Hintergrundinformationen
1. Bedeutung
Sterben an der Front: Propagandistische Verklärung (Postkarte) ( B 72 ) © Staatsarchiv Sigmaringen, N_1_85_T1_023 |
Sterben an der Front: Die erschütternde Wirklichkeit ( B 54 ) |
Das Unterrichtsmodul thematisiert Kriegserfahrungen Sigmaringer Bürger im Ersten Weltkrieg. Die Schüler erhalten Informationen zu den Erlebnissen Sigmaringer Soldaten an der Front und zu den Rückwirkungen des Krieges auf die Bevölkerung der Region Sigmaringen.
„Was der Krieg der Jugend geschenkt hat“. Zu diesem Thema hatte Emma Bieger (Bildmitte, geb. 12. 9. 1903) im Jahre 1916 einen Aufsatz an der Katholischen Volksschule Sigmaringen zu schreiben. ( AB 6 )
© Gisela Götz, Sigmaringen
Die Rückwirkungen des Krieges auf die Region veranschaulichen besonders eindrücklich Zeugnisse aus dem Unterricht an der Katholischen Volksschule Sigmaringen. Die Schüler erhalten einen Einblick, mit welchen Mitteln Patriotismus und Kampfeswille gestärkt werden sollten und wie der Schulbetrieb durch die Notzeit beeinträchtigt war.
Propaganda im Geschichtsunterricht: Schülerzeichnung zum U-Boot-Krieg an der Katholischen Volksschule Sigmaringen ( B 70)
© Staatsarchiv Sigmaringen, Nachlass Franz Keller, Dep. 1, T 6-7, Nr. 44
Die Schule im Einsatz für die Kriegswirtschaft (1917): Eine Klasse der Katholischen Volksschule Sigmaringen sammelt Laubheu, das den Pferden als Futterersatz dienen musste.
© Staatsarchiv Sigmaringen, Nachlass Franz Keller, Dep. 1, T 6-7, Nr. 18
Eine Vielzahl von Fotos aus den Beständen des Staatsarchivs Sigmaringen dokumentiert darüber hinaus das Kampfgeschehen an der Front aus der Sicht eines unbekannten (Sigmaringer?) Fotografen. Die Fotos veranschaulichen auf dramatische Weise, was „totaler Krieg“ bedeutet – v.a. auch im Hinblick auf die Opfer.
Zerschossener Wald in den Argonnen: Eines von vielen erschütternden Bilddokumenten aus den Beständen des Staatsarchivs Sigmaringen ( B 24)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N1_68_1864
2. Geschichte
1914
August:
1. August: Generalmobilmachung. Das Deutsche Reich erklärt Russland den Krieg.
In Sigmaringen läuten gegen Abend die Glocken der Kirchen.
Einrichtung von Bürgerwehren zur „Sicherung“ von Bahnstrecken, Telegrafenleitungen und Wasserbehältern gegen feindliche Sabotageakte.
Einrichtung von Lazaretten im Prinzenbau, Josefinenstift, Haus Nazareth sowie in den Klöstern Gorheim und Beuron.
Auf dem Bahnhof Sigmaringen werden als Durchgangsstation für die Truppentransporte an die Westfront eine „Erfrischungsstelle“ und ein Übernachtungsraum eingerichtet.
„Erfrischungsstelle“ für die durchfahrenden Soldaten auf dem Sigmaringer Bahnhof
© Maria von Schönau-Wehr, Sigmaringen
Der „Vaterländ. Frauenverein“ engagiert sich mit Näharbeiten und sogenannten „Liebespaketen“ für die kämpfende Truppe.
