Bücher des Monats September 2007
In diesem Monat empfehlen wir folgende Bücher:
Kevin Brooks: Candy (ab 13 Jahre)
Isabel Abedi: Isola (ab 14 Jahre)
Nicky Singer: Norbert Nobody oder Das Versprechen
dtv junior extra 2002, 5. Aufl. 2006
ISBN 3-423-70732-1
248 Seiten, kartoniert
Altersempfehlung: ab 12 Jahre
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
Robert Nobel wird von seinen Klassenkameraden wenig liebevoll als Norbert der Niemand, der Feigling, der Verlierer bezeichnet. Er ist ein Außenseiter, den man nicht beachtet oder der von den anderen geärgert und gehänselt wird. Und ausgerechnet ihn hat die alte Edith Sorrell ausgewählt!
Alles beginnt damit, dass die Klassenlehrerin in der siebten Klasse ein Projekt ankündigt, für das zehn Schüler/-innen frei gestellt werden. Einmal wöchentlich sollen sie ins Altenheim, um sich dort mit einem alten Menschen auszutauschen und gemeinsam etwas Kreatives zu gestalten. Unter den zehn Jugendlichen sind auch Robert und dessen Schulerzfeind Niker, der es immer wieder auf ihn abgesehen hat.
Als Edith ihm das Versprechen abnötigt, in das alte, baufällige Haus namens "Chance House" zu gehen, fühlt sich Robert überrumpelt und muss all seinen Mut zusammen nehmen, um sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Während er sich dem verfallenen und von tragischen Legenden umwobenen Haus nähert, taucht plötzlich Niker auf, der ihn scheinbar nicht aus den Augen lässt und ihn schließlich sogar zu einer unglaublichen Mutprobe herausfordert.
Um Edith Sorrell zu helfen, wächst Robert über sich hinaus und wagt es am Ende sogar, Niker die Stirn zu bieten. Edith hat Robert wissen lassen, dass er im "Chance House" etwas Großes, Kraftvolles finden werde. Er sei ein Junge, der fliegen kann, wenn er nur will…
Doch für Robert sind zunächst noch viele Fragen offen: Was ist wirklich passiert im "Chance House" vor dreißig Jahren und was hat er mit Ediths Vergangenheit zu tun? Kann ein Federmantel Leben retten? Robert begibt sich auf die Suche nach der Wahrheit und auf eine Reise zu sich selbst, bei der er lernt zu fliegen und auch die alte Frau ein letztes Mal fliegen lässt…
Ein anrührendes und ebenso spannendes Buch, das mit viel Tiefsinn und zugleich mit Leichtigkeit geschrieben wurde. Die Erlebnisse des Ich-Erzählers Robert Nobel auf seiner Reise zu sich selbst und in Ediths Vergangenheit sind bewegend und humorvoll erzählt. Fliegen zu können steht hier für den Glauben an sich selbst und die eigenen Kräfte. Die Autorin hat ihr erstes Jugendbuch auf Anregung ihres damals elfjährigen Sohnes geschrieben. Ein Buch, das Mut machen soll und Mut machen kann!
(Cora-Ann Wagener-Mühleck, Arbeitskreis Leseerziehung)
Kevin Brooks: Candy
Dtv, Oktober 2006
ISBN 3-423-71189-2
Altersempfehlung: ab 13 Jahre
Bildungsplanbezüge: Candy kann im Deutschunterricht der Klasse 9 (Hauptschule) gelesen werden. Im Bereich "Literatur als Gesprächspartner" soll ein Werk der Gegenwartsliteratur – auch Jugendliteratur gelesen werden und als Projekt bearbeitet werden. Der Projektansatz bietet sich hier an, da ein fächerübergreifendes Arbeiten im Fach Religion und dem Fächerverbund WAG stattfinden kann, wo Drogen und Sucht ebenfalls auftauchen.
"Ich war unschuldig damals.
Einfach ein Junge.
In einem Zug.
Mit einer Beule.
Und einer Mütze.
Das war die ganze Welt, die ich zu kennen brauchte."
Der Arztsohn Joe Beck aus dem noblen Ort Heystone muss wegen einer Untersuchung nach London. Direkt nach dem Ausstieg aus dem Zug trifft er am U-Bahnhof King’s Cross auf Candy. Vom ersten Augenblick an fasziniert ihn dieses Mädchen. Aber bereits jetzt, bei ihrem ersten Zusammentreffen spürt Joe, dass Candy aus einer ihm fremden Welt stammt. Bei McDonalds treffen die beiden auf Iggy, einen "schwarzen Riesen mit toten Augen" – gleichzeitig auch Candys Zuhälter. Nach einem kurzen und direkten Wortwechsel trennen sich ihre Wege aufs Erste.
