Therme Vals

Unterstützungs- und Ergänzungsmaterial zum Schwerpunktthema Material-Form-Raum

Therme Vals, Graubünden, 1990-1996

Die Bauaufgabe und das Konzept

Ursprünglich war an der Quelle ein kleines Kurhaus erbaut (1893). In den 60-er Jahre des letzten Jh. entstand eine neue Thermalbad-Anlage im Stil der 50-er Jahren. Dieses Bad wurde schon bald zu klein. Es kam zu einer neuen Ausschreibung und Peter Zumthor erhielt den Zuschlag.

 

Zumthor baut einen Solitärbau in der Südwestecke der bestehenden Hotelanlage.

„Flanke des Berges verzahnter Steinkörper“

Durch einen unterirdischen Verbindungsgang vom Hotel gelangen die Hotelgäste direkt zur Therme. Die monolithische Gesamtwirkung vermittelt ein Gefühl, als sei das Bauwerk schon immer in dieser Landschaft gewesen.

Die zentrale Idee der Bauaufgabe ist die Verbindung von Berg, Stein und Wasser. Ein Bauen im Stein, förmlich in den Berg hinein gehauen und im Berg drinnen sein.

Während des Entwurfsprozesses war für Peter Zumthor das spielerische Entdecken sinnlicher und sensueller Aspekte sehr wichtig. Die Dunkelheit und das Licht, die Lichtreflexe auf dem Wasser, die dampfgesättigte Luft, die Geräusche des Wassers in einer Umgebung von Stein, sind sinnliche Erfahrungen, die für den Architekten während der Planung schon einen zentralen Raum einnahmen.

Ebenso sind sinnliche Erfahrungen der Besucher sehr wesentlich. Beispielsweise der warme Stein auf nackter Haut.

Das rituelle Bad wird in vielen Kulturen gepflegt. Auch in der Geschichte lassen sich Bäder mit ritueller Funktion finden. Peter Zumthor nimmt diesen Ansatz auf und überträgt ihn auf die Therme Vals. Analogien an die Tradition der römischen und orientalischen Badekulturen sind zu finden. Eine entspannte Reinigung des Körpers steht im Vordergrund. Zumthor wendet sich bewusst gegen ein Spaß- und Erlebnisbad. Er möchte kein Bad als Jahrmarkt der technischen Wasserspiele, sondern die Stille und die primäre Erfahrungen des Badens gestalten. 

Der bewusste Einsatz ausgewählter Materialien wird in der Therme Vals erfahrbar. Das Material bringt das Gebäude zum sprechen. In Vals wird der Valser Quarzit (Gneis) abgebaut. Zumthor nutzt dieses Material und schafft damit einen Bauköper, der scheinbar in den Berg hinein führt und gleichzeitig aus ihm heraus wächst. Es entsteht eine unverwechselbare materielle Präsenz. Der Raum entsteht hier durch das zusammenfügen von Materialien. Die Materialien Wasser und Stein sind bei Zumthor zwei primäre Materialien mit „gegenseitig aufladender Energie“, die einen kraftvollen atmosphärischen Körper entstehen lassen. Erste Entwürfe zu Vals sahen riesige, ausgehöhlte Steinböcke vor. Diese Idee war letztendlich nicht realisierbar.

Die monolithische Wirkung wird durch das Fugenbild geschaffen, welches ein homogenes Erscheinungsbild hat. Das Fugenbild basiert auf dem Prinzip der lagenhaften Schichtungen von dünnen Steinplatten, dem Valser Verbundmauerwerk. Die Steinplatten, in drei unterschiedlichen Höhen (31, 47, 63 mm), bilden die Grundlage des Verbundmauerwerkes. Mit diesem Mauerwerk werden die Betonblöcke verblendet. Die Schichthöhen durchziehen das gesamte Bild von unten nach oben, Lage um Lage.  Das Resultat ist eine homogene, ruhige und atmosphärische Raumwirkung. In der Reflexion des Lichtes entsteht ein sanftes Schwingen. Die Haptik und die Optik des Gesteins spielen ineinander.

 

„Liebesbeziehung von Stein und Wasser“

Das Thermalwasser erfüllt die Räume mit Leben und Klängen. Wasser wird vielfältig erlebbar. Der Klang des Raumes ist eine weitere atmosphärische Qualität. Sie wirken beruhigend, die Geräusche des tropfenden, fallenden und plätschernden Wassers. Es gibt langsame und beschleunigende Bewegungen. 

