Sprachsensibler Fachunterricht
Verknüpfung von inhaltlichen und sprachlichen Lernzielen in jedem Fachunterricht
Sprachsensibler Fachunterricht vermittelt mit den fachlichen Inhalten und Kompetenzen eines Unterrichtsfaches auch bewusst und geplant die fachsprachlichen Kompetenzen, die notwendig sind, um die Unterrichtsgegenstände dieses Faches zu verstehen, zu reflektieren und aktiv anzuwenden. Im sprachsensiblen Fachunterricht wird nicht davon ausgegangen, dass sich diese sprachlichen Kompetenzen von alleine ausbilden. Der Erwerb eines bildungssprachlichen Registers durch die sprachliche Bildung in den Fächern ist für den Schulerfolg essentiell und Aufgabe der Schule und damit aller Lehrkräfte, die der Bildungsbenachteiligung damit aktiv entgegenwirken können.
Der sprachsensible Fachunterricht ist zum einen eine didaktische Forderung, deren Umsetzung allen Lernenden zugutekommt. Zum anderen liegt es auf der Hand, dass Lernende mit allgemeinem oder bildungssprachlichem Sprachförderbedarf in besonderer Weise davon profitieren, wenn an ihren diesbezüglichen Kompetenzen in jedem Fach aktiv gearbeitet wird (vgl. Sprachförderung im Fach, bei der die sprachliche Unterstützung im Fachunterricht stärker ausgeprägt ist z. B. im Rahmen der Integration von Schülerinnen und Schülern aus einer VKL in den Regelunterricht).
Bildungssprachliche Kompetenzen
Der sprachsensible Fachunterricht im durchgängigen Sprachbildungskonzept
Präzise Sprache – komplexes Denken – bewusstes Handeln
Fachsprachliches Handeln
Aufgaben der Lehrkraft
Konsequenzen für die Praxis: Checkliste für die Unterrichtsvorbereitung
Konsequenzen für die Praxis: Lesekompetenz
Konsequenzen für die Praxis: Hörverstehen
Konsequenzen für die Praxis: mündliche Sprachkompetenz
Konsequenzen für die Praxis: Schreibkompetenz
Links und Literatur zur Vertiefung
Bildungssprachliche Kompetenzen
Die Schule ist zunehmend der Hauptakteur im Aufbau von bildungssprachlichen Kompetenzen.
Sie werden zunächst benötigt, um im weitesten Sinne Bildung zu erwerben. Teilbereiche davon sind die Schulsprache und die Fachsprachen (zur Begriffsdifferenzierung s. Feilke 2012). Bildungssprache wird auch über die Schule hinaus im lebenslangen Lernen benötigt. Sie prägt den Diskurs über unterschiedlich komplexe, gesellschaftlich relevante Themen, über die verantwortungsvolle Bürgerinnen und Bürger sich informieren, um konstruktiv am öffentlichen Leben aktiv handelnd und kommunizierend teilzunehmen. Das Verstehen und Verwenden von Bildungssprache ist für alle sozialen Gruppen das Integrationsmedium schlechthin und ist unabdingbar für Informiertheit, gelingende gesellschaftliche Teilhabe und einen erfolgreichen persönlichen und beruflichen Werdegang.
Im engeren Sinne bezeichnen bildungssprachliche Kompetenzen Fähigkeiten, die das Entschlüsseln und Produzieren von bildungsrelevanten Texten ermöglichen, wie z. B. die Produktion von verschiedenen Textsorten (Protokoll, Interpretationsaufsatz, Erörterung, etc.), das Erfassen komplexer Syntax, die Verwendung passender textlogischer Wörter und präziser Fachterminologie, etc.
Der sprachsensible Fachunterricht im durchgängigen Sprachbildungskonzept
Das durchgängigen Sprachbildungskonzept einer Schule ist horizontal (d.h. in einer Jahrgangsstufe durch die Fächer hindurch) und vertikal (d.h. durch die Schullaufbahn hindurch) angelegt. Die Lernenden werden durch sprachsensiblen Fachunterricht zunehmend befähigt jeweils altersangemessen an den Diskursen der jeweiligen Fachgebiete aktiv teilzunehmen und ihr bildungssprachliches Register zu entwickeln.
Präzise Sprache - komplexes Denken - bewusstes Handeln
Sprache, Denken und Handeln hängen unmittelbar untereinander zusammen, sie entwickeln sich aneinander. Erst durch verbalisiertes Aushandeln von Inhalten verfeinern sich durch Präzisierung der Benennungen und der (sprach-)logischen Verknüpfungen auch die mentalen Konzepte. Im sprachsensiblen Fachunterricht wird deshalb in allen Unterrichtsphasen auf die qualitativ und quantitativ hohe Versprachlichung seiner Inhalte geachtet. Idealerweise wird das Sprachhandeln im Umkehrschluss unterstützt durch Handlungsorientierung und Primärerfahrungen. Eine rein sprachliche Vermittlung von Inhalten ohne Anschauung und Handlung ist bei Kindern und Jugendlichen nicht nur mit sprachlichem Förderbedarf unzureichend.
Fachsprachliches Handeln
Sprachliches Handeln ist in allen Unterrichtsfächern vielfältig und anspruchsvoll, was man schon an der großen Zahl der Operatoren und deren unterschiedlichen Anforderungen erkennen kann, mit denen die Unterrichtsinhalte erarbeitet und wiedergegeben werden. Dabei sind viele davon auch nicht scharf voneinander abzugrenzen, was die Orientierung noch erschwert. Häufig haben sie in unterschiedlichen Fächern auch unterschiedliche Funktionen.
