Feldkapelle Bruder Klaus

Unterstützungs- und Ergänzungsmaterial zum Schwerpunktthema Material-Form-Raum

Feldkapelle Bruder Klaus, Wachendorf, 2005 bis 2007

In Wachendorf-Mechernich (Eifel) baute Peter Zumthor für die Landwirtsfamilie Scheidtweiler diese Kapelle.  Die Planungen und Vorbereitungen zogen sich über mehrere Jahre hin.

Äußere Erscheinung

Die monolithische Hülle aus Stampfbeton ohne Eisenarmierung ist in Lagen von 50 cm über 24 Tagwerke (Oktober 2005 – September 2006) errichtet wurden. (Tagwerke sind Bauabschnitte. An einem Arbeitstag konnte eine Stampfbetonschicht von ca. 50 cm eingebracht werden. Anschließend musste der Beton abbinden und aushärten, bevor die nächste Schicht aufgetragen werden konnte. - Das nächste Tagwerk)

Die Außenwände sind reine Flächen mit klar konturierten Kanten.  Die Tagwerke sind an der Außenwand gut ablesbar. Somit kann das ereignishafte und prozesshafte des Bauens gut nachvollzogen werden. Es ergibt sich eine horizontale Gliederung. Die Unterteilung ist in keiner Weise dekorativ zu verstehen, vielmehr korrespondiert die Fassade mit der leichten Hügellandschaft der Eifel und verortet sich im Raum. 

Die Spuren der Bearbeitung blieben erhalten. Peter Zumthor spricht von der „Magie des Realen“.

Eine zeltförmige Konstruktion aus 112 Fichtenstämmen auf einer Beton-Fundamentplatte schafft Platz für den Innenraum. Die Konstruktion wurde mit Stampfbeton ummantelt. In einem dreiwöchiges Mottfeuer (Köhlerverfahren) wurden die Stämme verkohlt. Anschließend hat man die Reste entfernt. Die Abdrücke der Stämme blieben erhalten.

Es entstand ein Bauwerk, dass einen neuen Orientierungspunkt in der leicht hügeligen Landschaft darstellt. Die Kapelle ragt zwölf  Meter in die Höhe und hat einen asymmetrischen,  fünfeckiger Grundriss. Das Innere bleibt verborgen. Bis auf die dreieckige schwere Tür und die Oberlichtöffnung ist das Gebäude fensterlos.

Die Materialwirkung hat durch seine raue Erscheinung eine starke Präsenz. Die Oberfläche unterstützt den monolithischen Charakter der Kapelle. Es entsteht eine "sinnstiftende Qualität“ (vgl. Peter Zumthor). 

Die Materialien behalten ihre Identität/ihr Sein und strahlen eine eigene Präsenz aus. Sie wurden überwiegend in der Region gewonnen.

(Flusskies (rötlich-gelber Sand) direkt vor Ort, weißer Zement, Fichtenstämme aus dem nahegelegenem Wald)

Innen

Die geschwärzte Innenhaut (durch das Schwelfeuer) und die konkaven Abdrücke der Stämme bleiben dauerhaft erhalten. Gleichzeitig verströmen die Wände noch heute einen leichten Brandgeruch. Mit 350 mundgeblasenen Glaspfropfen wurden die Bundöffnungen, die zur konstruktiven Verbindung der Stämme dienten, verschlossen. Sie bilden nun schimmernde Lichtpunkte im dunklen Inneren der Kapelle. Es gibt nur noch eine weitere Lichtquelle. Der Raum ist nach oben offen. Durch eine Art Opaion fällt Licht in das Dunkel des Raums. Dieses, an den Wänden scheinbar herab fließende Licht, verstärkt das Raumdunkel. 

Der Fußboden besteht aus Bleizinn. Dieses Material wurde vor Ort erhitzt und mit einer Schöpfkelle per Hand verteilt. Im Ort Mechernich wurde seit dem 14. Jahrhundert (ab 1394 nachweislich) Bergbau zur Bleigewinnung betrieben. Auch hier finden wir den regionalen Materialbezug bei Zumthor. Die Fußbodenstruktur des Fliesens und die Unregelmäßigkeiten (leichte Erhebungen und Senken), die durch die Verteilung per Kelle entstanden, haben etwas Lebendiges und Naturbelassenes. Mit den Füßen spürt man die Unebenheiten im Boden. Direkt unter dem Oberlicht befindet sich eine Senke, in der sich Regenwasser und Schnee sammelt.

Im Inneren der Kapelle  lassen sich Assoziationen zu den vier antiken Elementen bilden:

• Stampfbeton aus heimischer Erde => Erde

• Schwelfeuer => Feuer

• Luft -und Lichtöffnung durch Opaion => Luft

• Regenwasser, das sich in Pfütze sammelt => Wasser

Die Materialien wirken urtümlich und elementar.

Emotionale Raumerfahrung 

Die Augen folgen dem Licht nach oben. Es entsteht eine transzendente Raumerfahrung. Gleichzeitig tastet der Körper über den Fußboden, der uneben ist und manchmal Pfützen hat. Es wird eine Konzentriertheit und Intensität der Andacht erzeugt. Gedanken an eine Einsiedlerhütte (Einsamkeit, Stille, Abgeschiedenheit) entstehen. Dazu trägt auch der Geruch des verkohlten Holzes bei. Der Charakter des Schweizer Nationalheiligen Bruder Klaus, des Eremiten Nikolaus von der Flüe, wird spürbar. Dieser Ort lädt zur Meditation und zur stillen Versenkung ein. Der Innenraum mit seiner Zeltstruktur, die Wand mit den geprägten Hohlformen der verbrannten Stämme, die Spuren von Ruß und die raue Körperhaftigkeit aus Beton und Bleizinn auf dem Boden mit unregelmäßigen Fließstrukturen erzeugen eine starke atmosphärische Wirkung. Der Eindruck einer Höhle mit gewundenem kanalartigem Zugang entsteht. Im Inneren tritt man in die Offenheit, die durch das Option erzeugt wird. Das Transzendentale eröffnet sich. Das Gefühl der versöhnlichen Hingabe und nicht der Befangenheit drängt sich dem Besucher auf. Man fühlt sich geborgen und beschützt.