Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.


Buch des Monats Oktober 2012

In diesem Monat empfehlen wir folgendes Buch:

Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte. Ein Friedhofskrimi (ab 10 Jahre)


Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte. Ein Friedhofskrimi

Oetinger Verlag, März 2012
ISBN 978-3789131912
320 Seiten
Altersempfehlung: ab 10 Jahre

Eine Stadtstreicherin, die unter dem Namen „Dicke Frau“ bekannt ist, vermisst ihren geerbten Golddollar, der ihr laut einem auf zwei Kassenbons geschriebenen Testament zusteht. Der polnische Friedhofswärter Bronislaw wird hinterrücks niedergeschlagen und mehrere Juweliergeschäfte werden überfallen und ausgeraubt: Das bedeutet eine Menge Detektivarbeit für Valentin, der vor einigen Jahren mit seiner Mutter aus Kasachstan nach Deutschland gekommen und gerade mit ihr in die Stadt gezogen ist. Inspiriert durch seine Lieblingsbuchreihe, in der eine Kinderbande ohne die Hilfe Erwachsener die kniffligsten Kriminalfälle löst, beschließt Valentin ebenfalls auf eigene Faust zu ermitteln. Seine merkwürdige Gabe, Gedanken anderer zu lesen, ist ihm dabei natürlich nützlich.
Der Ausgangspunkt seiner Ermittlungen ist der nahe gelegene Friedhof, auf dem sich Valentin gerne aufhält. Hier lernt er Bronislaw, den älteren Herrn Schmidt mit seinem Hund Jiffel und das Ehepaar Schilinsky kennen, das sich bereits ein Grab gekauft hat und dies nun als Schrebergarten nutzt, weil es sich keinen echten Garten leisten kann. Auch Valentin profitiert von der Gastfreundschaft der Schilinskys und verbringt dort mit ihnen, Bronislaw und Herrn Schmidt gemütliche Stunden mit Käsebroten, Nudelsalat und Bratwurst. Doch nicht jeder sieht die gemütliche Runde auf dem Friedhof gerne – der unfreundliche Herr Kuchenbrodt aus dem Friedhofsbüro setzt alles daran, die Schilinskys von ihrem Ersatz-Schrebergarten zu vertreiben.
Von seinem Nachbarsjungen Mesut, mit dem sich Valentin nur zögerlich anfreundet, erhält er tatkräftige Unterstützung bei der Aufklärung der Verbrechen, bei der sich die beiden Jungen in große Gefahr begeben. Gut, dass Mesuts Bruder Polizist ist und den beiden zu Hilfe kommt.
Trotz Witz und Spannung ist der Umgang mit Trauer und Verlust ebenfalls ein zentrales Thema dieses äußerst unterhaltsamen und gleichzeitig einfühlsamen Buches. Denn neben der Kriminalgeschichte geht es auch um Valentins Familiengeschichte. Wie man nach und nach erfährt, trauert Valentin sehr um seinen toten Bruder und leidet darunter, dass seine Familie am Tod des Bruder zerbrochen ist – während seine Mutter mit Valentin nach Deutschland kam, leben sein Vater und seine Großeltern nach wie vor in Kasachstan.

Dadurch, dass die Geschichte aus Valentins Perspektive erzählt wird, erhalten Leserinnen und Leser einen oftmals sehr amüsanten Einblick in seine Wahrnehmung der Dinge, zum Beispiel als er seine erste Annäherung an Mesut beschreibt: „Dann hat er meine Hand tatsächlich genommen, das hätte ich nicht gelglaubt. Aber bei Hunden funktioniert das mit dem Handhinstrecken auch immer. Es ist ein Freundschaftsangebot und sie schnuppern daran. Das hat Mesut natürlich nicht getan.“
Valentins erfrischende Gedankenwelt und besonders die Gruppe höchst ungewöhnlicher Menschen, die sich auf dem Friedhof zusammenfindet, machen dieses Buch zu etwas Besonderem. So findet Valentin, der sich zu Beginn noch sehr einsam fühlt, Freunde, die so herzlich und vorurteilsfrei sind, dass man sie einfach mögen muss. Und ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, gelingt es Kirsten Boie zu verdeutlichen, dass man nicht über andere urteilen sollte ohne sie und ihre Geschichte zu kennen.
Die zahlreichen lebendigen Illustrationen von Regina Kehn bereichern diese Geschichte, die besonders auch Jungen anspricht, zusätzlich.

(sw, Arbeitskreis Lesen)