Caplutta Sogn Benedetg

Unterstützungs- und Ergänzungsmaterial zum Schwerpunktthema Material-Form-Raum

Caplutta Sogn Benedetg, Sumvitg

Graubünden 1985-1988

Die Kapelle ersetzte eine zerstörte Barockkapelle, die von einer Lawine zerstört wurde.

Außenansicht von Süden

Außenansicht von Osten

 

Ruine

 

Innenraum

 

Peter Zumthor setzt bei diesem Bauwerk auf einen sensiblen Zusammenklang der Materialien. Er bezieht sich dabei auch auf die ortstypischen Materialien wie Holz und Holzschindeln. Das Konzept der Kapelle ist in der Tradition der Ortsbilder angelegt und verweist auf die traditionellen Holzhäuser der Region. Das Material Holz ist für Peter Zumthor lebendiger als Stein. Holz, als natürlicher Rohstoff, verändert sich und je nach Witterungseinfluss verfärbt es sich, wird spröde, beginnt sich zu zersetzten oder wird von Moss überwuchert.  

An der Kapelle Sogn Benegetg ist auf der Sonnenseite das Holz dunkler. Hingegen verfärbt sich das Holz auf der sonnenabgewandte Seite silbergraue. Ähnliche Veränderungen findet man auch an den Holzhäusern im Ort.

Die Außenhaut der Kapelle ist mit Lärchenschindeln verblendet und fügt sich somit harmonisch in die ortstypische Bebauung ein, obwohl die Grundform der Kapelle sich stark von der traditionellen Bauweise unterscheidet. Sie wird zum selbstverständlichen Teil ihrer Umgebung. Der mit Lärchenschindeln ummantelte Baukörper erinnert an ein Boot. Laut Peter Zumthor steht das Boot für eine "gewisse Reise". Neben der Assoziation an ein Boot, erinnert der Grundriss an ein Blatt oder Tropfen, jedoch weicher und fließender. Die natürliche Verfärbung des Holzes an der Außenfassade steht im Kontrast zum Innenraum. Hier strahl Holz eine gewisse Wärme aus. Die Kapelle wirkt somit wie ein weiches, mütterliches "Gefäß" bzw. Körper. Der Innenraum ist ein Zentralraum ohne Nebengelasse.

Zumthor setzt hier einen Kontrapunkt zum traditionelle Kirchenbau. Er hinterfragt die klassisch belehrende Kirche.

Traditionell: Räume oft rechtwinklig bestimmt – dominierende und kreuzende Bauachsen – herrschend männlich

Kapelle Sogn Benedetg: bergend; weiblich „forma materna“ - Bild der Mutter Kirche

Die Stützen der Wand erinnern an Spanken, vor silber leuchtender Wand. Diese silberne Wand entzieht sich förmlich dem irdischen und der Raum verliert durch die silbernen Wandflächen seine Konturen. Die Wandfläche scheint sich aufzulösen. In den silbernen Wänden spiegelt sich zudem das einfallende Licht, welches leicht gefiltert durch den Lichtkranz ins Innere gelangt. Ein Zusammenklang von Materialien und Licht (oben verlaufender Fensterkranz), gebrochen durch feine Lamellen, bilden eine gestalterische Ganzheit.

Die Einheit von Stützen und Dach wirkt wie ein Baldachin, der den Innenraum überspannt. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man den Raum als Ganzes denkt und wahrnimmt. Die Außenform verdeutlicht dem Besucher vor dem Betreten der Kapelle den gesamten Innenraum und beweist wiederum den ganzheitlichen Ansatz.

Ausgerichtet ist der Raum von Westen nach Osten. Es entsteht eine Art perspektivischer Sog. Die Idee der Gestaltung besteht in einer atmosphärischen Kirche mit beherrschenden geometrischen Formen (Quadrat, Kreis oder Rechteck). Die Grundform ist die Hälfte einer Lemniskate.

Die Kapelle besticht durch ihre architektonische Klarheit und konstruktiv-präzise Einfachheit. Der Glockenturm erinnert an eine Himmelsleiter.

Die Stufen der Intimität am Zugang zur Kirche und im Innenraum schaffen eine intensive Erfahrung der sakralen Atmosphäre. Wer die Kapelle betritt, verlässt den festen Grund und steigt in den hölzernen Körper. Auch an der Treppe selbst lässt sich dieser Übergang beobachten: Ein schmaler Spalt trennt die Treppe vom Kirchengebäude. 

 

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