Arbeitsblatt: Der Erlass des Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 n. Chr.

Der Erlass, mit dem Kaiser Konstantin im Jahr 321 den Kölner Juden den Zugang zum Stadtrat öffnete, ist das erste Zeugnis jüdischen Lebens auf deutschem Boden.

Die Bedeutung des Erlasses

Im Jahr 2021 wird in Deutschland 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert. Dieses Datum errechnet sich aus der ersten Erwähnung einer jüdischen Gemeinde auf deutschem Boden. Der Text, in dem diese Gemeinde erwähnt wird, ist ein Erlass, der in einer spätantiken Gesetzessammlung zu finden ist, dem Codex Theodosianus (Wikipedia).

Der Erlass, mit dem Kaiser Konstantin im Jahr 321 den Kölner Juden den Zugang zum Stadtrat öffnete, ist das erste Zeugnis jüdischen Lebens auf deutschem Boden.

Voraussetzungen für das Verständnis des Erlasses

Dem Erlass des Kaisers, der den Juden einen Zugang zur Stadtverwaltung öffnete, muss eine Anfrage der Ratsherren vorausgegangen sein. Das kann man aus der Einleitung erschließen. Dort heißt es decurionibus Agrippiniensibus (Dativ), also „an die Kölner Ratsherren“. Ein solches Schreiben an eine bestimmte Gruppe von Amtsträgern ergibt nur dann einen Sinn – bzw. war nur dann üblich – wenn vorher von dieser Gruppe eine Anfrage an den kaiserlichen Hof gerichtet worden war. Die Frage, welche die Kölner Ratsherren gestellt haben, muss wohl etwa so gelautet haben:

Uns fehlen in Köln Ratsherren – dürfen wir jetzt auch Männer aus der jüdischen Gemeinde in die Stadtverwaltung (ordoWas ist unter ordo zu verstehen?Ursprünglich war ōrdō eine Bezeichnung für einen gesellschaftlichen Stand, dann auch für den Senat von Rom. Diese Bedeutung wird hier auf alle Stadträte (im Sinne von Stadtrat als Gremium, also Stadtverwaltungen) übertragen.) berufen?

Man darf sich das nicht so vorstellen, dass die Kandidaten für den Stadtrat sich wie in einem heutigen Wahlkampf um die Mitgliedschaft im Stadtrat bewarben. Vielmehr bedeutete die Mitgliedschaft im ordo der Stadtverwaltung nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Last, denn die Stadträte mussten nicht nur ein bestimmtes Vermögen vorweisen, sondern sie mussten auch eine bestimmte Summe bezahlen. Werner Eck (QuelleQuellenangaEck, Werner (2011): Spurensuche: Juden im römischen Köln. In: Beiträge zur rheinisch-jüdischen Geschichte. Eine Schriftenreihe, Hg. von der Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in NRW e.V., Heft 1.2011, online bei Miqua-Freunde.koeln oder über die Downloadseite UND Eck, Werner (2017): Die Teilnahme von Juden am politisch-administrativem Leben der Selbstverwaltungsgemeinden im Westen des römischen Reiches und der Konstantinische Erlass von 321 für die CCAA (= Köln). In: Görge K. Hasselhoff, Meret Strothmann: „Religio licita?“ Rom und die Juden. (Studia Judaica 84), Berlin, Boston, S. 203 - 221.) schätzt aus dem Vergleich mit anderen Städten, dass einige Tausend Denare zu bezahlen waren, wobei der Jahressold eines Soldaten zu dieser Zeit 1800 Denare betrug.
Aus diesen Zahlen kann man auch erschließen, dass es in den jüdischen Gemeinden Menschen gegeben haben muss, die begütert genug waren, um diese Summen aufbringen zu können.

In dem Erlass kommt das Wort privilegium vor, das tatsächlich mit „Privileg“ übersetzt werden kann. Das Privileg, das die Juden erhielten, bestand aber nicht darin, in die Stadtverwaltung zugelassen zu werden, sondern vielmehr darin, dass nur einige von ihnen diesem Ruf folgen mussten.

Lateinischer Text des Erlasses und Übersetzungshinweise

Eine Übersetzung steht in dem online verfügbaren Text von Werner Eck bereit (Juden im römischen Köln).

 

 

Idem AWas bedeutet die Abkürzung A.?A. ist Abkürzung für (Constantinus) Augustus.. decurionibus Agrippiniensibus.

Cunctis ordinibus generali lege concedimus Iudaeos vocari ad curiam.

idem: derselbe (wie in den voraufgehenden Erlassen Codex Theodosianus 16.1. – 16.7.)
Gemeint ist Kaiser Konstantin.

decuriōnes AgrippiniēnsesWoher kommt Agrippinienses?Agrippinienses: der römische Name für Köln lautete Colonia Claudia Ara Agrippiniensium: die Kölner Ratsherren. Der Dativ ist mit „an die Kölner Ratsherren“ zu übersetzen.

