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Wirkung von ATP auf glycerinextrahierte Muskelfasern

Grundlagen: Energetische Kopplung

Stoffwechselreaktionen in der Zelle sind entweder exergonisch, d.h. es wird Energie freigesetzt (z.B. Glucoseabbau), oder endergonisch, also Energie verbrauchend (z.B. Aufbau von Proteinen aus Aminosäuren). Wird nun eine endergonische Reaktion mit einer exergonischen verknüpft, die mehr Energie liefert, als die endergonische verbraucht, so ist die Gesamtbilanz beider Reaktionen exergonisch.

Nun laufen aber die verschiedenen Stoffwechselreaktionen in unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle ab. Die beim exergonischen Glucoseabbau freiwerdende Energie muss also auf ein Zwischenprodukt übertragen werden, das beweglich ist und an die Orte des Bedarf transportiert werden kann. Dort kann das energiereiche Zwischenprodukt wieder abgebaut werden, die dabei freiwerdende Energie steht nun dem endergonischen Vorgang zur Verfügung.

Für diese Kopplungsreaktion wird in der Zelle in den meisten Fällen ATP als energiereiches Zwischenprodukt benutzt: der Aufbau von ATP aus ADP und anorganischem Phosphat ist eine endergonische Reaktion, beim Abbau von ATP wird also wieder Energie freigesetzt, die dann anderen endergonischen Prozessen zur Verfügung steht.

Reaktionsschema

Grundlagen: Gleitfilamenttheorie der Muskelkontraktion

Bei Erregung der Muskelfaser werden Claciumionen aus dem sarkoplasmatischen Reticulum freigesetzt. Calcium bindet an den regulatorischen Troponin-Tropomyosin-Komplex, so dass die Myosin-Bindungsstellen auf den Actinfilamenten freigelegt werden. Die energieliefernde Reaktion findet am Kopf des Myosinmoleküls statt. Dieser kann ATP binden und durch die ATPase-Aktivität des Myosins in ADP und ein anorganisches Phosphat hydrolisieren. Ein Teil der Energie, die bei der Hydrolyse freigesetzt wird, überträgt sich auf das Myosin, wodurch dieses in eine energiereichere Konformation überführt wird. Der angeregte Myosinkopf bindet an Actin und bildet eine Querbrücke. Unter Freisetzung von ADP und Phophat kippt der Myosinkopf in die energiearme Konformation und zieht das Actinfilament in Richtung der Mitte des Sarkomers. Das erneute Binden eines Mg2+-ATP–Moleküls führt zur Freisetzung des Myosinkopfes. Dieser kann dann wieder durch Hydrolyse die energiereiche Form einnehmen und ein neuer Zyklus beginnt. Durch mehrfache Wiederholung von Abknicken und Aufrichten der Myosinköpfe gleiten die beiden Filamente in Längsrichtung aneinander vorbei. Ein Absinken der intrazellulären Ca2+- Konzentration unter ca. 1 �mol/l beendet den Gleitzyklus.

Der Versuch zeigt:

  • Den Muskel als ein energieverbrauchendes System
  • ATP als Energielieferant für die Muskelkontraktion
  • Den Muskel als Energiewandler von chemischer in mechanische Energie
  • In verschiedenen Versuchsansätzen kann gezeigt werden, dass zur Kontraktion auch Mg²+, Ca2+ und ATPasen vorhanden sein müssen.

Material:

Rindfleisch von Bauch- oder Zwerchfellmuskeln (möglichst schlachtfrisch), Holzstäbchen (Zahnstocher), Baumwollbindfaden, Präparierbesteck, Petrischalen aus Glas, Binokular, Pasteurpipetten, 2 Erlenmeyerkolben Weithals 200 ml, 50%ige und 25%ige wässrige Glycerinlösung auf etwa 0° C gekühlt, ATP-Lösung (3%ig, in KCL, c= 0,05 mol/L), MgCl2-Lösung (c= 0,001 mol/L), KCl-Lösung (c=0,05mol/L), TRIS-Puffer (c= 0,01 mol/L), Millimeterpapier.

