Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.

Bücher des Monats März 2016

Deborah Underwood: "Gestatten, die Osterkatze"( ab 3 Jahren)

Truus Mattis: Apfelsinen für Mr. Orange (ab 10 - 12 Jahren)

Stephan Knösel: Jackpot. Wer träumt, verliert.(ab 13 - 16 Jahren)

Thomas Gnielka: Als Kindersoldat in Auschwitz - Die Geschichte einer Klasse (ab 15 - 16 Jahren)

Deborah Underwood: „Gestatten, die Osterkatze!“

Easter Cat
Illustrator: Claudia Rueda
verlag: Loewe 2016
ISBN 978-3-7855-8489-7
Gebundene Ausgabe: Bilderbuch 80 Seiten
Altersempfehlung: ab 3 Jahren

Die Osterzeit naht und eigentlich wartet jeder darauf, dass ein ganz bestimmter Hase wieder aktiv wird. Doch wer sagt, dass immer nur der Osterhase Lust auf das Verstecken der Eier und Leckereien hat, kennt die Osterkatze noch nicht! Sie beneidet den Osterhasen sehr und überlegt sich wie sie es anstellen kann, seinen Job zu übernehmen.
Das vorliegende Buch im handlichen, quadratischen Format (18 x 18cm), kommt mit der karikaturistischen Zeichnung der Hauptfigur der Osterkatze in einer zurückhaltenden Kolorierung aus. Die originelle Geschichte unterstreicht die Illustratorin mit zeichnerisch gelungener, ausdruckstarker Mimik und Gestik.
Der Text auf der dazugehörigen Doppelseite beschränkt sich jeweils auf ein bis drei Sätze und erinnert im Schriftbild an eine Schreibmaschinenseite. Zeichnung und Text sind durchgehend auf weißem Hintergrund gedruckt.
Zu der für ein Osterbilderbuch eher unerwarteten Aufmachung kommt eine weitere Besonderheit in der Erzählung der Geschichte hinzu. Betrachter und Erzähler begeben sich direkt in ein Zwiegespräch mit der Katze. Die Fragen an die Hauptfigur ergeben sich aus der Deutung von Mimik und Gestik, die Erwiderungen erscheinen auf einem gezeichneten Plakat, das die Osterkatze in ihrer Pfote hält. Diese einfache Zeichnung erfährt im dazugehörigen knapp gehaltenen Text seine Interpretation:

Frage: Was ist los, Katze? Du siehst so grummelig aus.“
Antwort - Plakate mit Osterhase und Herzchen:
„Der Osterhase? Was ist mit ihm?“ – Nun ja, natürlich liebt jeder den Osterhasen“. (Leseprobe).

Diese Art der Erzählung und die Perspektivwechsel verlangen von den Kindern Einfühlungsvermögen und Fantasie in die mit viel Witz gestalteten Handlung. Wir empfehlen es daher erst für Kinder ab 5 – 7 Jahren, die schon ausreichend Erfahrung mit „Osterhasengeschichten“ mitbringen. Wenn sich dazu dann der oder die Vorleser/ in auf die Gestaltung einlassen, kann es durchaus für alle Beteiligten zu einem besonderen Vorlesevergnügen werden.

Vorlesetipp:
Um den Vorschülern den Einstieg in die Gestaltung des Buches zu erleichtern, beginnt man mit der Betrachtung des Covers und den ersten drei Seiten des textlosen Vorspanns. Neben der Betrachtung können auch die Autoren ins Spiel gebracht werden, um den Kindern zu erklären, dass diese sich etwas Besonderes ausgedacht haben. Als hilfreich hat sich herausgestellt, zunächst auf die Zeichnungen und auf die Mimik der Figur einzugehen und anzuregen, die betrachtete Mimik selbst auszuprobieren. Löst man den Text aus seinem „Frage – und – Antwort – Schema“ und fasst ihn teilweise erzählerisch, wird ein dialogorientierter Umgang mit dem Bilderbuch möglich.

Als Vertiefung dient die Anregung, andere Lieblingstiere in Ostertiere zu verwandeln. Denn auch ein „Osterhund“, „Osterdino“ oder „Osterhamster“ könnte beim anschließenden Malen als witziges „Ostertier“ entstehen.