ōrdō, ōrdinis, m.: die städtische Ratsversammlung (siehe oben, Voraussetzungen...)

generālis, generāle: allgemein

generali lege: es geht also nicht um ein Gesetz, das nur auf diese eine Stadt bezogen ist, sondern um ein Gesetz für alle Stadträte aller Städte im römischen Reich. Daher kann man aus diesem Gesetz auch allgemeine Schlüsse darauf ziehen, wie der Kaiser zu den Juden stand.

Verum ut aliquid ipsis ad solacium pristinae observationis relinquatur, binos vel ternos privilegio perpeti patimur nullis nominationibus occupari.

Dat. iii id. DecDatumsangabeiii id. Dec: 11. Dezember (des Jahres 321). Crispo ii et ConstantinoCrispus et ConstantinusCrispus et Constantinus waren Söhne Kaiser Konstantins, die im Jahr 321 zum zweiten Mal Konsul waren. cc = Caesaribus consulibus - Caesares war der Amtstitel der Kaiser 2. Ordnung. Die Söhne Konstantins waren Caesares, während Konstantin selbst den Titel Augustus trug. Auch noch in der Spätantike wurden Jahreszahlen durch die Benennung der Konsuln des betreffenden Jahres angegeben. ii ccWas bedeutet die Abkürzung cc?cc: Abkürzung für Caesaribus consulibus..

ipsis: gemeint sind die Juden. Ergänze also Iudaeis.

sōlācium: der Trost

prīstinus, prīstina, prīstinum: ehemalig, früher

solacium … pristinae observationis: Die vorangehende Erläuterung zu den Gebühren, die die Stadträte aufbringen mussten, macht deutlich, wieso man eher getröstet als beglückwünscht werden musste, wenn man einen Zugang zum Stadtrat bekam.

observātiō, observātiōnis, f.: die Regelung

bīnī: / ternī: je zwei / je drei

perpes, perpetīs: dauernd (fast nur spätlateinisch verwendet; im klassischen Latein: perpetuus)

pati, patior, passus sum: gestatten

nōminātiō, nōminātiōnis, f.: die Ernennung, die Nominierung

occupare: in Anspruch nehmen

Dat.: datum, d. .h „erlassen, verkündet“

 

Quellen für die Erläuterungen:

  • Eck, Werner (2011): Spurensuche: Juden im römischen Köln. In: Beiträge zur rheinisch-jüdischen Geschichte. Eine Schriftenreihe, Hg. von der Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in NRW e.V., Heft 1.2011, online bei Miqua-Freunde.koeln oder über die Downloadseite.
  • Eck, Werner (2017): Die Teilnahme von Juden am politisch-administrativem Leben der Selbstverwaltungsgemeinden im Westen des römischen Reiches und der Konstantinische Erlass von 321 für die CCAA (= Köln). In: Görge K. Hasselhoff, Meret Strothmann: „Religio licita?“ Rom und die Juden. (Studia Judaica 84), Berlin, Boston, S. 203 - 221.
  • Hasselhoff, Görge K.; Strothmann, Meret (2017): „Religio licita?“ Rom und die Juden. (Studia Judaica 84), Berlin, Boston.

Aufgaben

  1. Kaiser Konstantin: Verwende die Tabelle zur römischen Geschichte, um dich über Konstantin und seine Zeit zu informieren.
  2. Übersetze den Text. Prüfe deine Übersetzung anhand anderer Übersetzungen. Eine findest du z. B. in dem oben verlinkten Text von Werner Eck (2011) auf S. 6.
  3. Werner Eck stellt fest, dass es keine einzige weitere Quelle für die Existenz von jüdischen Gemeinden im Gebiet des heutigen Deutschlands aus der Antike gibt. Schließe hieraus auf die Bedeutung des vorliegenden Dokuments.
  4. Fasse deine Beobachtungen zusammen. So kannst du vorgehen:
    1. Wenn ihr in der Klasse mit einem Moodle-Wiki arbeitet, könnt ihr eure Ergebnisse dort eintragen.
    2. Für die Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Arbeitsblattes eignet sich auch ein Lernplakat, in dessen Zentrum der lateinische Text mit einer Übersetzung steht; an diesen Text fügst du dann mit Pfeilen oder anderen Symbolen einzelne Erläuterungen hinzu.

Weitere Quellen

  • Es gibt eine Bibliographie zur Unterrichtseinheit.
  • Codex Theodosianus: Text nach der Latin Library. Der lateinische Textdes Erlasses ist auch in den Aufsätzen von Werner Eck enthalten.

Weiterarbeit

Zur Eingangsseite der Unterrichtseinheit Kaiser Konstantins Erlass aus dem Jahr 321 und das jüdische Leben im römischen Reich


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Stand Juni 2021


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