Buchtipps, Methoden, Konzepte und Projekte rund ums Lesen und Vorlesen bietet der Ideenpool Lesen gegliedert für alle Schularten und auch für den Elementarbereich.

 

Unsere Buchempfehlung im Juni 2020


Annette Roeder: Hetty Flattermaus fliegt hoch hinaus (ab 6 Jahren)
Verlag: Cbj

Verlag: Knesebeck

Annette Roeder: Hetty Flattermaus fliegt hoch hinaus

Verlag: Cbj, 2019
Illustratorin: Julia Christians
ISBN-13: 978-3570176771
Gebunden : 128 Seiten
Altersempfehlung: ab 6 Jahren
Bilder - Vorlesebuch


„Hetty Flattermaus fliegt hoch hinaus“ von Annette Roeder ist ein fantasievolles und wunderschön illustriertes Kinderbuch. Hetty Flattermaus heißt eigentlich Henrietta Penelope und ist ein haselnussgroßes Hummelfledermausmädchen, das mit ihrer Mutter  und anderen Hummelfledermäusen in einem alten Herrenhaus lebt. Sie hat einen unbändigen Willen, die Welt zu erkunden. Im Weg steht ihr dabei meist Ihre Mutter Hulda, die überfürsorglich ist und ständig Angst um ihre Tochter hat.

Eines Tages macht Hetty sich alleine und nur auf Socken, ohne das Wissen und Einverständnis ihrer Mutter, auf in den Park. Auf ihrem Ausflug gerät sie in einige gefährliche Situationen. Es gelingt ihr schließlich, nur mit Hilfe ihrer besten Freundin Fidelia, Fidel genannt, gesund nach Hause zu kommen.
Gleich zu Beginn findet der Leser / die Leserin einen Plan des Schlossparks „La Rondine“, sodass man sich gut vorstellen kann, wo die Geschehnisse passieren. Es werden auch Steckbriefe von Hetty, ihrer besten Freundin Fidelia sowie deren Müttern aufgenommen. Der Leser / Die Leserin weiß so, in welcher Verbindung die Figuren zueinander stehen.
Die kleine Hetty ist Kindern sympathisch. Sie ist wissbegierig, wild und lustig. Beim Erkunden ihrer Welt wird sie aber massiv von ihrer Mutter ausgebremst. Sie stattet Hetty mit einem Peilsender aus, um immer zu wissen, wo sie ist. Diese reagiert traurig und wütend. Schließlich kommt sie auf die Idee, den Peilsender ihrer Freundin Fidel zu geben. Während sie zum Flötenunterricht geht, erkundet Hetty alleine den Park.

Das Ende des Buches muss mit den Kindern besprochen werden: Hetty lügt ihre Mutter mutwillig an, als es um den Peilsender geht. Als sie die Wahrheit hätte sagen können, entscheidet sie sich bewusst, weiter zu lügen und die Wahrheit zu verheimlichen. Thematisiert werden sollte, warum die Mutter ihre Tochter kontrolliert, wie die Kinder sich dabei fühlen würden, warum es nicht gut ist, zu lügen und warum es wichtig ist, sich an Absprachen zu halten.
Das Buch wird vom Verlag für Kinder ab sechs Jahren empfohlen. Zum Vorlesen ist dies eine geeignete Altersangabe, zum selbstständigen Lesen ist es aber aufgrund der Satzlängen und der kleinen Schrift zu schwierig.  Das Vorlesen gestaltet sich als kurzweilig, da der Schreibstil flüssig ist und  sich die Geschichte angenehm vorlesen lässt, während die Kinder gespannt zuhören. Wenn Kinder das Buch alleine lesen möchten, ist dies ab Klasse 3 geeignet. Die Kinder finden Hetty auch sympathisch, hinterfragen in der Regel aber das Verhalten der kleinen Hummelfledermaus.

Annette Roeder ist mit dem Buch ein gelungener Auftakt ihrer neuen Kinderbuch-Reihe gelungen. Die Kapitel sind übersichtlich und recht bündig, wodurch sie einzeln (vor-) gelesen werden können. Die Illustrationen sind sehr ansprechend, jüngere Kinder verweilen gerne bei den Bildern und blättern immer wieder zurück zur Parkzeichnung, um zu erkunden, wo Hetty gerade unterwegs ist.

Ein Buch über Mut, Freundschaft und Familie, dessen Anschaffung lohnt!

M.S. Ideenpool Lesen

Julian Voloj, Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche: Nach Annette von Droste-Hülshoff

Verlag: Knesebeck, 2017
Illustratorin: Claudia Ahlering
ISBN-13: 978-3868739343
Gebunden : 136 Seiten
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Graphic Novel

1842 erschien die Novelle „Die Judenbuche“ von Anette von Droste-Hülshoff. Das Werk wird noch heute als Klassiker der Literatur in der Schule gelesen und rückt durch die Umsetzung als Graphic Novel in ein neues Licht. Die Erzählung hat nichts an Aktualität verloren, ist Kriminalroman und Milieustudie zugleich. Sie greift Fragen nach Recht und Gerechtigkeit, Schuld und Sühne, aber auch von Intoleranz und Vorurteilen auf.