G.G. Ideenpool Lesen

 

Truus Mattis: Apfelsinen für Mr. Orange

Originaltitel: Mr. Orange
Illustrator: Richard Horne
Gerstenberg-Verlag 2013
Oetinger-Verlag, 1. Auflage 2015
ISBN-13: 978-3836954570
Gebundene Ausgabe: Taschenbuch, 176 Seiten
Altersempfehlung: 10 - 12 Jahren
Roman, Vorlesebuch

Die 1961 in den Niederlanden geborene Schriftstellerin Truus Matti veröffentlichte 2013 ihr zweites Jugendbuch, „Apfelsinen für Mr. Orange", das sehr gute Kritiken erhielt. Der 13-jährige Linus fährt anstelle seines in den Krieg gezogenen Bruders mit einem Obst- und Gemüsekarren Bestellungen in Manhattan aus. Dabei muss er immer wieder eine Kiste Apfelsinen zu einem Maler bringen, den er „Mister Orange“ nennt. Es ist der bekannte niederländische Maler Piet Mondrian (1872-1944), der aufgrund des Zweiten Weltkrieges nach Amerika emigrierte und in New York lebte. Linus lernt durch ihn die moderne Kunst und seine eigene Fantasie kennen.
Truus Mattis nimmt uns mit auf eine interessante Reise in die Welt Manhattans der 1940er Jahre, in die Welt der Malerei und des Boogie Woogie. Die Lektüre eignet sich für die 5.-7. Klasse und ist vom Umfang her überschaubar. Die Hauptfigur Linus bietet einige Identifikationsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler: Mit 13 Jahren geht es um Träume, neue Erfahrungen, Verlust und den Weg in die Selbstständigkeit. Dabei kann mit dem Roman sehr vielfältig gearbeitet werden, eine Zusammenarbeit mit den Fächern Musik, Bildende Kunst und Geographie ist denkbar.

Ergänzend für die Arbeit mit dem Buch bietet sich das Bilder-/Sachbuch von Wouter van Reeks an, „Krawinkel & Eckstein. Auf der Spur von Piet Mondrian“. Auf der Reise der beiden wird der Weg von der konkreten bis zur abstrakten Malerei durch viele Bilder anschaulich nachgezeichnet. Dabei steht Piet Mondrian (1872-1944), der als Landschaftsmaler begann und sein Leben lang nach einer neuen Malweise suchte, im Mittelpunkt. Krawinkel und Eckstein – bekannt aus der Sendung mit der Maus - treffen den Maler Spähwinkel, der die Zukunft sucht. Sie landen schließlich in der Zukunft, in einer bunten, lauten und großen Stadt, in der einfach alles anders ist: Die Menschen eilen an ihnen vorbei, es gibt grelles Licht, großen Lärm und dann verschwindet noch Eckstein…
Da die Bilder überwiegen und nur mit wenig Text gearbeitet wird, bietet es sich als Begleitbuch zum Roman an.

Wouter van Reek
„Krawinkel & Eckstein. Auf der Spur von Piet Mondrian“
Gerstenberg-Verlag
2012, 32 Seiten

M.S. Ideenpool Lesen

Stephan Knösel: Jackpot. Wer träumt, verliert

Beltz & Gelberg, 2012
ISBN-13: 978-3407811134
Taschenbuch: 272 Seiten
Altersempfehlung: 13 - 16 Jahren

