Die Zukunft der Europäischen Union
Historiker beschäftigen sich naturgemäß mit der Vergangenheit, einen Ausblick in die Zukunft können sie (so wenig wie andere) verlässlich bieten. Auf der Basis der dargestellten Faktoren, die bislang die europäische Integration beeinflusst haben, kann man aber gewisse Aussagen über zukünftige Entwicklungen wagen, auch wenn diese ohne jegliche Gewähr sind.
Die Zukunft Europas - aus der Perspektive von 1979, Teil 1 |
Die EU hat sich so sehr als effizienter Ausgleichsmechanismus für zwischenstaatliche Konflikte bewährt, dass ein Krieg zwischen zwei EU-Staaten heute nicht mehr vorstellbar ist. Auch für die Außenbeziehungen der EU hat sich das Ziel der Friedenserhaltung als zentral herausgebildet (man denke nur an die EUFOR-Truppen). Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Wahl zur Selbsteinbindung in die EU – sonst droht ihr die außenpolitische Isolierung – nicht zuletzt war die europäische Integration Deutschlands Voraussetzung für die Zustimmung der ehemaligen Besatzungsmächte zur deutschen Einheit). Unter dieser Prämisse werden manche europapolitischen Entscheidungen der aktuellen Regierung (meist zusammen mit der Opposition) auch verständlich. Nach wie vor ist es immer noch sehr attraktiv, Mitglied in der EU zu werden: Kroatien, Serbien, die Türkei und die Ukraine sind gute Beispiele hierfür. Selbst in Island wurde nach der Weltfinanzkrise über einen EU-Beitritt diskutiert. Jedoch ist die Bereitschaft zur Aufnahme neuer Staaten von bereits existierenden Mitgliedern eher im Schwinden begriffen und deshalb ist es fraglich, ob die Mitglieder eine weitere Expansion wünschen. In der Wirtschaft hat sich seit den 90er-Jahren die innereuropäische Verflechtung erneut beschleunigt und wird voraussichtlich weiter anhalten. Zugleich treibt die europäische Kommission die Homogenisierung in allen Bereichen weiter voran. So könnte man die europäische Integration als Bestandteil der Moderne verstehen, weil in ihr alle Kräfte wirken, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts für die europäische Entwicklung bestimmend waren.
Für die politische Zukunft seien hier – mit Guido Thiemeyer – drei mögliche Entwicklungslinien skizziert:
- Die EU könnte sich langsam weiter parlamentarisieren: Denkbar wäre ein Zweikammersystem mit dem europäischen Parlament einerseits und dem Ministerrat andererseits. Dies wäre eine Fortschreibung der Entwicklung seit den Römischen Verträgen.
- Es könnte zu einer Auseinanderentwicklung zwischen einem Kerneuropa mit einem noch näher zu bestimmenden Gravitationszentrum, einer Pioniergruppe, kommen und einem Randeuropa, das diese Entwicklungen nicht oder nur in Teilen mitmacht. Exemplarisch hierfür ist die gemeinsame Währung, der EURO, den nur ein Teil der Mitglieder der EU eingeführt hat. Gleiches könnte z.B. bei der Abschaffung der Grenzkontrollen passieren.
- Als drittes Zukunftsmodell wäre die Etablierung einer deliberativen Demokratie denkbar. Die verstärkte Partizipation der EU-Bürger an politischen Prozessen wäre nicht zuletzt aus demokratietheoretischen und Legitimitätsgründen wünschenswert. Ein Regieren wie im klassischen Nationalstaat wäre dann jedoch nicht mehr möglich.
Die Zukunft Europas - aus der Perspektive von 1979, Teil 2 |
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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