Röntgenstrahlen und Bragg Beziehung.
1.) Wie erzeugt man Röntgenstrahlen?
Im Jahre 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen - angeblich eher
zufällig - eine Art Strahlung, die er X-Strahlung nannte, die in
vielen Ländern aber unter dem Namen Röntgenstrahlung bekannt
ist. Er hatte mit Vakuumröhren und hoher Spannung experimentiert und dabei
das Leuchten eines speziell beschichteten Papiers bemerkt.
Heute kennt man das "Röntgen" eher aus der Medizin: der
Körper wird mit Röntgenstrahlung durchleuchtet. Knochen absorbieren
dabei die Strahlung anders als das Zellgewebe, so kann man die Knochen sichtbar
machen und zum Beispiel auf Brüche untersuchen.
Wie funktioniert eine Röntgenröhre?
Eine Röntgenröhre ist prinzipiell nicht anders aufgebaut
als eine alte Radioröhre oder eine
Fernsehbildröhre: aus einer Glühkathode werden Elektronen freigesetzt und von einer hohen Spannung Ua (etwa 20 kV) zu einer Anode hin beschleunigt. Prallen die Elektronen auf die Anode auf, so wird ihre kinetische Energie in elektromagnetische (Röntgen)strahlung umgewandelt. Dabei gilt: Was hier passiert ist die Umkehrung des Fotoeffekts. Beim Fotoeffekt wird die Energie des Lichts (abzüglich der Ablöseenergie) in die kineteische Energie des Elektrons umgewandelt. Hier wird die kinetische Energie des Elektrons in die Energie der Strahlung umgewandelt. Siehe hierzu auch fotoeffekt.htm |
In der Röntgenröhre entsteht also elektromagnetische Strahlung
der Frequenz f:
(zum Vergleich: sichtbares Licht 1014 Hz ).
Die Frequenz der Röntgenstahlung ist etwa 4 Zehnerpotenzen
größer als die von Licht. Daher ist die Strahlung auch viel
energiereicher (W = h * f).
Für die Wellenlänge λ bedeutet dies:
(zum Vergleich: sichtbares Licht 10-7 m).
Wellenlänge λ und Frequenz f der entstehenden Strahlung
hängen direkt von der Beschleunigungsspannung Ua ab (s.o.).
Je höher die Beschleunigungsspannung, desto höher ist die Frequenz f
und damit die Energie der entstehenden Strahlung. Ab einer Spannung von 5 kV
wird Röntgenstrahlung erzeugt.
Röntgengeräte, die mit dieser oder einer höheren Spannung
betrieben werden, müssen in festen Zeitabständen vom TÜV
überprüft werden - ähnlich wie ein Auto.
Auch alte Röhrenfernseher und -monitore wurden mit ähnlichen
Anodenspannungen betrieben und erzeugen daher ebenfalls Röntgenstrahlung.
Bei ihnen war eine gute Abschirmung der Röhrenoberfläche gegen
Röntgenstrahlung - vor allem in den 80er und 90er Jahren - ein viel
diskutiertes Thema.
2.) Sind Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen?
Wenn Röntgenstrahlen tatsächlich elektromagnetische Wellen sind, dann müsste man mit Ihnen auch all das machen können, was man auch mit Mikrowellen oder Licht machen kann - insbesondere Interferenzexperimente mit geeigneten Beugungsobjekten wie Doppelspalt oder Gitter.
Für den Abstand der k. Ordnung von der Mitte gilt bei einer
Doppelspaltinterferenz folgende Gleichung (sofern die Winkel klein sind):
Vergleiche hierzu die Seite Interferenz beim Doppelspalt - Herleitung der
Näherungsgleichung:
fotoeffekt.htm
Welche Beugungsobjekte eignen sich zum Nachweis von Röntgenstrahlung?
Optische Beugungsobjekte mit Licht beleuchtet |
Optische Beugungsobjekte mit Röntgenstrahlenbeleuchtet |
Kristallgitter mit Röntgenstrahlen beleuchet |
Beim sichtbaren Licht sind die Wellenlängen λ in
der Größenordnung von 10-7 m, der Doppelspaltabstand g in
der Größenordnung 10-4 m. Der Faktor λ / g beträgt etwa 10-3 = 1/1000. |
Lassen wir Röntgenstahlen mit einer Wellenlänge von
10-11 m auf ein solches Beugungsobjekt ( g = 0,1
mm = 10-4 m) treffen, dann ist der λ /
g = 10-7 - damit wird d extrem klein. Die Interferenzerscheinung kann so nicht vernünftig beobachtet werden, weil die Ordnungen sehr eng zusammenrücken. |
Da die Wellenlänge der Röntgenstrahlung ja fest
liegt, kann man den Faktor λ / g nur dann groß bekommen, wenn man
g sehr klein macht. Solche Beugungsobjekte sind optisch nicht herzustellen, kommen aber in der Natur als Salzkristalle vor (z.B. NaCl oder LiF). Bei ihnen ist der Abstand der einzelnen Atome etwa 10-9 m. Damit wird der Faktor λ / g dann wieder etwa 10-2, so dass man eine Interferenz beobachten kann. |
gut geeignet | nicht geeignet | gut geeignet |
Aufbau eines NaCl-Kristalls: Ein Kochsalzkristall (NaCl) hat einen würfelförmigen Aufbau. Die hell gefärbten Atome sind jeweils die Na Atome, die dunkel gefärbten Atome sind die Cl-Atome. |
3.) Reflexionsgesetz in der Ebene.
Lässt man Licht auf eine Spiegelfläche treffen, so wird das Licht
(also die Wellenstrahlen) nach dem Reflexionsgesetz
Einfallswinkel = Ausfallswinkel reflektiert. Dies gelingt für jeden beliebigen Winkel. |
FOTO LICHTREFLEXION , SKIZZE REFLEXION |
Das funktioniert selbstverständlich auch für jede andere Art von elektromagetischen Wellen. Man kann den Versuch auch mit Mikrowellen durchführen und bekommt maximale Intensität wenn das Reflexionsgesetz erfüllt ist. | FOTO REFLEXION MIT MIKROWELLEN |
Es muss aber nicht unbedingt eine durchgehende Spiegelfläche sein, der
Spiegel darf auch "Löcher" haben. Nach Huygens kann jeder Punkt
einer Wellenfront als Ausgangspunkt einer Elementarwelle angesehen werden. Auf
diesem Prinzip beruht zum Beispiel auch die Erklärung der Brechung des
Lichts. (vgl. diese Webseite) Statt mit einem durchgängigen Spiegel funktioniert die Reflexion von Mikrowellen nach dem Reflexionsgesetz auch mit einer Styroporplatte auf der Metallflecken aus Alufolie aufgeklebt sind. Auch hier gelingt die Reflexion unter jedem beliebigen Winkel, sofern Einfallswinkel = Ausfallswinkel ist. |
FOTO STYROPORPLATTE MIT ALU FLECKEN |
Sicher hast du erkannt, dass in diesem Modellversuch jeder Metallfleck
für ein Atom steht. Die Styroporplatte ist sozusagen eine Atomlage eines
Salzkristalls. Der ganze Kristall ist aus einzelnen Atomlagen aufgebaut, die man Netzebenen nennt. Jede Netzebene hat von der darüberliegenden Netzebene den Abstand d. Wenn wir meherer Styroporplatten zu einem "Sandwich" übereinander legen, haben wir ein Modell für den Salzkristall. Die Mikrowellenstrahlung kann das Styropor durchdringen und einen Metallfleck in einer anderen Ebene erreichen. Genauso kann auch die Röntgenstrahlung zum Beispiel die erste Netzebene durchdringen und ein Atom in der zweiten Netzebene treffen. |
4.) Reflexion und Interferenz im Raum - Bragg'sche Interferenzbedingung.