Eine Besonderheit der Therme Vals steht im Kontext des aus der Stille heraus Denkens. Es ist der bewußte Gegenpol zur lärmenden Welt. Der Besucher soll zur Ruhe kommen. Er soll sinnlich sensibilisiert werden. Neben dem Hören ist auch das leibliche Spüren atmosphärisch durch die Temperatur des Raumes wahrnehmbar. Die Temperaturen sind physisch und psychisch erlebbar. Eine ganzheitliche Wahrnehmung und Konzentration kann erzeugt werden.

Das Wasser kommt mit 29°C aus der Quelle hinter der Therme auf einer Höhe von 1200 Meter im Talkessel an. Es wird in verschiedene Becken geleitet. Für das Feuerbad wird es auf 42°C erwärmt. Für andere Becken wird es, teilweise unter Zugabe von Frischwasser, abgekühlt oder im Dampfbad verdampft. Als Besucher erlebt man das Wasser in verschiedenen Temperaturen und räumlichen Situationen, im Hellen, im Dunklen oder in der Landschaft.

Im Inneren der Therme sickert Licht durch schmale Schlitze und durch Fugen, die in den Deckenplatten freigelassen wurden. An anderen Orten im Bad fluten Tageslicht und Landschaftsbilder durch sehr große Fenster. Der Stein und die Wandflächen werden durch das wechselnde Licht der Tages- und Jahreszeiten sinnlich betont. Das Erlebnis der Therme erfasst alle Sinne gleichermaßen.

 

Form, Konstruktion und Konzept

Die Steinstruktur des Bades besteht aus großen Blöcken aus Beton in der Art eines geometrischen Höhlensystems. Dazwischen entsteht ein mäandernder kontinuierlicher Innenraum.

Auf der Bergseite befinden sich enge Kavernen, die sich nach außen immer mehr vergrößern. Am vorderen Rand des Gebäudes verändert sich die Wahrnehmung des Besuchers. Der Außenraum dringt in die großen Öffnungen des Gebäudes ein und verbindet sich mit dem Höhlensystem der Kavernen. Das Gebäude als Ganzes erscheint als großer, poröser Stein. 

Die Statik besteht aus der Verbundkonstruktion aus geschichteten Steinplatten und armiertem Beton.

„Valser Verbundmauerwerk“

Der optische Eindruck, welcher durch das Verbundmauerwerk entsteht, ist das Bild eines Monolith.

Die Therme bestehen aus 15 großen Blöcken, auch „Tische“ genannt, in einem geometrischen Muster – locker gesetztes Grundmuster mit einer bewussten Abfolgeregie. 

Bei der Nutzung der Räume bedarf es einer gewissen Intimität, um die ganzheitlichen Empfindungen wahrnehmen zu können.

Die einzelnen Bäder sind bestimmten Nutzungen und Stimmungen zugeordnet. Die Funktion gibt den Räumen ihren speziellen Namen.

  • Schwitzstein
  • Duschstein
  • Massageblok
  • Trinkstein
  • Ruheraum
  • Feuerbad
  • Blütenbad
  • Kaltbad
  • Klangstein

Raum und Licht

Wichtige Qualitäten der atmosphärischen Dimensionen der Architektur sind, folgt man Peter Zumthor, das Licht und die Schattenmassen. Schon während des Entwurfes wurden die Schattenmassen immer mit berücksichtigt. Der Aushöhlungsprozess musste die Lichter einsickern lassen. Darüber hinaus sollte die Lichtinszenierung die Materialien und die Oberflächen bewusst zur Geltung bringen. Die Lichtreflexionen der Materialien und der Oberflächen lassen sinnliche Erfahrung entstehen. Dementsprechend findet man in der Therme Vals einige Bereiche, in denen nur schwach erhelltes Dunkel vorherrscht, beispielsweise im Dampfbad. Die Wärmesteine sind schwarz polierte Quader, die in dezentes Oberlicht getaucht sind. Der Wasserdampf verbindet Raum und Stein zu einer einhüllenden Einheit, die mit allen Sinnen erlebt werden kann.

In die Haupträume dringt Licht durch Fugen zwischen den Blöcken ein. Das Licht fällt auf die Wände und verstärkt die materielle Präsenz. Nirgends findet der Besucher ganz helle oder ganz dunkele Räume. Es bleibt immer eine gewisse Offenheit. Die Grenzen des Raumes scheinen im Ungefähren zu liegen. Das eigene Fühlen und die individuelle Körperlichkeit stehen im Zentrum der Wahrnehmung. Der Raum und die Zeit werden eins, bedingt auch durch das Fehlen jeglicher Uhren.

Der Einsatz der reduzierten Formen ist kein Selbstzweck, vielmehr dient er einer sensiblen Gefühlsstimmigkeit.