Vorbereitung: Herstellung glycerinextrahierter Muskelfaserbündel

Man benötigt für das Experiment mindestens 3-5 cm lange, unversehrte Muskelfasern. Vom Fleischstück wird die Muskelhaut, falls vorhanden, vorsichtig mit einer feinen Pinzette und einem Skalpell entfernt. Dann werden 2-5 mm dicke und 3-5 cm lange Faserstücke herauspräpariert, ebenfalls mit Pinzette, Skalpell und Fingern. Dabei ist darauf zu achten, dass die Faserstücke nicht in der Mitte gequetscht werden. Hilfreich sind dabei Pasteurpipetten, deren Spitze man durch Glühen abgerundet hat. Insgesamt bedarf diese Muskelpräparation etwas Übung. Die isolierten Faserstücke werden vorsichtig gestreckt und an ihren Enden längs eines Holzstäbchens gut angebunden, aber nicht zu fest, so dass der Faden schneidet. Dies verhindert Schrumpfungsvorgänge während der Extraktion. Die Stäbchen mit den angebundenen Muskelfaserstückchen werden sofort in den Erlenmeyerkolben gestellt, der mit 50%iger Glycerinlösung gefüllt ist, und bei 0° C aufbewahrt. Nach 24 h werden die Faserstücke in frisches, vorgekühltes 50%iges Glycerin gewechselt und für weitere 24 h bei 0° C darin belassen. Das so gewonnene "Muskelfaserpräparat" kann in diesem Zustand für Monate bei -20° C aufbewahrt werden. Für die endgültige Präparation wird das Muskelfaserpräparat für 1 h in auf 0° C vorgekühlte 25% Glycerinlösung überführt.

Durch die Glycerinextraktion wird die Zellmembran durchlässig und alle wasserlöslichen Bestandteile einschließlich der wasserlöslichen Proteine werden herausgelöst. Erhalten bleiben das Zellskelett, alle Strukturproteine einschließlich des kontraktilen Aktin – Myosin – Systems.

Durchführung:

  1. Die so gewonnenen "Muskelmodelle" werden in TRIS-Puffer gewaschen und in diesem mit feinen Pinzetten und unter dem Binokular in möglichst dünne Faserbündel aufgeteilt. Dabei sollten nur die Faserbündelenden fester angepackt werden.
  2. Diese Feinfaserbündel werden in eine Petrischale mit unterlegtem Millimeterpapier gebracht und ihre Länge bestimmt.
  3. Anschließend gibt man mit einer Pipette ein paar Tropfen MgCl2-Lösung und KCl-Lösung hinzu.
  4. Zum Schluss werden einige Tropfen ATP-Lösung dazugegeben und die Veränderung der Faserlänge verfolgt. Nach 3 Minuten kann die Endlänge der Faser bestimmt werden.

Auswertung:

Bestimmen Sie für den von ihnen durchgeführten Kontraktonsversuch, wieviele Sarkomere kontrahiert haben, bzw. wieviele molekulare Einzelschritte (3 nm) für die Gesamtkontraktion erfolgt sein müssen.

Zusatz:

Mikroskopische Beobachtung der Querstreifung von intakten und glycerinextrahierten Muskelfasern.

Die Kontraktion der Muskelfasern lässt sich auch unter dem Mikroskop betrachten, dazu werden aus dem Muskelpräparat vorsichtig mit abgerundeten Pasteurpipetten einzelne Faserstücke herausgelöst und in TRIS-Puffer auf einen Objektträger gebracht. Bei Zugabe von ATP mit KCl und MgCl2 erfolgt eine deutlich zu beobachtende Kontraktion.

Weitere Versuchsansätze:

  • Zugabe von ATP ohne Verwendung der MgCl2 –Lösung, um so die Mitwirkung der Mg2+- Ionen aufzuzeigen (die Kontraktion ist weniger erfolgreich).
  • Verschieden viel ATP-Zugabe am Anfang führt zu verschieden starken Kontraktionen.
  • Zugabe von CaCl2-Lösung kann nach ATP-Zugabe zu weiterer Kontraktion führen.

Literatur zur Muskelkontraktion:

H. G. Mannherz, R. H. Schirmer: Chemie in unserer Zeit: 4, p 165 – 176 (1970)

P. Sitte; Mannheimer Forum 75/76, p 55 – 117 (1975, 1976)

Th. Jahn, H. Lange: Die Zelle, Studio visuell, Herder (1979)

Braun, M.: pH-Muskel und Redoxmuskel, PRAXIS CHEMIE 1962/8, S. 57


Autor: Gabriele Rupp, Privates Gymnasium St.Paulusheim, 76646 Bruchsal

Webbearbeitung: Ursula Gegler-Hertler