Infoblatt: Gallen und Gallwespen
Gallen der Knoppergallwespe Andricus quercuscalicis an Eicheln der Stieleiche |
Knospen der Stieleiche |
Pflanzengallen
Pflanzengallen sind Wucherungen an Pflanzen, die von Viren, Pilzen, Pflanzen und Tieren hervorgerufen werden können. Die Wissenschaft der Pflanzengallen bezeichnet man als Cecidologie.
Kugelige Gallen an Eichen haben einen hohen Gehalt an Tannin. Tannin sind Gerbstoffe, die sich von der Gallussäure (3,4,5-Trihydroxybenzoesäure) ableiten. Besonders die Gallen der Gallwespe Andricus gallaetinctoriae an bestimmten Eichen im Nahen Osten wurden mindestens seit dem 3. Jahrhundert vor Christus dazu verwendet. Diese Gallen wurden gemahlen und mit Eisen(II)-sulfat versetzt: es entstehen nach Oxidation an Luft (Fe2+->Fe3+) tiefschwarze Verbindungen, die Eisengallustinte. Noch heute bieten viele Tintenhersteller Tinten mit Eisengallustinte als Bestandteil an, bspw. Montblanc und Lamy. Füllfederhalter können aber mit solchen Tinten verstopfen. Auch die Knoppergallen wurden auf Grund ihres hohen Gehalts an Gerbstoffen in Gerbereien verwendet.
Unter den Hautflüglern innerhalb der Insekten rufen bspw. Gallwespen solche Pflanzengallen hervor, und zwar v.a. bei Rosengewächsen bspw. der Heckenrose und bei Eichen der Gattung Quercus, bspw. der Stieleiche und der Traubeneiche.
Am häufigsten findet man Gallen in Laubwäldern in mittleren und höheren Lagen.
Knospen der Zerreiche Quercus cerris |
Eichelbecher der Zerreiche |
Gallwespen
Gallwespen, Cynipidae, sind Hautflügler (Hymenoptera) und damit verwandt mit Bienen, Wespen und Ameisen. Sie gehören innerhalb der Hautflügler zu den Taillenwespen (Apocrita): sie weisen eine tiefe Einschnürung zwischen dem ersten und dem zweiten Segment des Hinterleibs auf ("Wespentaille"). Gallwespen erkennt man zum einen an dem seitlich abgeplatteten Hinterleib (Abdomen). Zum anderen weisen die Weibchen einen Legestachel auf, mit dem sie ihre Eier in Pflanzengewebe legen. Gallwespen sind klein. Nach der Eiablage lösen sich die umgebenden Zellen auf und es bildet sich eine Galle. Die Larven hat keine Augen und keine Beine, aber gut sichtbare Mandibeln. Sie geben Proteasen ab, die die umgebenden Zellen der Wirtspflanze auflösen. 75% aller Arten der Gallwespen erzeugen Gallen ausschließlich an Eichen (Gattung Quercus): es sind alles Vertreter von nur 8 Gattungen, bspw. Andricus, Cynips und Neuroterus.
In Zentral- und Nordeuropa werden weit über 100 Arten von Gallwespen beschrieben.
Knoppergallwespe Imago in innerer Galle |
Legestachel eines Weibchens der Knoppergallwespe |
Die Knoppergallwespe und ihre Gallen
Bei der Knoppergallwespe Andricus quercuscalicis schlüpfen im Mai Männchen und Weibchen aus den ca. 0,2 cm großen Gallen an männlichen Blüten der Zerreiche (Quercus cerris). Diese entstehen aus den Staubblättern und zeigen manchmal noch an der Spitze den Staubbeutel. Die Zerr-Eiche ist ein Neophyt aus dem nördlichen Teil des Mittelmeergebiets und kommt in Deutschland als Parkbaum aber auch verwildert vor.
Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in einem maximalen Umkreis von 250 m an Stieleichen (Quercus robur) oder Traubeneichen (Quercus petraea) ab. Diese beiden Eichenarten sind in deutschen Eichenwäldern bestandsbildend (in Baden-Württemberg in ca. 7% aller Wälder). An den Eicheln entwickeln sich die oben abgebildeten, 1,5 - 2 cm großen Knoppergallen mit einer Öffnung an der Spitze. Knoppergallen sammelt man also im Herbst. Die Knoppergallen sind anfänglich frisch, grün und klebrig und werden später braun und trocknen aus. Im Innern befindet sich eine Innengalle mit einer dünnen Schale, die man leicht mit einer Pinzettenspitze einstoßen kann.
Ende Februar des darauf folgenden Jahres schlüpfen ausschließlich Weibchen, die sich parthenogenetisch fortpflanzen, d.h. Eier ohne Befruchtung erzeugen. (Ein Teil überwintert aber auch ein zweites Mal als Larve.) Die geschlüpften Weibchen legen ihre Eier sofort wieder an die männlichen Blüten der Zerreiche, aus denen im Mai des gleichen Jahres wieder Männchen und Weibchen schlüpfen. Die Gallen an der Zerreiche sammelt man also im Mai.
Bei extrem starkem Befall durch die Knoppergallwespe können Stieleichen unfruchtbar werden.
Der Körper der weiblichen Knoppergallwespe ist etwa 5mm lang, die Flügel ragen noch etwa 3mm über die Spitze des Hinterleibs hinaus. Die sexuelle Generation der Knoppergallwespe, die aus den Gallen an der Zerreiche schlüpft, ist noch kleiner: das Weibchen ist nur etwa 1,5mm lang (Körper ohne Flügel)
Andere Bewohner der Knoppergallen
Die Larven der Knoppergallwespe werden von Parasitoiden angegriffen. Parasitoide sind Organismen, die eine Zeitlang von ihrem Wirt leben, ihn aber letztendlich töten (Parasiten dagegen töten ihren Wirt nicht.) Der häufigste Parasitoid in Knoppergallen ist die Erzwespe Megastigmus stigmatizans. Die Weibchen sind etwa 6mm lang (ohne Ovipositor=Legebohrer) und haben einen gelben Kopf mit großen, hellroten Augen und einen teilweise erzgrünen Körper. Die Larven dieser Erzwespe kann man von den Larven der Gallwespe dadurch unterscheiden, dass sie Kotbröckchen bei sich hat, was die Larve der Gallwespe niemals hat.
In den Gallen findet man häufig auch Inquilinen. Das sind Insekten, die die Galle nach der Bildung besiedeln und von den gleichen Ressourcen leben wie die Gallverursacher. Bei der Knoppergalle findet man die Inquilinen besonders in der Außengalle. Auch die Inquilinen haben Parasitoide (Erzwespen anderer Gattungen).
Weitere Gallwespen
Die Japanische Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) ist ein bedeutender Schädling an der Ess-Kastanie (Castanea sativa). Sie stammt aus Südchina und breitet sich derzeit in Europa aus (z. B. in Südtirol und im Tessin).
Parasitoid in Knoppergalle, vermutlich Erzwespe Megastigmus stigmatizans |
Unbestimmte Larve in Knoppergalle |