Die poetische Mathematik der Inder
Als größte Errungenschaft der Inder für die Mathematik gilt die Erfindung
der Null bzw. die Einführung des heute noch gültigen Stellenwertsystems der
Zahlenschrift.
Der enge Handelsverkehr zwischen Indern und Arabern machte ein gegenseitiges
Verrechnungssystem erforderlich. Da ist es auch nicht verwunderlich, daß die
Araber das von den Indern mit Erfolg benutzte Zehnersystem rasch übernahmen,
das Rechenhilfen wie den Abakus überflüssig machte. Andererseits lernten die
Inder ihrerseits über die Araber wichtige Ergebnisse der griechischen
Mathematik kennen, übersetzten sie in ihre Sprache und führten sie zum Teil
weiter. Schließlich waren sie es, die ein allgemeines Verfahren zur Lösung
von Gleichungen erfanden, sie beherrschten die "Kunst der Algebra", von der
der indische Gelehrte Bhaskara ( um 1150 n. Chr.) sagt: "Die
Regeldetri ist Arithmetik, die Algebra aber ist makelloser Verstand. Was
wäre dem Scharfsinnigen unbekannt?" (1).
Der "indischen Ausdrucksweise fehlt es weder an Originalität noch an
poetischer Beredsamkeit. Selten nur findet sich der spröde Kern
mathematischer Erkenntnis in einem derart blumenreichen Zuckerguss von
Metaphern versteckt wie bei den indischen Mathematikern" (2), mit diesen
Worten beschreibt Karlson die Gleichungspoesie der Inder, und ich möchte
hier ein paar Kostproben geben, die der "Lilavati" des Bhaskara
entnommen sind:
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Während diese beiden Aufgaben auf lineare Gleichungen, mit einer
Unbekannten führen, macht die folgende das Lösen einer quadratischen
Gleichung erforderlich.
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(1) Karlson, Du und der Zauber der Zahlen, 119.
(2) A.a.O., 178.
(3) Lietzmann, Lustiges und Merkwürdiges von Zahlen und Formen, 31.
(4) Ebd.
(5) Karlson, Du und der Zauber der Zahlen, 202.
Vgl. Wussing, Vorlesungen zur Geschichte der Mathematik.