Als Joe wieder in seinem zu Hause angekommen ist spricht er lange mit seiner Schwester Gina und ihrem Freund Mike über sein Zusammentreffen mit Candy und Iggy. Allen ist klar, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht, auch wenn Joe die Wahrheit nicht sehen will. So vergeht erst einige Zeit. Erregt bemerkt er, dass Candy ihm ihre Handynummer gegeben hat. Nun nimmt der Alltag erst einmal seinen Lauf. Er geht zur Schule und probt mit seiner Band für einen Auftritt in London. Nach mehr als einer Woche ruft Joe bei Candy an. Die beiden verabreden sich im Zoo und verbringen dort einen wunderbaren Nachmittag. Beim Essen verschwindet Candy dann für einige Minuten und kommt verändert von der Toilette zurück. Joe ist klar, dass sie was eingenommen hat. Nach wilden Küssen im Zoo werden die beiden von Cadys Realität eingeholt. Das Telefon klingelt und Candy muss sofort weg. Trotzdem verabreden sich die beiden noch für Joe’s Auftritt im "Black Room" in Hammersmith.
Der Auftritt wird für die Band ein voller Erfolg. Zum Abschluss spielen sie Joe’s Komposition "Candy". Auch Candy ist da. Alles Endet in einer Schlägerei zwischen Iggys Schlägern und Ginas Freund Mike. Er versucht Candy zu helfen. Joe wird klar, dass er Candy helfen muss. Also macht er sich auf die Suche nach ihr. Einziger Anhaltspunkt ist der Bahnhof King’s Cross. Nach langem warten sieht er Iggy und kann diesem folgen. So findet er ihre Wohnung. Darin findet er eine übel zugerichtete Candy. Erst will sie ihn gar nicht sehen aber Joe lässt sich nicht so einfach loswerden. In einem langen Gespräch erfährt er, wie Candy ein Teil der Welt aus Drogen und Gewalt werden konnte. Schritt für Schritt, geradezu unmerklich. Dieser intime Augenblick endet, als Iggy auftaucht. Candy und Joe können Iggy überwältigen und flüchten in das Ferienhaus der Becks im Woodland Cottage. Candy startet dort einen Entzug und nach einigen Tagen ist sie clean. Doch dieser Friede währt nur kurz. Iggy hat Gina aufgespürt. Er entführt sie und kommt so an die Telefonnummer von Joe. Er will seine Geldquelle Candy zurückhaben. Es scheint nur einen Ausweg zu geben. Candy geht zurück zu Iggy und Joe kehrt in sein altes Leben zurück. Trotzdem ruft Joe Mike an. Dieser eilt vor Iggy zu ihnen. Alles Endet in einem Austausch, bei dem Candy Iggy mit einem Messer ersticht.
Joe kehrt zurück nach Heystone, Candy muss in eine Anstalt. Sie muss sich wegen des Totschlages an Iggy verantworten und steht unter psychiatrischer Betreuung in einer Anstalt für Jugendliche. Ein offenes Ende, das Raum zum Nachdenken gibt.
Kevin Brooks Buch "Candy" führt den jungen Leser auf spannende Weise in die Welt der Drogen ein. Die kurzen Kapitel und die direkte Sprache machen das Buch auf für Jugendliche mit weniger Leseerfahrung gut lesbar. Dass es dabei eine klare Trennung zwischen "den Guten" und "den Bösen" gibt wird immer wieder aufgebrochen. Da ist Candy, ein nettes Mädchen, das in die Welt der Drogen schlittert und Mike, Ginas Freund, der gute Kontakte in die Szene hat. Die Figur des Joe Beck dagegen wirkt teilweise etwas naiv, entwickelt sich im Laufe des Jugendbuches aber weiter.
Für den Einsatz in der Schule eine weitere Leseoption zum "Christiane F – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo".
(Alexander Beer, Arbeitskreis Leseerziehung)
Isabel Abedi: Isola
Arena Verlag, Juni 2007
ISBN 3-401-06048-1
324 Seiten
Altersempfehlung: ab 14 Jahre
"Herr der Fliegen", "10 kleine Negerlein" trifft "Big Brother". Isabel Abedis Roman "Isola" ist ein sehr gelungener Genremix aus Abenteuererzählung, Thriller, Liebesgeschichte und einer Portion Voyeurismus.
