Der Beitrag griechischer Mathematiker

Die Mathematiker des Altertums betrachteten Algebraaufgaben als eine Art Rätsel; jedes Problem wurde als Fall für sich mit einer ganz individuellen Lösung angesehen.
Die ersten, die ihre Methoden zur Lösung algebraischer Aufgaben, linearer, quadratischer und kubischer Gleichungen erklärten, waren die Griechen. Sie beschrieben ihre Lösungen in Worten und Diagrammen, einer langwierigen und nicht immer eindeutigen Form.
Nach der Unterwerfung Ägyptens durch Alexander den Großen zogen noch im ersten Jahrhundert des Bestehens der neuen Stadt Alexandrien neben anderen großen Wissenschaftlern die drei bedeutendsten Mathematiker des Altertums in dieses geistige Zentrum der Welt: Euklid, Archimedes und Apollonius.

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Die griechische frühe Zahlschrift: Reihenschrift Bild imageAQI.JPG
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  • Euklid


Euklid, der um 300 v. Chr. lebte, war der erste Leiter der Alexandrinischen Schule. Er gab nicht nur der voreuklidischen Mathematik sein eigenes Gepräge, er wurde der mathematische Lehrmeister der folgenden Jahrhunderte bis hin zur Gegenwart. Jeder Schüler lernt die sogenannte euklidische Geometrie, die von Euklid axiomatisch aufgebaut wurde und die er in seinem großen Werk "Elemente" für die Nachwelt festhielt.

Die folgende Denkaufgabe geht, so sagt man, auf Euklid zurück; wie viele Rechenaufgaben und Rätsel des Altertums ist sie in eine Fabel gekleidet. "Woraus erhellt, dass auch große Mathematiker gelegentlich kleine Probleme erörtern und dass sie eine freundliche Einkleidung nicht verschmähen.“ (1)


Esel und Maultier schritten einher, beladen mit Säcken.
Unter dem Drucke der Last schwer stöhnt und seufzte der Esel.
Jenes bemerkt es und sprach zu dem kummerbeladnen Gefährten:
"Alterchen, sprich, was weinst du und jammerst schier wie ein Mägdlein?
Doppelt soviel grad trüg' ich, gäbst du ein Maß mir;
Nähmst du mir eines, so trügen wir dann erst beide dasselbe."
Geometer, du Kundiger, sprich, wieviel sie getragen. (2)
  • Heron von Alexandria


Heron von Alexandria, der in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. lebte, verfasste die "Metrika", die einzige aus dem Altertum Griechenlands erhaltene praktische Darstellung der Mathematik mit Regeln zur Berechnung von Flächen und Körpern.
Bei ihm finden sich u. a. die sogenannten Brunnenaufgaben, die in den verschiedensten Varianten in Mathematikbüchern aller Länder auftauchen (meist werden sie " Röhrenaufgaben" genannt).
Die folgende ist in Form eines Epigramms, eines Sinngedichtes, gestellt:


Vier Springbrunnen es gibt, die Zisterne
anfüllet der erste täglich; der andere
braucht zwei Tage dazu, und der dritte
drei, und der vierte gar vier.

Welche Zeit nun brauchen zugleich sie? (3)

  • Diophantos


Zur Zeit des Untergangs der alten griechischen Kultur gab es einen einzelnen Gelehrten mit Namen Diophantos, einen bemerkenswerten Mann mit glänzender mathematischer Begabung, den man später den "Vater der Algebra" nannte.
Diophant beschäftigte sich sein Leben lang mit Gleichungen; 130 Aufgaben sind in seinem uns überlieferten Werk enthalten, die jedoch jeder Systematik entbehren. Auch ,,die Lösungen, welche er vorrechnet, sind zwar immer ungemein geistvoll, mit angewandten Tricks erkauft, aber niemals aus einem allgemeinen Gesetz erschlossen." (4)
Wie seine Vorgänger schrieb auch er mathematische Probleme im griechischen Zahlensystem, das Buchstaben des Alphabeths für die Ziffern 1 bis 9, die Zehner, die Hunderter etc. benutzte. Die Unbekannte bezeichnete er mit dem griechischen Schluss-s mit Akzent, das wohl von dem letzten Buchstaben des griechischen Wortes arithmos (Zahl) genommen war. Diophant schrieb als schlicht und einfach in Buchstaben, die Abkürzungen aus der Umgangssprache waren.

Von Diophants Lebenszeit weiß man nur, daß sie ins 3. Jahrhundert n. Chr. fiel. Durch einen Zufall weiß man aber, wie alt er geworden ist, nämlich 84 Jahre. Diese Information stammt von einem Bewunderer des Diophantos, der dessen Leben in der Form eines algebraischen Rätsels beschrieb:


Hier das Grabmal deckt Diophantos. Schauet das Wunder!
Durch des Entschlafenen Kunst lehret sein Alter der Stein.
Knabe zu sein gewährte ihm Gott ein Sechstel des Lebens;
Noch ein Zwölftel dazu, sprosst auf der Wange der Bart;
Dazu ein Siebtel noch, da schloss er das Bündnis der Ehe,
Nach fünf Jahren entsprang aus der Verbindung ein Sohn.
Wehe das Kind, das vielgeliebte, die Hälfte der Jahre
Hatt' es des Vaters erreicht, als es dem Schicksal erlag.
Drauf vier Jahre hindurch durch der Größen Betrachtung den Kummer
Von sich scheuchend, auch er kam an das irdische Ziel. (5)

[Hier sind zwei Auffassungen des Textes möglich: Es fragt sich, ob der Sohn halb so alt wurde wie der Vater oder halb so alt, wie der Vater beim Tod des Sohnes war.]

Weitere Beispiele aus der griechischen Gleichungspoesie (6):


"Edler Pythagoras du, helikonischer Sprössling der Musen,
Sage mir Fragendem an, wieviel auf der Wissenschaft Ringplatz
Jünger dir weilen im Haus, gar eifrig erstrebend den Kampfpreis."
"Ich will sagen es dir, o Polykrates. Siehe, die Hälfte
Treibet die treffliche Mathematik; dagegen ein Viertel
Mühet sich um die Natur, die unsterbliche, aber das Siebtel
Gänzliches Schweigen befolgt, im Herzen die Lehre bewahrend;
Zähl drei Frauen hinzu, aus denen Theano hervorragt:
So viel leite zu Priestern ich an der Pierischen Musen."


"Trefflichster Künd'ger der Zeit, welch Teil ist des Tages verlaufen?"
"Nimm des Verlaufs zwei Drittel; es bleibt dann doppelt soviel noch."



Ziegelstreicher, ich sehne mich sehr, zu vollenden das Haus hier.
Nicht ist bewölkt ja der heutige Tag, schaut! Viele der Ziegel
Brauch' ich nicht mehr: dreihundert im ganzen noch sind es, die fehlen.
Du hast selbst doch allein tagtäglich so viele gestrichen,
und dein Knabe beschloss mit zweimal hundert das Tagwerk,
Aber der Eidam, nachdem er gemacht zweihundertundfünfzig.
Einet ihr drei euch zum Werk: wieviel denn Stunden gebraucht ihr?

(1) Karlson, Paul: Du und der Zauber der Zahlen, Berlin 1963, 139.
(2) Lietzmann, Walther: Lustiges und Merkwürdiges von Zahlen und Formen, Göttingen 71950, 29f.
(3) A.a.O., 29.
(4) Karlson: Du und der Zauber der Zahlen, 199.
(5) Lietzmann: Lustiges und Merkwürdiges von Zahlen und Formen, 31.
(6) A.a.O., 30.