Besondere Aufgaben

1. Typ "Der Wächter im Apfelgarten"


Aufgaben vom Typ "Der Wächter im Apfelgarten" sind eine besondere Art von Teilungsaufgaben. Die Bezeichnung verdanken sie der Einkleidung einer Aufgabe aus einem byzantinischen Rechenbuch aus dem 15. Jahrhundert.


Es war ein Mann mitten in einem Garten, und jener Garten hatte vier Tore, und es bestand die Vorschrift, wenn er aus allen den Toren herausgehen wollte, sollte er so viele Silberstücke mitnehmen, dass er dann an jedem Tor die Hälfte abgebe und ein halbes Silberstück mehr - damit er kein Silberstück zerteilen müsse - und dass ihm dann, wenn er aus allen den Toren herausgegangen sei, ein Silberstück übrigbleibe.
Wieviele Silberstücke musste er mitnehmen? (1)

In einem anderen Gewand tauchte dieser Aufgabentyp bereits früher auf: Zum erstenmal ca. 250 n. Chr. in China, um 700 in Armenien, um 900 bei den Indern und um 1000 bei den Arabern. Von da aus gelangte er in die mittelalterlichen Rechenaufgabensammlungen von Europa und Byzanz. Hier ist in exemplarischer Weise der Weg der Algebra nachgezeichnet.

Bei L. Euler findet sich eine entsprechende Aufgabe in seiner "Vollständigen Anleitung zur Algebra", bei der es um die Verteilung eines Erbes geht und die eine Variante folgender Version aus dem Rechenbuch des byzantinischen Mönches Maximos Planudes (13. Jh.) darstellt:


Ein sterbender Vater rief seine Söhne,
ließ auch zugleich die Geldschachtel mitbringen
und verteilte das Geld mit folgenden Worten:
Ich will meinen Söhnen gleichmäßig mein Geld zuteilen;
der erste soll ein Geldstück und 1/7 des Restes erhalten,
der zweite zwei und 1/7 des Restes,
der dritte drei und 1/7 des Restes.
Mitten in diesen Worten starb der Vater und war
weder mit den Söhnen noch mit dem Gelde zu Ende gekommen.
Ich will nun wissen, wieviele Söhne es waren und wieviel Geld? (3)

Weitere Varianten dieses Aufgabentyps finden sich auch im Rechenbuch von Johannes Christoph Schäfer (1802 - 1854), das den Titel "Die Wunder der Rechenkunst" trägt und 1831 erschien. Der Untertitel der 8. Auflage von 1857 versetzt manche Jugendliche in Staunen, er lautet: "Eine Zusammenstellung der rätselhaftesten, unglaublichsten und belustigendsten arithmetischen Kunstaufgaben. Zur Beförderung der geselligen Unterhaltung und des jugendlichen Nachdenkens."

Daraus folgende Kostprobe:


Robert bot einst sein Obst drei Leuten feil,
Ein günstiges Geschick wurde ihm dabei zutheil.
Sie kauften der Früchte ganze Zahl.
Such Leser diese jetzt einmal.
A. nimmt des ganzen Vorraths Hälfte hin und achte,
und geht davon mit frohem Sinn.
B. kaufte nach A. die Hälfte und zwei
und holt dazu als dann noch drei.
C., der den Vorrath noch zahlreich findet,
Nimmt auch die Hälfte und verbindet
zwölf Stück damit, bezahlt auch sie
Und Robert war frei von aller Müh,
Die Zahl besteht aus mehr als zehn mal zehn.
Doch still du wirst sie selbst gefunden sehn.
Berechne du nun auch den Geldbestand,
den Robert, das Stück einen Dreier fand! (2)

Eine Anekdote erzählt von einem Postmeister, der einmal gefragt wurde, wieviele Pferde der "Alte Fritz" zum Wechseln auf der Poststation bestellt hatte . Seine Antwort lautete:


Mit der Hälfte der bestellten Pferde und einem halben fährt der König selbst. Mit der Hälfte des Restes und einem halben fährt der Minister, mit der Hälfte des bleibenden Restes und einem halben Pferde fahren die Diener. Das übrigbleibende letzte Pferd benutzt der Vorreiter. (4)

Weitere Aufgaben dieses Typs finden sich auch bei Leonardo Fibonacci (13. Jh.) , Michael Stiefel (16. Jh.) und anderen.

2. Typ "Röhrenaufgabe"


Von den sogenannten " Röhrenaufgaben", die seit Heron und Diophant sehr beliebt waren, traten Abwandlungen bei Alkuin (ca. 731 - 804), dem Freund und Lehrer Karls des Großen, und bei den Indern auf. Die folgende Variante erschien wohl zuerst im zweiten deutschen Rechenbuch, das 1489 in Leipzig erschien und dessen Verfasser Johannes Widmann aus Eger war. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, wie unrealistisch manche Einkleidungen sein können.


Ein Löwe, ein Wolf und ein Hund fressen gemeinsam ein Schaf.
Der Löwe allein würde mit dem Schaf in 1 Stunde fertig werden,
der Wolf würde 4 Stunden daran fressen und der Hund 6 Stunden.
Wie lange dauert die Mahlzeit, wenn alle drei gemeinsam fressen? (5)


(1) alpha, 17. Jg. Heft 3/1983, 59.
(2) alpha, 18. Jg. Heft 3/1984, 67.
(3) alpha, 17. Jg. Heft 6/1983, 131.
(4) Lietzmann, Lustiges und Merkwürdiges von Zahlen und Formen, 166.
(5) Flachsel, Hundertfünfzig Mathe-Rätsel, 24.

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