Zwölf Jugendliche werden vom Erfolgsregisseur Quint Tempelhoff auf eine einsame brasilianische Insel eingeladen um am Filmprojekt "Isola" teilzunehmen. Er möchte diese drei Wochen lang rund um die Uhr beobachten. Daraus soll dann ein Film entstehen, der von Gefühlen und dem Leben auf der Insel erzählt. Natürlich ist die öffentliche Meinung im Buch zu diesem Filmprojekt sehr kritisch, ähnlich wie zu Beginn der "Big Brother-Staffeln" in Deutschland. Mit Decknamen ausgestattet und nur mit drei persönlichen Gegenständen startet dann das große Abenteuer. Die anfänglichen Regeln sind einfach: Kein Alkohol, kein Sex und keine Drogen. So kommen je sechs Jungen und Mädchen auf Isola an. Die Persönlichkeiten, die aufeinander treffen, könnten unterschiedlicher nicht sein:
Da wäre einmal Joy selbst, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, die sich Vera nennt und sehr verschlossen und schüchtern ist. Sehr schnell freundet sie sich mit der temperamentvollen, aufgeschlossenen und etwas molligen Elfe an. Da gibt es Krys, das magere Model und Neander, ein Koloss von einem Jungen, der es liebt Vögel im Urwald zu beobachten. Aus einem chinesischen Zirkus stammt Lung, ein sportlicher intelligenter Artist. Der Deckname ist auch bei ihm Programm: Alpha, ein Junge, der sich immer wieder in den Mittelpunkt drängt, obwohl das meist eher unfreiwillig komisch endet. Eher unauffällig ist Pearl. Sie hat dunkle Haut, eine wunderbare Stimme und kommt mit allen auf der Insel gut aus. Dieser Typ darf bei keinem Inselabenteuer fehlen: Milky, der Kerl mit den Rastas und dem Surfbrett. Wer eine spannende Geschichte schreibt braucht auch sie: Darling, das blonde Gift und die, die auf Sex mit allen Jungen aus ist. Dann gibt es ein Mädchen mit Glatze und großen Augen, Moon, deren Hauptbeschäftigung das Zeichnen der anderen Mitspieler ist. Für die teilweise derben Witze ist er zuständig: Joker, ein junger Mann, der eine Gummipuppe mit auf die Insel nimmt. Als letztes ist da noch Solo, ein dunkelhaariger junger Mann, der seinen Hund mit auf die Insel nimmt und in den sich Joy auf den ersten Blick verliebt, auch wenn sie so etwas niemals für möglich gehalten hätte.
Überwacht werden sie Tag und Nacht von unzähligen Kameras und nur die Toilette ist überwachungsfreier Raum. Die siebzehnjährige Joy und ihre elf Mitstreiter erfahren am ersten Inselabend, dass auf sie noch ein weiteres Spiel wartet. Die Regeln sind einfach: In Zwölf Umschlägen gibt es elf Opferkarten und eine Mörderkarte. Der Mörder muss dann innerhalb von drei Wochen durch ein Mordritual, "umfasse dein Opfer am Handgelenk – die Opfer dürfen weder schreien noch sich wehren", alle anderen Mitspieler ausschalten. Die Opfer müssen versuchen den Mörder zu entlarven. Das Alles ist für die einzelnen Spieler zwar gruselig, aber noch nicht beängstigend. Trotz Skepsis willigen alle ein und so beginnt das "Mörderspiel". Die Stimmung schwingt um, als dann der erste wahre Tote auf der Insel gefunden wird. Nach einer Party in einer Höhle finden Joy und ihre Freunde Joker tot am Strand. Nun beginnt eine abenteuerliche Suche nach dem richtigen Mörder. Die übrigen Überlebenden beginnen sich gegenseitig zu verdächtigen und zeigen dadurch ihren wahren Charakter und es entsteht eine gehörige Portion Eigendynamik. Die einzige Rettung scheint eine Reise auf die Nachbarinsel, die "Regieinsel" zu sein. Dort hoffen sie Quint Tempelhoff und sein Team zu finden und alles zu beenden. Aber hier wartet eine große Überraschung auf sie.
Dem erfahrenen Krimileser ist nun natürlich sofort klar, dass der eigentliche Drahtzieher dieses Todesspieles nicht der Regisseur ist, sondern sich hinter allem ein Anderer versteckt. Eines ist allerdings schnell klar, die Ich-Erzählerin Joy und ihr Freund Solo kommen als Mörder nicht in Frage.
Isabel Abedi ist mit Isola ein spannender Roman gelungen. Durch die Ich-Erzähl-Perspektive entsteht schnell eine enge Beziehung zwischen Leser und Geschichte. Weiterhin macht es Freude, dass dieser Roman auf verschiedenen Ebenen erzählt wird: Da ist die Beziehungsebene unter den Jugendlichen. Eine Liebesgeschichte zwischen Joy und Solo. Aber auch die Beziehungen der anderen untereinander sind für ein Jugendbuch gut ausgearbeitet und zeigen welche Spannungen in Gruppen häufig entstehen.
Dann natürlich das Spiel mit der Angst. Hier hat das Buch Stilelemente des Thrillers, da zu Beginn vieler Kapitel die Gedanken des eigentlichen Drahtziehers gelesen werden können. Zwar hat man zu Beginn noch Schwierigkeiten mit diesen kurzen Einschüben, aber je weiter man bei Isola kommt, desto klarer wird, dass hier noch ein "zweiter Regisseur" am Werk ist. Wer dieser geheimnisvolle Fremde ist wird erst in den letzten Kapiteln aufgelöst. Trotz der Nähe zu vielen Abenteuerbüchern eine spannende Geschichte, für alle die Abenteuer und Spannung mögen, mit dem ein oder anderen neuen Element.
(Alexander Beer, Arbeitskreis Leseerziehung)
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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