Kriminalroman

Die Lage der Brüder Chris und Phil scheint ausweglos: Die Mutter ist gestorben, der Vater auf Entzug, die Miete nicht bezahlt und kaum Geld, um zu überleben.
Durch Zufall wird der 14-jährige Chris Zeuge eines Unfalls, bei dem er ein Mädchen, Sabrina, aus dem Kofferraum rettet, Sie gibt ihm eine Tasche mit vier Millionen Euro, die er für sie verstecken soll. Wie sich nach und nach herausstellt, ist es erbeutetes Geld, hinter dem neben Sabrina auch der Fahrer des Unfallautos her ist, aber auch die Polizei sowie ein paar Jugendliche, die in Chris´ und Phils Haus leben. Es be-ginnt eine spannende Jagd um die Tasche, die in hohem Sprachtempo beschrieben wird. Der Leser kommt nicht zur Ruhe, immer neue Cliffhanger treiben die Handlung voran, nichts ist so, wie es scheint, es bleibt spannend bis zur letzten Seite. Erst am Schluss erfährt der Leser, wer den „Jackpot“ behält.
Stephan Knösel, dessen Roman „Echte Cowboys“ (Beltz & Gelberg, 2011) mehrfach ausgezeichnet wurde und unter anderem den Bayerischen Kunstförderpreis für Literatur erhielt, wurde mit „Jackpot“ von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 zu Recht nominiert. Gerade für Wenigleser ist der Kriminalroman geeignet, die direkte Sprachwahl gepaart mit Action und Tempo zielt auf jugendliche Leser ab.
Einsetzbar ist das Buch in den Klassen 7 bis 10, da die Figuren im Alter der Leser sind und ein hohes Identifikationspotential für die Schülerinnen und Schüler geboten wird. Die Charaktere sind vielschichtig: Keine Figur ist eindeutig gut oder böse. Chris ist sympathisch, will aber das Geld für sich und seinen Bruder behalten. Der 17-jährige Phil wirkt aufrichtig, ist aber teilweise undurchschaubar, gerade, als er sich in Sabrina verliebt und sich mit ihr einlässt.
Die Vorstellung, vier Millionen zu besitzen, lässt als Einstieg Gedankenspiele zu, die im Roman thematisiert werden: Was würdest du mit vier Millionen Euro machen? Wo würdest du sie verstecken oder würdest du sie der Polizei übergeben? Woher kommt das Geld? Würdest du teilen, mit wem? Wem könntest du vertrauen?

M.S. Ideenpool Lesen

Thomas Gnielka: Die Geschichte einer Klasse
Als Kindersoldat in Auschwitz

Verlag: Verlag CEP Europäische Verlagsanstalt, 2014
ISBN: 978-3-86393-058-5
Taschenbuch: 184 Seiten
E-Book
Altersempfehlung: 15 - 16 Jahren
Romanfragment von Thomas Gnielka -mit einer Dokumentation


Thomas Gnielka ist 15 Jahre alt, als er im Januar 1944 zusammen mit seinen Schulkameraden vom Berliner Kant-Gymnasium zum Kriegsdienst eingezogen wird. Einige der auch in der NS-Zeit um eine humanistische Erziehung bemühten Lehrer verabschieden ihre Schüler mit Tränen in den Augen. Nach einer Kurzausbildung als Luftwaffenhelfer werden die Jungen nach Auschwitz-Birkenau beordert und bewachen u. a. Häftlinge des nahen Konzentrationslagers beim Bau von Schutzwällen für die Fabrikanlagen der IG Farben. Die dortigen Erlebnisse, die im Kampf und Rückzug vor der anrückenden Sowjetarmee gipfeln, traumatisieren den 15-jährigen, der kurz vor Kriegsende desertiert und sich einer linken Widerstandsgruppe anschließt. Nach dem Krieg ist er, wie viele seiner überlebenden Mitschüler, psychisch nicht mehr in der Lage, auf die Schulbank seines Gymnasiums zurückzukehren. Nach einem Volontariat arbeitet Thomas Gnielka als Reporter zunächst beim Spandauer Tagblatt, später für unterschiedliche deutsche Zeitungen, u. a. 1957 bis 1960 bei der Frankfurter Rundschau. Auf Anraten älterer Literaten wie Hans Werner Richter aus der Gruppe 47 schreibt Thomas Gnielka einige seiner einschneidenden Erlebnisse Ende der 40er Jahre nieder, um sich von seinen Albträumen zu befreien. Auf einer Tagung der Gruppe 47 trägt er 1952 erstmals öffentlich Texte aus „Die Geschichte einer Klasse“ vor.
Parallel zum Journalismus ist Gnielka als Hörbuchautor, Musiker, Werbetexter und Fotograf tätig. In seine mit der Autorin und Fernsehjournalistin Ingeborg Euler gegründete Familie werden von 1950 bis 1962 fünf Kinder geboren. Im Januar 1965 stirbt er 38-jährig an Krebs, der befreundete Heinrich Böll hält die Grabrede. Thomas Gnielkas umfangreiche Recherchen und Berichte zu den Untaten von Auschwitz wurden zu einer Grundlage des ersten und größten deutschen Auschwitz-Prozesses gegen 20 beteiligte SS-Schergen, bei dem der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer 1963 bis 1965 die Anklage vertrat.
Das Romanfragment „Die Geschichte einer Klasse“ gliedert sich in 19 chronologisch angeordnete Episoden, ohne dass ein lückenloser zeitlicher Ablauf zugrunde gelegt wäre. Beginnend mit der Verabschiedung der 15-jährigen Jungen in Schule und Elternhaus, der Ersteinweisung an Flugabwehrgeschützen in Berlin, folgen erste traumatische Kontakte zu Häftlingsgruppen des KZ Auschwitz. Während eines Rekonvaleszenz Urlaubs erlebt er seine erste zarte Liebe. Der Kontakt mit Wehrmachtssoldaten und zu russischen Hilfstruppen, schließlich auch die Rückzugsgefechte der sich auflösenden Front mit verletzten oder getöteten Kameraden überfordern den mittlerweile 16-jährigen. Zwei Stunden vor den ersten sowjetischen Soldaten kommen Thomas Gnielka und einige begleitende deutsche Landser auf ihrem Rückzug ins verlassene Konzentrationslager Auschwitz, in dem sie Erdgruben mit übereinander geschichteten getöteten Häftlingen vorfinden. Die letzten Episoden schildern den Zustand in Berlin kurz vor dem Einmarsch der Sowjetarmee.

