Der Hall-Effekt


1) Kraft auf Elektronen in einem Leiterstück.

Die Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter ist die Summe aller Lorentzkräfte, die auf alle bewegten Elektronen im Draht wirken.

Lorentzkraft auf Elektronen im Leiter

Bewegen sich die Elektronen nach rechts, und das Magnetfeld B zeigt in die Zeichenebene hinein, dann weisen die Lorentzkräfte FL auf die einzelnen Elektronen nach unten. (Drei-Finger-Regel der linken Hand).
Durch diese vielen kleinen, gleichgerichteten Kräfte bewegt sich dann der ganze Draht in diese Richtung!


2) Einfach genial - genial einfach!

Der Amerikaner Edwin Hall stellte 1879 eine naheliegende, aber geniale Überlegung an:

wenn die Elektronen eine Kraft nach unten erfahren, dann müssten sich doch am unteren Ende des Leiterstücks Elektronen ansammeln und sie müssten am oberen Ende des Leiterstücks fehlen; mit anderen Worten, es müsste eine Ladungstrennung in vertikaler Richtung erfolgen.

Dann muss sich in vertikaler Richtung ein elektrisches Feld ergeben und man müsste zwischen dem oberen und dem unteren Ende des Leiters eine Spannung messen können!
Hall gelang es diese Spannung tatsächlich an einer dünnen, hohen Goldfolie nachzuweisen.
Man nennt die auftretende Spannung nach ihm - die Hall-Spannung UH .

Hall-Effekt

Durch die Lorentzkraft sammeln sich die Elektronen am unteren Ende des Leiters, oben entsteht ein Überschuss positiver Ladung.
Das obere und das untere Ende des Leiters wirkt dann wie ein geladener "Kondensator".

Nachfolgende Elektronen erfahren daher auch eine elektrische Feldkraft nach oben.
Zwischen dieser Feldkraft Fel und der Lorentzkraft FL stellt sich ein Kräftegleichgewicht ein.

Warum muss das so sein?

a) Wäre die Lorentzkraft größer als die elektrische Kraft, so würden nachfolgende Elektronen nach unten bewegt, es würde zu einer verstärkten Ladungstrennung kommen.
Damit würde aber die elektrische Feldstärke zwischen dem unteren und dem oberen Ende ebenfalls zunehmen und die elektrische Feldkraft anwachsen.

b) Wäre die Lorentzkraft kleiner als die elektrische Kraft , so würden nachfolgende Elektronen nach oben bewegt, sie würden die dort vorhandene positive Ladung neutralisieren, mit der Folge, dass die elektrische Feldstärke abnimmt und damit die elektrische Feldkraft ebenfalls kleiner wird.

Es muss sich also ein Kräftegleichgewicht einstellen:

Lorentzkraft = elektrische Kraft
e * v * B = e * E
e * v * B = e * U / d

Die Elementarladung e kürzt sich heraus und es folgt für die zu messende Hall-Spannung UH :

Gleichung Hall-Effekt


3) Einfach und doch schwierig!

Der Hall-Effekt bietet eine tolle Möglichkeit, die Stärke von Magnetfeldern einfach und elegant zu messen, denn die Hallspannung UH ist proportional zur Stärke des Feldes B .

  • Wie groß sind die Hall-Spannungen, die wir erwarten dürfen?
  • Wie groß ist die Geschwindigkeit von Elektronen in Drähten etwa?
  • Wovon hängt sie ab?

In normalen Metalldrähten bewegen sich Elektronen nur sehr langsam. Die Größenordnung der sogenannten Driftgeschwindigkeit ist etwa 1/10 mm / s!
Liegt d in der Größenordnung von Zentimetern und haben die Felder eine Stärke von etwa 1 T, dann liegen die Spannungen - also im Millivolt Bereich.

Zu Halls Zeiten gab es noch keine Elektronenröhre (sie wurde erst um 1900 erfunden) und keinen Transistor (erfunden 1948), er kannte also auch noch keinen Messverstärker.
Diese kleinen Spannungen nachzuweisen war für die damalige Zeit schon eine Leistung.

Warum Elektronen in Drähten so langsam sind, erfährst Du auf der Seite Wie schnell sind Elektronen in Drähten?


4) Schnellere Elektronen - größere Hallspannungen.

Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten die Geschwindigkeit der Elektronen zu erhöhen:

  • Man kann die Stromstärke erhöhen - das geht aber nur begrenzt.
    Außerdem wird der Draht dabei warm und die brownsche Molekularbewegung bremst die Elektronen wieder ab.

  • Man kann die Zahl der freien Elektronen / die Elektronendichte verringern.

Betrachte als Modell für die zweite Möglichkeit den Verkehr auf einer Autobahn. Die Fahrzeuge entsprechen den Elektronen:
Ist die Verkehrsdichte groß, dann geht es nur mäßig schnell voran.
Bei geringer Verkehrsdichte kann hingegen auch sehr schnell gefahren werden.

Ebenso kann die Driftgeschwindigkeit v erhöht werden, wenn man die Elektronendichte verringert.

Wie bekommt man eine kleine Elektronendichte?

Struktur im Silizium

Metalle haben zu viele freie Elektronen je Atom im Draht, hier ist die Elektronendichte zu groß.

Nichtleiter sind nicht geeignet, denn sie haben praktisch gar keine freien Elektronen.

Halbleiter sind ideal, bei ihnen gibt es freie Elektronen, aber im Vergleich zur Zahl der Atome nur relativ wenige, die Elektronendichte ist klein (vgl. "blaue" Elektronen in der Skizze).

Vergleiche zum Thema auch die Seite über Eigenleitung in Halbleitern auf dem Landesbildungsserver.

{short description of image} Das Foto zeigt ein Halbleiterplättchen zur Messung des Hall-Effekts. Gegenüber der Skizze oben ist die Anordnung um 90° gedreht: die Elektronen bewegen sich von oben nach unten, die Hallspannung kann an den Buchsen Hv (links und rechts) abgenommen werden. Sie liegt - je nach Magnetfeld - im Bereich Millivolt bis Volt, so dass man sie direkt und ohne Verstärkung mit einem hochohmigen Multimeter messen kann. (Quelle: Conatex-Didactic)

Klaus-Dieter Grüninger, Landesbildungsserver