Das Hüttenwerk Lauchertthal bei Sigmaringen stellt seine Produktion auf Kriegswirtschaft um: Monatlich werden insgesamt bis zu 800 Tonnen Waffen und Munition produziert (ca. 80 Wagenladungen). Ca. 800 einheimische Arbeiter und bis zu 500 Kriegsgefangene (Russen, Franzosen, Engländer) werden in der Rüstungsproduktion beschäftigt. Das Hüttenwerk wird zur wichtigsten Produktionsstätte für Kriegsmaterial in ganz Süddeutschland
„Vom Hohenzollernwerk 1916“ (Postkarte 1916) ( B 17)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N1_85_T1_062
Für Lebensmittel werden Höchstpreise festgesetzt.
26. August, 19 Uhr: Der erste Verwundetentransport trifft in Sigmaringen ein (150 Verwundete in Güterwagons aus dem Elsaß). Der Bahnhof wird abgesperrt, nur Mitglieder des örtlichen Roten Kreuzes haben Zutritt. Die ersten Verwundeten werden in einer improvisierten Aktion mit Möbelwagen in die örtlichen Lazarette verteilt. Fast täglich kommen in Sigmaringen ab jetzt Verwundetentransporte an.
September
Zeichnung der ersten von insgesamt neun Kriegsanleihen. Insgesamt werden in den „Hohenzollerischen Landen“ (Preußischer Regierungsbezirk Sigmaringen, bestehend aus den ehemaligen Fürstentümern Hohenzollern-Sigmaringen und -Hechingen, ca. 70.000 Einwohner) durch die Kriegsanleihen 67 Millionen Mark zur Finanzierung des Krieges aufgebracht.
Werbung für die Zeichnung von Kriegsanleihen (Matrize zur Vervielfältigung)
© Staatsarchiv Sigmaringen, FAS Sa 376
1915
15. März: Einführung der Brot- und Mehlkarten. Es folgen Fleisch-, Butter-, Zucker-, Nudeln-, Teigwaren-, Seifen-, Petroleum- und Spirituskarten.
1916
„Kinderlandverschickung“: Erstes Jahr, in dem sogenannte „Stadtkinder“ aus dem Rheinland (Mühlheim a.d. Ruhr, Aachen, Düsseldorf, Essen, Barmen) und Baden (Karlsruhe, Heidelberg, Freiburg) durch Vermittlung von Verwaltung, Schulen und Kirchen in den Sommermonaten in Sigmaringen und Umgebung zur „Genesung“ aufgenommen werden. Die Kinder leiden an Unterernährung, Traumatisierungen durch Luftangriffe und anderen Kriegsfolgen. 1918 vermittelt das erzbischöfliche Waisenhaus Nazareth 1470 Kinder an hohenzollerische Familien.
1917
10. Januar: Beschlagnahmung aller Zinn-Prospektpfeifen der Kirchenorgeln
Einrichtung einer Ferienkolonie für 24 Kinder durch die fürstliche Verwaltung im Schloss Inzigkofen
März:
Beschlagnahmung sämtlicher Glocken: Insgesamt werden in den Hohenzollerischen Landen ca. 320 Glocken abmontiert.
Feierliche Abnahme der Glocken, Rathausplatz Sigmaringen
© Martin Schneble, Sigmaringen
Beschlagnahmung aller Gegenstände aus Kupfer und Aluminium, darunter auch das Kuppeldach der Hedinger Kirche
Hedingen, Erlöserkirche (historische Aufnahme)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N_1_78_T1_0016
August:
Aufhebung des Lazaretts im Haus Nazareth
September:
Verdunklungspflicht wegen Fliegergefahr
1918
3. Oktober: Max von Baden wird Reichskanzler.
3. November: Matrosenaufstand in Kiel, Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten.
Auch in Sigmaringen entstehen Soldaten- und Arbeiterräte, in manchen Landgemeinden Bauernräte.
9. November: Abdankung Kaiser Wilhelms II.: Ausrufung der Republik.
11. November: Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrags.
Von ca. 14.000 aus den Hohenzollerischen Landen ausgerückten Soldaten sind 2.766 gefallen (19,7 %), 3.800 Mann verwundet worden (27%), 900 gerieten in Gefangenschaft.