In der Kriminalgeschichte gibt es zwei Morde und einen tragischen Todesfall. Der Protagonist Friedrich Mergel wächst bei seinem Vater, einem gewalttätigen Alkoholiker auf. Nach seinem Tod kommt der neunjährige Junge zu seinem Onkel, wo er Johannes Niemand kennen lernt. Dieser führt ihn auf Abwege, Friedrich schließt sich Holzdieben an. Nach dem Mord eines Forstmannes fühlt er sich mitschuldig. Nachdem Friedrich vom Juden Aaron des Betrugs bezichtigt wird, wird Friedrich zum Verdächtigen, als Aarons Leiche unter einer Buche gefunden wird. Friedrich und Johannes flüchten, der Baum wird nur noch die „Judenbuche“ genannt. Die Juden kaufen dem Gutsherren schließlich den Baum ab. Nach achtundzwanzig Jahren erscheint im Ort ein ausgezehrter Mann, der sich als der verschollene Johannes Niemand ausgibt. Er beginnt, beim Gutsherrn zu arbeiten, verschwindet aber Monate später spurlos, bis er erhängt in der Judenbuche entdeckt wird. Der Gutsherr identifiziert ihn anhand einer Narbe als Friedrich Mergel.

Voloj und Ahlering beginnen mitten im dramatischen Geschehen und weichen so von der literarischen Vorlage ab. Der Autor selbst schreibt im Nachwort, dass „[d]ie Bekanntheit der Novelle […] zunächst Sorgen“ gemacht habe (S. 127). „Während Droste-Hülshoff in ihrer Milieustudie langsam auf Mordfall und Selbstmord hinarbeitet“, entschieden sich der Autor und die Illustratorin damit zu starten und zu enden. Voloj sieht darin einen „Erzählbogen, der auch Schuld und Sühne symbolisiert.“ (S. 127).

Die Frage, was einen Menschen zum Mörder macht, steht nach dem Einstieg durch die Morddarstellung auch in der Graphic Novel im Mittelpunkt. Geschildert werden die Kindheits-Erlebnisse Friedrichs aber aus Sicht des Protagonisten. Seine Alpträume und Ängste werden anschaulich illustriert, sodass der Leser / die Leserin sich in die Figur einfühlen kann. Die Szene der Bauernhochzeit, bei der über Friedrichs Schicksal entschieden wird, nutzen Ahlering und Voloj für einen Auftritt Anettes von Droste-Hülshoffs (S. 81). Sie wird zur Protagonisten ihrer Novelle und ist unverkennbar: Das Kleid, die Frisur und die Körperhaltung erinnern an das Porträt, das der Maler Johann Joseph Sprick 1838 malte.

Der Leser / die Leserin wird während der Lektüre immer wieder vor Rätsel gestellt, das Handeln der Figuren ist schwer nachvollziehbar, sie erscheinen oft unsicher, wie sie denken und fühlen, bleibt im Verborgenen. Über der ganzen Handlung scheint Unheil zu liegen, das aber nicht konkret gefasst werden kann. Dies setzt Claudia Ahlering durch die Sepia-Farben und eine passende Darstellung der Figuren um. Der Text ist vereinfacht und verdichtet, sodass das Geschehen verständlich ist. Die Natursymbolik, die im Werk eine wichtige Rolle einnimmt, wird immer wieder in die Bilder eingebunden.  

Die Graphic Novel bietet sich für den Einstieg in das Werk Anette von Droste-Holshoffs an. Ausschnitte des vorliegenden Bandes können als Stundeneinstieg verwendet werden, um einen besseren Zugang zum Werk zu bekommen. Auch ein Einsatz der Bilder ohne Textblasen ist denkbar, um den Inhalt der Kapitel zusammenzufassen. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich dabei auf das Wesentliche konzentrieren und sich den Figuren entsprechend sprachlich angemessen ausdrücken. Denkbar ist auch, dass die Schülerinnen und Schüler zur Motivation zunächst die Geschichte im Comicstil darstellen und abschließend mit Ahlerings Umsetzung vergleichen.

Auch für die Schulbibliothek lohnt eine Anschaffung, da Graphic Novels eine willkommene Abwechslung sind und auch Wenigleser und –leserinnen zu ihnen greifen und es möglich ist, jungen Lesern und Leserinnen Klassiker verständlich darzubieten.

Einblicke in beispielhafte Innenseite des Buchs (©Julian Voloj, Claudia Ahlering/Knesebeck Verlag).

 

M.S. Ideenpool Lesen

 


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Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

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