeutschen Geschichtsschreibung zunächst vor allem als Retter vor dem Bolschewismus (wobei die Kommunisten ohnehin in der Minderheit waren und das Ausland ein rotes Deutschland gewiss nicht geduldet hätte).
Ab den 1960er Jahren wurde in der westdeutschen Forschung die Fragestellung betont: Hat Ebert die Chance auf mehr Demokratie / Sozialreformen ausgelassen? (Allerdings: Wie wäre noch mehr Veränderung gegen die alten Eliten durchsetzbar gewesen?). In neuester Zeit erscheinen neben zusammenfassenden Biographien vor allem Detailuntersuchungen zu Friedrich Ebert. (z.B. zu Eberts privaten Briefen oder zu Eberts Verhältnis zu den Medien).
Reduktionsmodell - Kurzversion für 2 Unterrichtsstunden
Wer unter großem Zeitdruck steht und weder einen Lernortbesuch organisieren noch viele Unterrichtsstunden für das Thema aufbringen möchte, kann das Thema „Reichspräsident Ebert“ notfalls auf ca. 2 Unterrichtsstunden reduzieren.
Der Vergleich Ebert-Hindenburg (vgl. D 3 , D 5 und AB 4 ) lässt sich auch in Gruppenarbeit evtl. in einer Doppelstunde durchführen. Die Lehrkraft müsste hier Material und evtl. die Recherchemöglichkeit im Internet organisieren oder den Vergleich als Hausaufgabe vorbereiten lassen (siehe auch 2.2).
Die Gegenüberstellung bietet mehrere Vorteile: Die Profile der unterschiedlichen Repräsentanten der Republik treten deutlich und kontrastreich hervor. Herkunft, politischer Werdegang und Amtsauffassung lassen sich gewinnbringend vergleichen.
Nebeneffekt: Das Wissen über Person und Position Hindenburgs kann bei der Besprechung der Endphase von Weimar und der Machtübertragung auf Hitler wieder eingebracht werden und verkürzt dann diese Unterrichtseinheit.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Karlsruhe -
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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