Freiburg - Erfahrungen und Alltag im Ersten Weltkrieg

Hintergrundinformationen

1. Bedeutung

Der Erste Weltkrieg stellt eine historische Epochenscheide dar, dessen Wirkungen bis in unsere Gegenwart hineinreichen. Die "Urkatastrophe" (George F. Kennan) erschütterte Europa, sein Staatensystem, seine Wirtschaft, seine sozialen und kulturellen Gefüge, auf das Schwerste und gilt daher auch als der "Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters" (W. Mommsen 2004).
Die Veränderungen des öffentlichen und privaten Lebens waren tiefgreifend und erfassten eine Vielzahl von Menschen; nicht nur an den Frontlinien, sondern auch in der Heimat; nicht nur in den Metropolen Europas, sondern auch in den Gemeinden und Dörfern.
Die Annäherung an das Thema "Erster Weltkrieg", seine Auswirkungen und Folgen, soll für Schülerinnen und Schüler durch die Eingrenzung auf einen überschaubaren städtischen Raum konkret und anschaulich fassbar sein. Hierzu eignet sich die Untersuchung der südbadischen Stadt Freiburg in besonderer Weise: Freiburg war unmittelbar vom Krieg betroffen. Die Stadt kann aufgrund ihrer Größe, Verwaltung und ihrer ökonomischen Zusammensetzung als weitgehend repräsentativ für eine mittlere, bürgerlich geprägte Stadt im Kaiserreich betrachtet werden. Das südbadische Zentrum zählte 1914 etwa 89.000 Einwohner und war eine bürgerlich-katholisch geprägte Stadt. Verantwortlich hierfür waren vor allem der Sitz des Erzbischofs einerseits und die Universität andererseits, die fünftgrößte des Reiches. Freiburg war eine Hochburg der Zentrums-Partei, die 1912 fast 38 % der Stimmen für sich gewinnen konnte. Der kleingewerbliche Mittelstand dominierte die städtische Wirtschaft. Im Vergleich zum industrialisierten Norden Badens fehlte eine Großindustrie in Freiburg fast völlig.
Darüber hinaus gab es besondere Spezifika, die das Leben in der Stadt während des Ersten Weltkriegs bestimmen (Geinitz 1998, S. 42):

  • Die räumliche Nähe zu der durch das Elsass verlaufenden Westfront

  • Die Garnisonsstadt als militärische Drehscheibe für die Aufmärsche der Truppen am Oberrhein

  • Die Bedeutung als südbadisches Lazarettzentrum

  • Die Bombardierung durch feindliche Flugzeuge

Freiburg im frühen 20. Jahrhundert

Freiburg im frühen 20. Jahrhundert
© www.lmz-bw.de


2. Geschichte

25. Juli 1914: Hunderte von Menschen diskutierten auf den Straßen Freiburgs über den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Serbien und Österreich; Studenten zogen fahnenschwingend durch die Stadt; patriotische Lieder wurden gesungen und Ansprachen gehalten. Auf der Kaiserstraße formierten sich Demonstrationen. Wie in anderen Städten auch, gab es in Freiburg zahlreiche Befürworter einer militärischen Auseinandersetzung in Europa.

Doch die Zustimmung war keineswegs einhellig. Die sozialdemokratische Zeitung "Volkswacht" kritisierte das österreichische Ultimatum. Die SPD mietete eine Halle in der Oberwiehre, um in einer Versammlung eine friedliche Lösung der Krise zu debattieren. An der Veranstaltung beteiligten sich mehr als 7.000 Anhänger des SPD-Ortverbands (Greinitz 1995, S. 81).

Mülhausen im Elsaß/Mulhouse (1914)

Mülhausen im Elsaß/Mulhouse (1914)
© www.lmz-bw.de

Bald nach seinem Ausbruch näherte sich der Krieg der Stadt. Teile des 7. Französischen Armeekorps griffen von Belfort aus das 60 Kilometer entfernte Mühlhausen (Mulhouse) an und besetzten es am 8. August 1914. Nur zwei Tage später gelang deutschen Truppen kurzfristig die Rückeroberung der Stadt, ein Umstand, der in Freiburg zu einer Siegesfeier führte. Da die französischen Truppen nach Norden weiterzogen, fanden im Elsass nur noch vereinzelt Kämpfe statt; die Westfront erstarrte Anfang 1915 auch in dieser Region und blieb bis zum Ende des Krieges nahezu unverändert. Größere Kampfhandlungen fanden im Frühjahr und Sommer 1915 am nördlich von Münster gelegenen Lingenkopf (französisch collet du linge) und wenige Monate später am Hartmannswillerkopf (ursprünglich Hartmannsweilerkopf, französisch Vieil Armand) statt. Zu dieser Zeit und auch in späteren Jahren fürchteten Freiburger Bürger, dass Freiburg selbst zum Kriegsschauplatz werden könnte.

