Das elektrische Potenzial.


Der Begriff "Potenzial" (auch Potential) erinnert sehr stark an den Begriff "potentielle Energie", wie er uns z.B. auch in der Mechanik begegnet. Das kann sicher kein Zufall sein!

Möchtest du jemanden beeindrucken, könntest du sagen: "es liegt hier eine Isomorphie zwischen der Elektrizitätslehre und der Mechanik vor."
Weniger hochtrabend bedeutet dies, die physikalischen Strukturen beim Bewegen von Ladungen im elektrischen Feld eines Plattenkondensator (Elektrizitätslehre) und beim Bewegen einer Masse im Gravitationsfeld (Mechanik) sind die gleichen.
Wir können auf beide auch die gleichen mathematischen Beschreibungen anwenden.

Darum soll es auf dieser Seite gehen. Du hast bestimmt keine Probleme die parallelen Begriffe zu finden.

Elektrizitätslehre:

Bewegen einer Ladung im Feld eines Plattenkondensators

Mechanik:

Bewegen einer Masse im Schwerefeld der Erde

Problemstellung

Eine positive Probeladung q soll im homogenen elektrischen Feld eines Plattenkondensators verschoben werden.

Das elektrische Feld E in einem Plattenkondensator ist homogen, d.h. es hat überall dieselbe Richtung und dieselbe Stärke.

Eine Probemasse m soll im Schwerefeld der Erde angehoben werden.

Nahe der Erdoberfläche ist das Schwerefeld homogen, alle Körper fallen senkrecht nach unten, von der Abnahme des Betrags der Schwerkraft mit der Entfernung von der Erde sehen wir ab.

graphische Verdeutlichung Potenzial im el. Feld Potenzial im Schwerefeld
Nullniveau

Für energetische Betrachtungen ist es sinnvoll ein Nullniveau festzulegen.

Es ist meist der Minuspol der Spannungsquelle, der häufig auch mit dem Gehäuse verbunden ist ("Masse") und/oder auch geerdet ist. (engl. ground)
Eine solche Angabe steht z.B. auch oft als "gnd" auf Eingängen von Oszilloskopen.

Alle potentiellen Energien werden bezüglich dieses Nullniveaus angegeben.

Für energetische Betrachtungen ist es sinnvoll, ein Nullniveau festzulegen.

Es ist meist die Platte des Experimentiertisches, der Fußboden oder auch der Erdboden (engl. ground)

Alle potentiellen Energien werden bezüglich dieses Nullniveaus angegeben.

Vorgang

Im elektrischen Feld E des Plattenkondensators wird die positive Probeladung q von der negativ geladenen (und geerdeten) Platte mit einer elektrischen Kraft Fel angezogen.
Möchte man die Ladung nach oben verschieben, so benötigt man eine Bewegungskraft FB.

Wird die Ladung längs der Strecke s verschoben, so muss gegen das el. Feld Arbeit verrichtet werden.
Die Ladung erhält dadurch potentielle Energie W

Im Gravitationsfeld g der Erde wird die Probemasse m mit der Schwerkraft Fg angezogen.

Möchte man die Masse nach oben verschieben, so benötigt man eine Bewegungskraft FB.

Wird die Masse längs der Strecke h verschoben, so wird (Hub-)arbeit verrichtet.
Die Masse erhält dadurch potentielle Energie W.

Gleichungen

Potenzielle Energie Kondensator

Um von der Größe der Probeladung q unabhängig zu sein, dividiert man die potentielle Energie W durch die Probeladung q.

Damit erhält man das Potenzial

Gleichung Potenzial Kondensator

Die Bedeutung der Größe Potential werden wir nun für den elektrischen Fall noch näher untersuchen.

Potenzielle Energie Schwerefeld

Um von der Größe der Probemasse m unabhängig zu sein, dividiert man die potentielle Energie W durch die Probemasse m.

Damit erhält man das Potenzial

Gleichung Potenzial Schwerfeld

Im mechanischen Fall hat diese Größe keine große Bedeutung.

Welche Bedeutung und welche Einheit hat die Größe "Potenzial"?

Vielleicht erinnerst du dich aus der Mittelstufe noch an eine andere Bedeutung von W/q.
Dort hat man die Spannung U einer Quelle so definiert (U=W/q). Eine Quelle großer Spannung (U) gibt jedem Coulomb Ladung (Q) viel Energie (W) mit.

Das Potenzial hat also die Einheit einer Spannung - also Volt.

Wie groß ist das Potential an der oberen, positiv geladenen Platte?

Um die Ladung dorthin zu bewegen, muss sie um die Strecke d (den Plattenabstand) verschoben werden.
Das Potenzial an der oberen Platte ist also j = E*d.
Das ist aber nichts anderes als die Spannung U, die an die Platten angelegt wurde, denn es gilt ja U = E*d bzw. E = U/d

Wie groß ist das Potenzial an einem beliebigen Punkt P?

Wir setzen die Beziehung E = U/d in die Gleichung für das Potenzial ein:

Potenzial am Kondensator

Ein Beispiel:

Verlauf des Potentials im Kondensator

An den Kondensator sind U = 400 V Spannung angelegt. Der Plattenabstand beträgt d = 8 cm

Ein Punkt P, der genau in der Mitte zwischen den Kondensatorplatten liegt (s = 4 cm), hat dann bezüglich der negativ geladenen Platte (Erde) ein Potenzial von 200V.
Hat ein anderer Punkt Q die Entfernung s = 2 cm von der unteren Platte, so ist sein Potenzial 100 V.

Das Potenzial j ist also der Entfernung s proportional. Für das Beispiel bekommen wir den nebenstehenden Potenzialverlauf.


Potenziale überall!

Potenzial bei einem elektrischen Leiter (Draht).

Potenzial bei einem Leiter

Bei einem Draht ist der elektrische Widerstand R proportional zur Drahtlänge (obere Skizze).

Die untere Skizze ist eine Ersatzdarstellung mit Teilwiderständen. An den Teilwiderständen sind Teilspannungen messbar.

Als Spannung sei an den Draht z.B. 4 V angelegt.

Für den Fall, dass man gerade in der Drahtmitte (in P) abgreift, ist in der Ersatzdarstellung R1 = R2 , d.h. die Teilspannungen an R1 und an R2 sind jeweils 2 V.

Man kann auch sagen, das Potenzial des Punktes P (bezüglich Erde links am Draht) ist 2 V. Im Punkt Q ist es 1V, im Punkt S ergibt sich 3V.

Die obere Schaltung nennt man übrigens auch "Potentiometer" und in dem Wort steckt "Potenzial" (auch Potential geschrieben) auch schon mit drin!


Vergleich: Potenzial beim Leiter - Potenzial beim Kondensator.

Vergleich: Leiter - Kondensator

Sicher hast du die Parallele zwischen dem Potenzial beim Draht und beim Plattenkondensator bemerkt!

Beim Leiter ist das Potenzial zur Länge l vom Nullniveau zum Abgriffpunkt proportional.
Beim Kondensator ist das Potenzial dem Abstand s von der linken Platte (Nullniveau) zum "Abgriffpunkt" proportional.

Der einzige Unterschied ist, dass es beim Leiter "echte" Abgriffpunkte gibt, wo man tatsächlich auch Spannungen messen kann, beim Kondensator endet der Abgriffpunkt in der Luft - hier kann nichts gemessen werden.


Schaltpläne geben Potenziale an.

Auszug aus einem Schaltplan

In Schaltplänen (vgl. Bild links) werden ebenfalls Potenziale (hier rot unterstrichen) angegeben.

Der Bezugspunkt ist auch hier "Erde" oder der Minuspol der Schaltung (ground). Mit diesem Punkt wird ein Anschluss des Voltmeters fest verbunden.
Am anderen Anschluss ist eine Testspitze angeschlossen, mit der man an den Messpunkten auf der Platine die Potenziale abtastet.

Stimmen diese nicht mit den Angaben im Schaltbild überein, ist in dem Bereich ein Defekt. So kann der Techniker die Fehlerstelle schnell eingrenzen.


Grüninger, Landesbildungsserver 2006