Methodenvorschlag
Lernorterkundung
Wie oben ausgeführt, eignet sich die Erarbeitung der Auswirkungen und Folgen des Ersten Weltkriegs auf den städtischen Raum am Fallbeispiel Freiburgs in besonderer Weise. Doch gibt es in der Stadt Freiburg keinen geeigneten außerschulischen Lernort, um die Kriegserfahrungen der Freiburger Bürger zwischen 1914 und 1918 nachzuvollziehen. Die zahlreich vorhandenen Krieger- und Opferdenkmäler verweisen eher auf die Auseinandersetzung der Zeitgenossen und Nachkommen mit dieser Thematik ex post, auf eine Erinnerungs- und Gedenkkultur. Zentrale Aspekte des Themas können aber sinnvoll in der Schule bearbeitet werden, da uns sehr interessante Text- und Bildquellen aus der damaligen Zeit vorliegen. Damit wird nicht nur ein facettenreicher inhaltlicher, sondern auch methodischer Zugang möglich, der Spielraum für handlungs- und kompetenzorientierten Unterricht bietet.
Zur Ergänzung des Schulunterrichts bietet sich eine Exkursion ins nahe gelegene Elsass an, zum "Lingekopf" oder "collet du linge", einem außergewöhnlichen außerschulischen Lernort.
Der Lingekopf - Ein Schauplatz des Ersten Weltkriegs
Das ehemalige Schlachtfeld bietet dem Betrachter ein Bild eines Grabensystems, das in dieser Vollständigkeit während des Krieges nicht existiert hat. Dennoch ist es eines der wenigen Beispiele für den Schützengrabenkrieg im Westen. Die Anlage des Lingekopfs besteht aus untereinander verbundener erster, zweiter und dritter Linie eines Grabensystems, einem Blockhaus aus Stahlbeton an der Nordflanke, gemauerten Unterständen, Bunkern mit unterirdischen Verbindungsstollen, Felsenkasernen und einem Unterstand des Abschnittkommandeurs. Die vordersten Stellungen der Franzosen am Hang befanden sich z. T. in einer Entfernung von weniger als 10m von der ersten deutschen Linie. Die Anlage auf dem Lingekopf bildet einen Ausschnitt des gesamten umkämpften Gebietes.
In der Umgebung erinnern einige Denkmäler an die Opfer des Krieges: Gegenüber dem Parkplatz steht das 1935 errichtete Denkmal für das fünfte Bataillon de Chasseurs à pied (Fußjäger), Commandant Barberot, Commandant Colardelle und die getöteten bzw. vermissten 48 Offiziere und 2160 Unteroffiziere und Mannschaften. An der Straße zum Wettsteinpaß steht ein Obelisk, der den Toten des Weltkrieges gewidmet ist, insbesondere den Jägern und Infanteristen der 47., 66. und 129. Division, die zwischen 1914 und 1918 am Lingekopf gekämpft haben. Beim Weierer Kreuz, zwischen Hohnack und Bärenstall, erinnert ein Findling an die Kampfhandlung des 3. und 152. Infanterieregiments gegen das 1. Bayerische Landwehrregiment am 19.8.1914.
Führungen durch das Gelände oder das Museum werden nicht angeboten. Die Besichtigung von Schulklassen erfolgt unter der Leitung und Haftung des die Schulklassen begleitenden Lehrpersonals. Im Museum wird eine ca. 15-minütige Filmvorführung angeboten. Der Film stellt die militärischen Auseinandersetzungen im Elsass während des Ersten Weltkriegs aus französischer Perspektive dar. Im Materialteil finden die Arbeitsblätter für die Lernorterkundung ( AB 10 ).
Behandlung des Themas in der Schule
Die Materialien bieten Zugänge zu wesentlichen Aspekten des Ersten Weltkriegs: Beginn, Mobilisierung, Front und Heimatfront, Nationalismus, Kriegswirtschaft, Luftangriffe und Opfer, Verteidigung der Stadt, Tod und Trauer.
Die darstellenden Texte haben einführenden Charakter. Die Arbeitsblätter dienen zur Erarbeitung und Auseinandersetzung mit je einem der oben genannten Aspekte. Hierbei steht immer eine andere historische Quelle - Text oder Bild - im Zentrum des exemplarischen Zugriffs, der mit analytischen und handlungsorientierten Arbeitsaufträgen verbunden wird:
Der Kriegsbeginn wird durch einen Zeitungsartikel in der Freiburger Zeitung vermittelt ( AB 1 ), die die Mobilisierung begleitende Propaganda wird durch eine Bildpostpostkarte gespiegelt ( AB 2 ).
Die Betonung des Zusammenhalts zwischen Front und Heimatfront illustrieren die Aktionen rund um die "Nagelbäume" ( AB 3 ).
Die Umstrukturierung und Ausrichtung der gesamten Wirtschaft auf den Krieg ist ein wesentliches Merkmal des Ersten Weltkriegs. Verdeutlicht wird dies durch den bald entstehenden Arbeitskräftemangel, den ein Aufruf des Badischen Bauernvereins zur Mithilfe bei der Ernte zeigt ( AB 4 ).
Typisch ist auch die Rationierung von Waren und die Veränderung des Markts, die zu einem massiven Preisanstieg im Verlauf der Kriegszeit führt ( AB 5 ).
Weitere Arbeitsblätter behandeln die existentiellen Herausforderungen, die die Menschen der Stadt durch das Kriegsgeschehen zu bewältigen hatten: Die Luftangriffe ( AB 6 ), die Verteidigung der Stadt ( AB 7 ), die sich verändernden Aufgaben und Rollen von Männern und Frauen ( AB 8 ) und schließlich den Verlust von Familienangehörigen und Freunden. Dieser Aspekt wird mithilfe von Todesanzeigen behandelt, die in der Freiburger Zeitung veröffentlicht wurden ( AB 9 ).
Abschließend wird anhand einer kurzen Darstellung des "Lingekopfs" die Bedeutung des Stellungskriegs im nahen Elsass erläutert ( AB 10 ).
In ihrer Zusammenstellung ergeben die Quellen und Darstellungen ein facettenreiches Bild des Alltags und der Erfahrungen der Freiburger während des Zweiten Weltkriegs. Schüler erarbeiten und vertiefen daran auch den Umgang mit unterschiedlichen historischen Quellen.
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Freiburg -