Anfang Oktober 1914 waren 6.000 Freiburger mobilisiert worden. In mehr als 30 Freiburger Lazaretten wurden verwundete und kranke Soldaten, Deutsche und Franzosen, untergebracht und gepflegt. Im Verlauf des Krieges wurden mehr als 100.000 Verwundete medizinisch versorgt. (Haumann 2001, S. 256f.).

Am 4. Dezember 1914 wurde die Stadt erstmals aus der Luft angegriffen. Sieben Kinder und ein Erwachsener wurden getötet, 14 weitere Menschen wurden verletzt.

Bomben auf Freiburg: 17.8.1917, Rosastraße

Bomben auf Freiburg: 17.8.1917, Rosastraße
© Stadtarchiv Freiburg (M 7061)

Der Alltag im Krieg brachte auch für die Zivilbevölkerung an der "Heimatfront" Entbehrungen und Probleme mit sich. Die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung während des Krieges erwies sich reichsweit als gravierendes Problem. Schon Anfang 1915 wurden in Freiburg erhebliche Mängel und Engpässe deutlich. Missernten des Jahres 1916 verschlechterten die Situation. Die Verwaltung reagierte mit Rationierungen der Grundnahrungsmittel und Kontrollen der Handwerksbetriebe. Der Mangel trieb die Preise in die Höhe und führte zu großem Unmut in der unterversorgten Bevölkerung. Als Maßnahme gegen Unterernährung wurden in Freiburg zusätzlich zu der in der Weberstraße bestehenden vier weitere "Volksküchen" eröffnet, in denen Mittagessen (40-55 Pfennig) und Abendessen (35-44 Pfennig) verkauft wurden. Im Jahr 1918 stieg die Zahl der ausgegebenen Portionen auf einen Höchststand von 1.977.750 (Haumann 2001, S. 260).

Neues und Altes Rathaus, am Rathausplatz, um 1900

Neues und Altes Rathaus, am Rathausplatz, um 1900; das hell verputzte "Neue" Rathaus in der Mitte umgebaut 1620 aus zwei Renaissancegebäuden; rechts hinten das "Alte", gotische Rathaus von 1560.
© www.lmz-bw.de

Nach dem Scheitern der Westoffensive veränderte sich die Stimmung in der Bevölkerung. Verzweiflung und Hoffnung verbanden sich mit Bestürzung und Beschuldigungen (Chickering 2009, S. 535). Immer mehr Menschen wünschten sich Frieden und innere Reformen. Das öffentliche Leben wurde durch die Ausbreitung der "Spanischen Grippe" weiter auf die Probe gestellt. Soldaten, die aus Frankreich zurückkehrten, hatten sich mit dem Virus infiziert und verbreiteten ihn in der Stadt. Insgesamt 444 Menschen fielen der Epidemie zum Opfer (Chickering 2009, S. 538).

Im August 1918 kam es zu Arbeitsniederlegungen in einigen Schreinerbetrieben und Streiks. Die Nachrichten über den Aufstand der Kieler Matrosen erreichten die Stadt am 4. November. Am 8. November meuterten Heereseinheiten in Lahr, unter ihnen waren auch Soldaten des Freiburger Infanterieregiments. Am 9. November versammelten sich über tausend Militärangehörige. In ihren Ansprachen forderten sie Frieden und Freiheit, Recht und Ordnung. (Chickering 2009, S. 539) Noch am selben Tag wurde der Freiburger Arbeiter-und Soldatenrat gebildet.

Die städtische Statistik registrierte, dass 3.388 Freiburger Bürger durch Kampfhandlungen oder infolge von Kriegsverletzungen ihr Leben verloren, dazu gehören auch die 31 Opfer der 25 völkerrechtswidrigen Fliegerangriffe auf Freiburg. Das Leid der Opfer und ihrer Familien, den der Krieg und seine Folgen über sie und die Stadt gebracht haben, können die Zahlen nicht abbilden. Allein verweisen sie auf das unendliche Leid, das der Erste Weltkrieg, die "Urkatastrophe", über den gesamten Kontinent gebracht hat und von dem er sich so schnell nicht erholen sollte.

Freiburg 1910

Freiburg 1910
© www.lmz-bw.de

 

- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -