"Hidden Atlantic": Transatlantischer Menschenhandel im 19. Jahrhundert
Sklaverei wird in den Schulbüchern üblicherweise unter den Vorzeichen der Antike und des amerikanischen Bürgerkriegs unterrichtet. In der Antike dient die Sklaverei als Signum der fehlenden "Modernität", bei der Behandlung der amerikanischen Geschichte wird die Sklaverei entweder als Dreh- und Angelpunkt des Konflikts zwischen Union und Konföderierten dargestellt oder sogar als Auslöser und Ursachen des Bürgerkriegs. In der Bewertung der Sklaverei ist man sich aus heutiger Sicht völlig einig: menschenunwürdig und ausbeuterisch, ein Zeichen fehlender Modernität und - im Falle der Südstaaten - nicht zuletzt ein Grund für die Niederlage im Bürgerkrieg. Bekannt sind auch die Landkarten vom transatlantischen "Dreieckshandel", bei dem Perlen und billiger Ramsch in Afrika gegen Sklaven und diese wiederum gegen Rohstoffe und Halbfertigwaren aus Amerika gehandelt werden.
Befreite Sklaven (1857)
Slaves liberated from Slaver "Zeldina", Jamaica. JPEG.
Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database.
accessed November 20, 2013
Tatsächlich ist Sklaverei ein viel kontinuierlicheres Phänomen: Das ganze Mittelalter und die frühe Neuzeit waren geprägt von unterschiedlichen Formen der Unfreiheit - und das nicht nur in Europa. Auch jenseits des Verbots der Sklaverei (sei es durch den Wiener Kongreß 1815, sei es aufgrund des Verbots von Sklavenhandel in den USA 1808 oder der "proclamation of emancipation" durch die Regierung Lincoln) florierte der Sklavenhandel, um nicht zu sagen: die gesetzlichen Verbote machten den Sklavenhandel als Geschäftsmodell noch viel attraktiver. Von den 12,5 Millionen Verschleppten des transatlantischen Sklavenhandels nimmt man an, dass ca. ein Viertel erst im 19. Jahrhundert versklavt wurden, dem Zeitalter der "Abolition" - einer Zeit also, in der die Sklaverei in der westlichen Kultur längst rechtlich geächtet war.
Weniger in der Diskussion, aber ein zentrales Handlungsfeld dieser illegalen Sklavenwirtschaft war der sog. "Hidden Atlantic". Darunter versteht man die Verkehrswege der Sklavenschiffe zwischen dem afrikanischen und dem amerikanischen Kontinent und die dazugehörigen Akteure: Sklavenhändler aus Brasilien, Kuba und den USA, Seemänner, nach der internationalen Ächtung des Sklavenhandels 1815 - wo vorher der Sklavenatlantik war, war plötzlich der "Hidden Atlantic". Dieser "Hidden Atlantic" existierte fast bis 1890, also annähernd das ganze 19. Jahrhundert hindurch. Auf dem Atlantik verwandelten sich afrikanische Menschen, die in Gefangenschaft geraten waren, zum Eigentum anderer, schließlich zu Sklaven.
Plan des Sklavenschiffs Vigilante (1822)
Plan of the Slaver "Vigilante". JPEG.
Voyages: The Trans-Atlantic Slave Trade Database.
accessed November 20, 2013
In globalgeschichtlicher Hinsicht zeigt der "Hidden Atlantic" nicht nur die Bedeutung von Verkehrswegen wie der Meere, sondern auch die wirtschaftliche Dimension, die der Sklavenhandel mit all seinen Konsequenzen nicht nur für die unmittelbaren Profiteure, sondern auch jenseits davon für die Entwicklung der europäischen Moderne hat. In diesem Modul wird es den Schülern ermöglicht, den Schleier, der über dem "Hidden Atlantic" liegt, zu lüften, sich der Dimensionen des transatlantischen Sklavenhandels bewusst zu werden und als ein frühes Globalisierungsphänomen zu erkennen. Dazu arbeiten sie vor allem mit der Trans-Atlantic Slave Trade Database.
Alle html-Seiten dieses Moduls als pdf-Datei Hidden Atlantic zum Download.
Moduldesign:
1. Input:
Informiere dich über die Situation des Menschenhandels im 19. Jahrhundert, indem du als Grundlage den Text zum
Transatlantischen Menschenhandel liest. Achte hierbei auf folgende Aspekte:
- Besonderheiten des Menschenhandels im 19. Jahrhundert
- Folgen für die wirtschaftliche Bedeutung Kuba und Spaniens
- Beteiligte am slaving
- Wert der Sklaven
- Globalgeschichtliche Rückwirkungen des Menschenkapitalismus
2. Definitionen:
Definiere für dich, was du unter Sklaverei verstehst, und vergleiche mit der
Definition nach Prof. Michael Zeuske.
3. Quellen:
Überlege, welche Quellen für die Untersuchung des Themenkomplexes "Hidden Atlantic" nützlich sein könnten.
Vergleiche deine Überlegungen mit den
Ausführungen zur Quellenlage.
4. Arbeit mit Statistiken:
Untersuche mithilfe von
Statistiken einzelne Phasen sowie die geographische Ausweitung des
"Hidden Atlantic".
5. Auswertung via Kartenarbeit:
Übertrage deine Ergebnisse auf eine
Landkarte, die du entsprechend der Sklavenströme markierst.
6. Binnendifferenzierte Vertiefung: Negreros
Arbeite die idealtypische Karriere eines
Negrero heraus.
7. Integration/Diskussion:
Vom Sklavenatlantik zum "Hidden Atlantic" - was verändert sich nach der Ächtung der Sklaverei ab 1808/1815?
Impulse zur Diskussion finden sich
hier.
8. Historisches Urteil:
Wähle eine der drei Aufgaben und bearbeite sie schriftlich.
- Beurteile, inwiefern Kuba seine landwirtschaftliche Modernisierung dem Sklavenhandel verdankt.
- Überprüfe, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Sklaverei, Abolition, Menschenkapitalismus und Modernisierung besteht.
- Erörtere, inwiefern auch im 19. Jahrhundert Sklaverei ein globalgeschichtliches Phänomen ist, indem du die Rückwirkungen des anhaltenden Sklavenhandels auf Europa zeigst.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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