Klappt die Reflexion nun auch noch für jeden beliebigen
Winkel? Eine dreidimensionale Betrachtung ist nicht nötig, es genügt, wenn wir die Interferenz an den vorderen Atomen des Kristalls betrachten. Wir lassen daher von den Netzebenen alles weg, was "nach hinten" in den Kristall hineingeht. Wir begnügen uns im Folgenden sogar nur mit den oberen beiden Netzebenen. |
Die Abbildung zeigt einen Schnitt durch die oberen zwei Netzebenen eines
Kristalls. Es kommt nun zur Interferenz von Wellen, die an der obersten Schicht entstehen (1) , mit Wellen, die in der darunter liegenden Netzebene entstanden sind (2). Nur wenn diese konstruktiv interferieren, kann es unter dem entsprechenden Winkel zu Intensität kommen. |
Im grau hinterlegten Dreieck gilt:
oder
Der gesamte Gangunterschied δges ist damit:
Statt Einfallswinkel und Ausfallswinkel zu verwenden, kann man die Beziehung
auch mit dem sogenannten Glanzwinkel φ
ausdrücken.
Dabei gilt:
Im farbig hinterlegten Dreieck ist der obere Winkel ebenfalls dieser
Glanzwinkel φ.
Die Winkelsumme im Dreieck ist 180°, an der linken Ecke ist ein rechter
Winkel, also müssen die anderen beiden Winkel (grün und blau)
zusammen 90° ergeben.
Damit gilt auch:
Man bekommt unter dem Winkel α ( bzw. φ) konstruktive
Interferenz, also Verstärkung, wenn der gesamte Gangunterschied
δges gerade ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge
λ ist.
Also gilt insgesamt:
Bragg'sche Interfenzbedingung |
Diese Beziehungen nennt man nach ihren Enteckern die Bragg'sche
Interferenzbedingung.
William Henry Bragg (1862 - 1942) und sein Sohn William Lawrence Bragg (1890
-1971) erhielten dafür 1915 den Physik-Nobelpreis.
Wikipedia: über die Bragg Bedingung
4.) Anwendung der Bragg'schen Bedingung.
Trifft Röntgenstrahlung also auf einen Einkristall aus mehreren
Netzebenen, so bekommt man wegen der Bragg'schen Reflexionsbedingung nun nicht
mehr unter jedem beliebigen Winkel ein Maximum sondern nur noch unter ganz
bestimmten Winkeln.
Kennt man die Beschleunigungsspannung der Röhre, so ist die
Wellenlänge λ damit bekannt. Man kann also durch Messung des
Winkels den Netzebenenabstand des Kristalls bestimmen und so Kristalle
untersuchen.
Umgekehrt kann man natürlich auch bei bekanntem Netzebenenabstand durch
Messung der richtigen Winkel die Wellenlänge der Röntgenstrahlung
ermitteln.
Es ging hier nur darum die Bragg'sche Bedingung plausibel zu machen und
herzuleiten. Daher wurde die Idee etwas vereinfacht. In Wirklichkeit entsteht
beim Aufprall der Elektronen auf die Anode nicht nur eine Wellenlänge
sondern ein ganzes Spektrum (Röntgenbremsstrahlung) und man kann
die Kristalluntersuchung auch mit polykristallinem Material statt
eines Einkristalls durchführen (Debye-Scherrer-Verfahren).
Wikipedia: Debye-Scherrer-Verfahren
In der Kursstufe des Gymnasiums gehören diese Themen in
Baden-Württemberg nicht zum
Pfllichtprogramm.
Diese Seite dient auch nur dazu die Bragg'sche Bedingung bei der
Röntgenbeugung herzuleiten.
Damit kann man ein Pflichtthema durch die Parallelität der Anordnungen
leichter verstehen, die sogenannte Elektronenbeugung.
elektronenbeugung.htm