Beispiele:
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Notizen machen,
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beschreiben,
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erklären,
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präsentieren,
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erläutern,
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beurteilen,
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erörtern,
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diskutieren,
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etc.
Dazu kommen noch sprachlich mehr oder weniger abstrakte Darstellungskonventionen, die in Rezeption und Produktion fachlich angemessen beherrscht werden müssen.
Beispiele:
Sie alle benötigen bestimmte sprachliche Mittel, die dem jeweiligen Fach eigen sind. |
Die von den meisten Lernenden gut beherrschte Alltagssprache genügt nicht, um diese vielfältigen, komplexen und zunehmend abstrakten Zusammenhänge und Texte in den Unterrichtsfächern angemessen zu verstehen, darüber nachzudenken und zu sprechen und sie schließlich schriftlich zu (re-)produzieren.
Deshalb geht es im sprachsensiblen Fachunterricht darum, die alltagssprachlichen Kompetenzen der Lernenden in die dem Fach eigene bildungssprachliche zu überführen bzw. bildungssprachliche Fähigkeiten für das Fach stetig weiterzuentwickeln. Dazu gehören nicht nur die Operatoren, die Fachterminologie, sondern auch formale Merkmale von Abstraktion und Komplexität wie Passivkonstruktionen, unpersönliche Formulierungen und komplexe hypotaktische Satzstrukturen. (s. Herausforderung Bildungssprache).
Aufgabe der Lehrkraft im sprachsensiblen Fachunterricht
Die Unterrichtsfächer haben jeweils ihnen eigene typische sprachliche Merkmale in der Semantik (Fachterminologie), aber auch in der Grammatik und Pragmatik, also in der konkreten fachlich angemessenen Kommunikationssituation (s. Herausforderung Bildungssprache). Deshalb liegt es in der Verantwortung der Fachlehrkraft deren Beherrschung zu vermitteln und einzuüben:
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Die Fachlehrkraft kennt Besonderheiten und Methoden zu deren Vermittlung.
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Neben inhaltlichen Lernzielen werden auch sprachliche formuliert
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In allen Handlungsfeldern des Unterrichts werden Sprachlernsituationen wahrgenommen.
Konsequenzen für die Praxis: Lesekompetenz bei Schulbuch- und authentischen Texten Diese Texte orientieren sich an der jeweiligen Fachwissenschaft. Die sprachlich präzise, konzeptionell schriftliche Form bzw. auch nichtlineare Darstellung von Schaubildern erschwert die Informationsentnahme für bildungssprachlich unerfahrene Lernende und muss aufgrund dessen vorbereitet, unterstützt und geübt werden. Ziel ist der sichere Umgang mit dem fachsprachlichen Niveau, nicht eine Vereinfachung, auch wenn die Vereinfachung ein Zwischenschritt sein kann.
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Links und Literatur zur Vertiefung
Ahrenholz, B. (Hrsg.) (2010): Fachunterricht und Deutsch als Zweitsprache. Narr. Tübingen (2. durchges. u. akt. Aufl.).
Becker-Mrotzek, M. / Bredel, U. / Günther, H. (Hrsg.) (2007): Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik. Texte schreiben. Gilles und Francke. Duisburg
Brüning, L. / Saum, T. (2014): Lesekompetenzförderung durch Methoden des Kooperativen Lernens. Workshop während der Fachtagung Kooperatives Lernen und schüleraktivierendes Unterrichte in Marburg.
Feilke, H. (2012): Bildungssprachliche Kompetenzen - fördern und entwickeln. Praxis Deutsch Heft 233, S. 4-13.
Online abrufbar hier
Film und Schulen NRW (2016): Erklärvideos im Unterricht. Einstieg in die Filmbildung mit YouTube Formaten
Online abrufbar hier
Fähnrich, F. / Thein, C.: Flip the Classroom
mit Tutorials zum Erstellen
Homepage hier
Franken, A.U. / Pertzel (2019): Schreiben in Biologie, Geschichte und Mathematik (Klasse 7-10). Schriftlichkeit im sprachsensiblen Fachunterricht. Waxmann. Münster
Gürsoy, E. (2018): Genredidaktik
Online abrufbar hier
Jostes, B. / Caspari, D. / Lütke, B. (Hrsg.): Sprachen - Bilden - Chancen: Sprachbildung in Didaktik und Lehrkräftebildung. Waxmann. Münster
Landesinstitut für Schulentwicklung (Hrsg.) (2016): Viele Sprachen – eine Schule, Stuttgart.
Landesinstitut für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2001): Schreibstrategien und Schreibprozesse. Förderung der Schreibkompetenz. Materialien für Unterricht und Lehrerbildung. Erprobungsfassung. Soest
Leisen, J. (2013): Handbuch Sprachförderung im Fach. Sprachsensibler Fachunterricht in der Praxis. Grundlagenteil. Klett. Stuttgart.
Michalak, M. et al. (2015): Sprache im Fachunterricht. Eine Einführung in Deutsch als Zweitsprache und sprachbewussten Unterricht. Narr / Francke / Attempto. Tübingen
Pertzel, E. / Schütte, A.U. (2016): Schreiben in Biologie, Geschichte und Mathematik (Klasse 5/6). Schriftlichkeit im sprachsensiblen Fachunterricht. Waxmann. Münster
Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (Hrsg.) (2013): MitSprache fördern. Materialien zur Sprachförderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund an Gymnasien und Realschulen. Erster Band: Formale Sprachbeherrschung und Ausdruckskompetenz. München
Weis, I. (2013): DaZ im Fachunterricht. Sprachbarrieren überwinden – Schüler erreichen und fördern. Verlag an der Ruhr. Mülheim an der Ruhr.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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