Didaktischer Kommentar:
Die „Geschichte einer Klasse“ ist Thomas Gnielkas literarische Verarbeitung der letzten Kriegsmonate und ein bestürzend authentischer Bericht eines Heranwachsenden in dieser Zeit. Seine Absicht, die Episoden in einem Roman zusammenzufassen, konnte er nicht mehr verwirklichen. Die Herausgeber, seine Tochter Kerstin und Werner Renz vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt, fügen aber ein 13-seitiges Exposé bei, in dem Thomas Gnielka den Handlungsrahmen und weitere noch nicht verarbeitete Motive für seinen Roman beschrieben hatte. Ebenso sind in das Buch mehrere Artikel und Dokumentationen von Thomas Gnielka zu den Geschehnissen in Auschwitz und deren mangelhaften bundesdeutschen Aufarbeitung eingebunden, die der Autor für mehrere Zeitschriften Anfang der 60er Jahre schrieb. Zwei ebenfalls beigefügte Artikel der Journalistin Claudia Michels in der „Frankfurter Rundschau“ vom 27.03.2004 und ihres Kollege Norbert Frei in „Die Zeit“ vom 21.11.2013 würdigen die Arbeit Thomas Gnielkas aus späterer Sicht.
Das Buch empfiehlt sich für den Politik- oder Geschichtsunterricht ab Klasse 9, wenn das Thema Nationalsozialismus behandelt wird. Die Schülerinnen und Schüler werden sich durch das unmittelbare Erleben eines Gleichaltrigen der ungeheuerlichen Grausamkeit der NS-Ideologie bewusst. Die verschiedenen Zeitschriftenbeiträge Thomas Gnielkas aus den 60er Jahren zeigen die Schwierigkeiten, die Deutschland mit der Aufarbeitung seiner NS-Vergangenheit hatte. Gesellschaftliche Neuordnungen, aber auch Kontinuitäten können im Unterricht herausgearbeitet werden.
Der fragmentarische Charakter der Episodensammlung mit beigefügtem Roman-Exposé macht das Buch auch für den Deutschunterricht interessant. Das Sammeln von Einzelerlebnissen und unterschiedlichen Motiven, aus denen der Autor seinen Roman zusammenstellen will, zeigt die Konstruktionsplanung seines literarischen Produkts auf.
Die Ereignisse vor dem Zustandekommen des ersten Auschwitz-Prozesses wurden eindrücklich verfilmt:
Der Spielfilm „Im Labyrinth des Schweigens“ aus dem Jahr 2014 setzt den Protagonisten des Prozesses und damit auch dem Journalisten Thomas Gnielka ein Denkmal. Der Film wurde bei mehreren Filmfestivals mit Nominierungen und Auszeichnungen bedacht. FSK ab 12.

Begleitend zum Buch empfiehlt sich ebenso der Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“, der auf dem Filmfestival in Locarno den Publikumspreis erhielt und als bester deutscher Film 2015 ausgezeichnet wurde. Der auf authentischen Geschehnissen fußende Film zeigt die Widerstände in der Gesellschaft und bei staatlichen Stellen selbst in Justizkreisen, die sich im Nachkriegsdeutschland einer Aufarbeitung der NS-Verbrechen entgegenstellten. FSK ab 12.

A.R. Ideenpool Lesen

 


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Quelle: https://www.schule-bw.de

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