Die interkulturelle Öffnung von Schulen wird erlebbar, wenn sie im Alltag, also im Fachunterricht kontinuierlich stattfindet.
(Zum Umgang mit Mehrsprachigkeit, die unmittelbar dazugehört, siehe dort.)
Der Fachunterricht steckt voller Anlässe, interkulturelle Überlegungen aller Art anzustellen. Besonders dann, wenn die Lernenden Fremdheit und Differenz im Vergleich zu ihrer eigenen Lebenswelt erfahren, ist eine angeleitete Vermittlung und Reflexion durch Lehrkräfte notwendig.
Ziel ist es, unterschiedliche kulturelle Perspektiven
- in ihrem historischen, geografischen, ideologischen, sozialen Kontext zu sehen;
- von anderen nach Möglichkeit zu tolerieren, zu akzeptieren, gar zu verstehen
- für die eigene Identität zu reflektieren, u.U. abzulehnen oder anzunehmen;
- nicht als allgemeingültig für alle Mitglieder einer kulturellen Gemeinschaft zu sehen.
Interkulturelle Themen und interkulturelle Perspektiven auf Themen
Die interkulturelle Brille auf alle Fächer
Literatur und Links zur Vertiefung
Interkulturelle Themen und interkulturelle Perspektiven auf Themen
Die Anlässe können in den Themengebieten selbst stecken. Ganz offensichtlich bieten die meisten literarischen und gesellschaftswissenschaftlichen Themen großes Potenzial, um die eigene kulturelle Verfasstheit zu reflektieren. Dazu gehört auch die Biologie mit ihren vielfältigen gesellschaftlichen Bezügen.
Ein paar wenige Beispiele:
- Frauenbilder, Rolle der Frau in literarischen Texten, z.B. in „Iphigenie“ (Sophokles), „Emilia Galotti“ (Lessing), „Homo faber“ (Frisch) als Folie für die Thematisierung von Geschlechterrollen in unterschiedlichen Gesellschaften
- Verfassungsmodelle und ihre Machtstrukturen: säkulare Macht vs. religiöse Macht
- Die Kreuzzüge: christliche und muslimische Sichtweisen
- Opferrituale: Akzeptanz von Menschen- und Tieropfer
- Geburtenraten: Bedeutung und Rolle von Kindern in einer Gesellschaft
- Sexualität: Geschlechtererziehung, Tabuisierungen
- Ernährung: religiöse Vorschriften vs. wissenschaftliche Erkenntnisse
Viele Themen bieten Konfliktpotenzial, da es vorgefasste Meinungen gibt und uneingestandene Vorurteile: Unterschiedliche Haltungen verstehen sich u. U. als Konkurrenz zueinander und schließen sich offensichtlich oder vermeintlich gegenseitig aus. Ziel dieser Schritte ist es, zu einer begründeten, nachvollziehbaren eigenen Haltung zu kommen, die die Gesprächspartner zumindest nachvollziehen können.
Um Themen interkulturell sensibel und vorurteilsbewusst zu moderieren, helfen folgende Schritte: Das Thema/Phänomen
- beschreiben, um das Thema zu objektivieren
- analysieren, aus welchen Elementen es besteht
- kontextuieren, in welchem Zusammenhang es entstanden und aktuell zu sehen ist
- reflektieren, warum ein Thema/Phänomen Fremdheit auslöst
- vergleichen, um auch kulturelle Gemeinsamkeiten und nicht nur Unterschiede bei vergleichbaren Phänomenen zu finden
Vermieden werden sollte:
- Unterschiede unreflektiert nebeneinander stehen zu lassen.
- normativ Festlegungen zu treffen.
Die interkulturelle Brille auf alle Fächer
Auch die Gestaltung von Inhalten in Schulbüchern, bei denen eine interkulturelle Thematik nicht im Zentrum steht, verdient Beachtung. Häufig ist es nützlich, eine interkulturelle Brille auf zu haben, um sachliche oder auch emotionale Schwierigkeiten von Lernenden mit Aufgaben zu identifizieren und damit umzugehen.
Schulbücher aller Fächer
- legen ein rational-analytisches wissenschaftliches Vorgehen zugrunde. Dies ist ein Produkt der europäischen Aufklärung und kann in anderen Kulturen nicht unbedingt immer vorausgesetzt werden. Das trifft besonders den Umgang mit Kunst, Literatur und Gesellschaft, die u.U. durch einen religiösen Diskurs bestimmt werden, der Regeln und Tabus aufstellt.
- gehen oft von einer deutschen, zumindest westlichen Sozialisation der Lernenden aus. Sie legen Wissen zugrunde, das Kinder mit anderer kultureller Herkunft nicht teilen und das sie somit nicht für eine mentales Bild bei Texten und Aufgaben nutzen können, z. B. Märchen, Kasperletheater, Ritter, Kinderspiele, Nahrungsmittel etc. (z.B. Physikaufgabe mit einem Seilzug, der einen Ritter mit Rüstung auf ein Pferd hieven soll; „Luise verhält sich wie die Prinzessin auf der Erbse. Karl beschwert sich schriftlich bei ihr, weil es sonst nur Streit gibt. Schreibe diesen Brief.“).
- beziehen meist die kulturelle Vielfalt der Lernenden nicht mit in ihre Konzeption ein (z.B. kommen nur Kinder mit „deutschen“ Namen darin vor; es wird keinerlei Lebenswelt aus anderen Kulturkontexten abgebildet; es kommen nur heterosexuelle Lebensmodelle vor, etc.)
- verwenden auch kulturell codierte Kontexte, die von bestimmten religiösen Gruppen abgelehnt werden bzw. tabuisiert werden (z.B. Mathematikaufgabe mit Portionen von Schweinefleisch; Abbildung von Nacktheit in Bildender Kunst).
- sind u.U. diskriminierend (das Thema Migration steht sehr oft innerhalb eines Problemdiskurs als Bedrohung oder Herausforderung; auch rassistische Begriffe wie „Schwarzafrika“ tauchen immer noch in Materialien auf
Literatur und Links zur Vertiefung
Bickmann, H. (2003): Förderung interkultureller Kompetenz durch Unterricht.
Bundeszentrale für politische Bildung. In : Dokumentation zum 9. Bundeskongress für Politische Bildung: „Dialog der Kulturen – Politik, Gerechtigkeit, Menschenrechte“
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin: Handreichung „Interkulturelle Bildung und Erziehung“
Online zum Download hier
Bolten, J. (2011): Thesen zum interkulturellen Lernen in der Schule. In: Bolten, J. / Schröter, D. (Hrsg.): Interkulturelle Kommunikation. Sternenfels, Berlin
Online abrufbar hier
Hauser, R. (2006): Kulturelle Identität in einer globalisierten Welt? In: Metzner-Szigeth, A. / Ursua, N. (Hrsg.): Netzbasierte Kommunikation. Identität und Gemeinschaft. Trafo. Berlin, S. 315-333.
Online abrufbar hier
Mecheril, P. (2004): Einführung in die Migrationspädagogik. Beltz Verlag. Weinheim, Basel
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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