Kriegsheimkehrer in Sigmaringen, 1918 oder 1919 ( B 71)
© Staatsarchiv Sigmaringen, Sa T 1 Nr. 74/160
13. November: Eine Delegation des Zentrums und der Demokraten (DDP) bewegt Fürst Wilhelm von Hohenzollern zum Verzicht auf alle Vorrechte und finanziellen Vorteile, um einem möglichen bewaffneten Ansturm von Arbeitern und Bauern auf das Schloss Sigmaringen vorzubeugen.
1919
1. Februar: Demonstration von 400 Kriegsteilnehmern und Kriegsbeschädigten unter Beteiligung von Soldatenrat und Sicherheitswache des Schlosses. Demolierung des Redaktionsgebäudes der Hohenzollerischen Volkszeitung. Diese hatte kritisch über den Reichsbund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer berichtet. Verhandlungen mit dem Fürsten über die Verteilung der von ihm gestifteten Zweimillionenspende an Kriegsbeschädigte.
Demonstration von ehemaligen Kriegsteilnehmern vor dem Sigmaringer Schloss (1. Februar 1919)
© Staatsarchiv Sigmaringen, Sa T 1 Nr. 75/264
3. Anlage
Wichtige Gebäude während der Kriegszeit:
- Der Bahnhof Sigmaringen war Durchgangsstation für die Truppentransporte an die Westfront.
- Im Landesspital, Prinzenbau, Josefinenstift, Haus Nazareth, sowie in den Klöstern Gorheim und Beuron wurden Lazarette mit insges. ca. 400 Betten eingerichtet.
Das Landesspital, heute Landratsamt (historische Aufnahme)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N1_68_1038
Waisenhaus „Haus Nazareth“ (historische Aufnahme)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N1_68_0541
Der Prinzenbau, heute Sitz des Staatsarchivs (historische Aufnahme)
© Staatsarchiv Sigmaringen, N_1_78_T1_0002
Stätten der Erinnerung an die Gefallenen:
- Der Friedhof:
Die nach Sigmaringen überführten Soldaten sowie später gestorbene Veteranen des Krieges wurden nach dem Ersten Weltkrieg auf dem „Ehrenfeld“ des Friedhofs bestattet.
„Ehrenfeld“ des Friedhofs
© Markus Fiederer 2010
Erschütternde Familienschicksale, dokumentiert auf Erinnerungstafeln an der Außenmauer des Sigmaringer Friedhofs. Sieben Sigmaringer Familien verloren mehr als einen Sohn im Krieg. Die Witwe des Wilhelm Gayer sogar fünf Söhne.
© Markus Fiederer 2010
- Die evangelische Stadtkirche:
Am Totensonntag des Jahres 1926 wurde an der Außenwand der ev. Stadtkirche eine „Kriegergedächtnistafel“ eingeweiht.
„Kriegergedächtnistafel“ an der Evangelischen Stadtkirche
© Markus Fiederer 2010
- Die katholische Stadtpfarrkirche St. Johann:
Die „Kriegergedächtniskapelle“ befindet sich seit 1936 an der Westseite der Kirche, direkt neben dem Eingang.
Steintafel mit den Namen der Gefallenen, Katholische Stadtpfarrkirche St. Johannes
© Markus Fiederer 2010
- Das Rathaus:
Am 9. Januar 1927 wurde an der Ecke der Westfassade des Rathauses das „Kriegerehrenmal“ der Stadt für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs angebracht.
Enthüllung des „Kriegerehrenmals“ 1927 an der Ecke der Westfassade des Rathauses
© Staatsarchiv Sigmaringen, N_1_78_T1_0431 ( B 75 )
Unterhalb des Wappenschildes sind noch heute die Befestigungspunkte der ehemaligen Bronzetafeln mit den Namen der Gefallenen erkennbar.
© Markus Fiederer 2010
Nähere Informationen: AB 21 (siehe 2.1 Lernorterkundung)
- Arbeitskreis Landeskunde/Landesgeschichte RP Tübingen -