Erzeugung sinusförmiger Wechselspannung.
Wird eine Spule in einem homogenen Magnetfeld gedreht, so entsteht eine
sinusförmige Wechselspannung.
Die Herleitung dieser Induktionsspannung findet man hier:
Induktion durch Drehen einer
Spule
Auf dieser Seite soll es um zwei Aspekte gehen:
- Bei welcher Stellung der Spule wird die Induktionsspannung besonders groß?
Die Scheitelspannung U-Dach hängt formal über die innere Ableitung auch noch von der Drehfrequenz f ab.
- Welche Bedeutung hat dies für unser Stromverbundnetz?
1.) In welcher Stellung der Spule wird die Induktionsspannung besonders groß?
Das Foto zeigt eine Helmholtzspule (2 Ringspulen), die ein gut homogenes
Feld erzeugt. Stellt man Schülerinnen und Schülern die Frage, in welcher Stellung sie eine besonders große Induktionsspannung erwarten, so bekommt man meist zur Antwort: "Da, wo die Spulenfläche besonders groß ist, also wenn die Spule senkrecht zu den Feldlinien steht." (so wie es das Foto zeigt) Aber ist diese Vermutung wirklich richtig? |
1.1.) Ein Experimentvideo zeigt ein überraschendes Ergebnis.
Sieh dir das folgende Video an.
Hier wird die Drehspule einmal aus der senkrechten Position leicht hin und her
gedreht und einmal aus der waagrechten Position.
In welcher Stellung der Spule ist die Induktionsspannung besonders
groß?
Man erkennt deutlich, dass die erzeugte Induktionsspannung sehr
viel größer ist, wenn die Spule waagrecht liegt. Aber wie kann das denn sein? Dort ist doch die Fläche minimal! |
Im folgenden werden zwei Möglichkeiten vorgestellt, wie man dies erklären kann:
- der erste Weg (1.2.) argumentiert mit der Flächenänderung.
- der zweite Weg (1.3.) erklärt es mit der 3-Finger-Regel.
Lies dir beide Erklärungen durch und verwende dann die, mit der du besser klar kommst.
1.2.) Erklärung mit der Flächenänderung.
Wir haben vielleicht nicht bedacht, dass es für die Induktionsspannung nicht auf die Spulenfläche A selber, sondern die zeitliche Änderung dieser Spulenfläche (ΔA / Δt) ankommt! |
- Welche Werte hat die vom Feld senkrecht durchsetzte Spulenfläche, wenn
man - wie im Film - um 10° aus der senkrechten und der waagrechten
Position herausdreht?
- Wo ist die Flächenänderung bei dieser Drehung am größten?
Je nach Stellung der Spule ändert sich die Fläche As - die senkrecht vom Magnetfeld durchsetzte Fläche.
Die auf die senkrechte Ebene projizierte Spulenfläche ist: |
Steht die Spule senkrecht ( 0° ), dann ist
cos φ = 1 → As ist gleich
der realen Spulenfläche A.
Liegt die Spule waagrecht ( 90° ) , dann ist cos φ = 0
→ As ist auch 0.
Der Einfachheit halber wird nun eine reale Spulenfläche A von 1
m2 angenommen.
Skizze | Stellung | Winkel | Cosinus φ | Fläche As | Flächenänderung ΔA für 10° Winkel |
nahe senkrecht |
φ = 0° | 1 | 1,000 m2 | 0,015 m2 (klein) |
|
φ = 10° | 0,985 | 0,985 m2 | |||
nahe waagrecht |
φ = 80° | 0,174 | 0,174 m2 | 0,174 m2 (groß) |
|
φ = 90° | 0 | 0 m2 |
Da die Drehbewegung gleichförmig erfolgt, ist die Zeit
Δt für das Überstreichen von jeweils 10° Winkel immer
dieselbe, unabhängig davon, in welcher Position die Spule steht.
360° werden während einer Periodendauer T überstrichen, 10°
also während 1/36 der Periodendauer T.
Diese Flächenänderung je Zeiteinheit (also ΔA /
Δt) ist also dann besonders groß, wenn ΔA besonders
groß ist, d.h. wenn die Spule waagrecht liegt.
1.2.1. Genauere mathematische Betrachtung.
Für die vom Magnetfeld B senkrecht durchsetze Fläche A in
Abhängigkeit von der Zeit t gilt allgemein:
Für die zeitabhängige Induktionsspannung gilt folgende Beziehung
(der konstante Faktor Spulenfläche A kommt zu den anderen konstanten
Faktoren vor die Ableitung):
Beim Ableiten der Cosinusfunktion muss man an die äußere und
innere Ableitung von cos(ω * t) denken!
Es ergibt sich:
Fasst man die konstanten Größen zusammen, so folgt:
Dabei ist U-Dach die sogenannte
Scheitelspannung, der höchste auftretende
Spannungswert.
Die Scheitelspannung ist gewissermaßen die "Amplitude der
Induktionsspannung".
Die Induktionsspannung ist eine Wechselspannung und schwankt zwischen dem
positiven und negativen Scheitelwert sinusförmig hin- und her.
Die folgende Bilderstrecke zeigt für eine Halbwelle, bei welcher Stellung des Rotors sich welcher Spannungswert ergibt (roten Punkt beachten).
1.3.) Argumentation mit der 3-Finger-Regel.
Vielleicht sind ja Änderungsraten nicht so "dein Ding" und du
bist eher ein "Fan" der 3-Finger-Regel.
Auch damit kann man sich ganz gut klar machen, wann die Induktionsspannung
besonders groß sein muss.
Die Vektorzerlegung und ein wenig Trigonometrie musst du aber trotzdem
können!
Steht die Spule senkrecht, dann ist die Bewegungsrichtung des oberen
Leiterteils (rot) z.B. in Richtung des B-Felds orientiert (blau). Du weißt sicher, dass in diesem Fall keine Lorentzkraft auftritt, es daher auch nicht zu einer Ladungsverschiebung kommen kann. Die Induktionsspannung ist in dieser Stellung also 0. Im unteren Leiterteil ist die Bewegungsrichtung dann entgegen der Feldrichtung (vgl. rote Pfeile). Auch in diesem Fall ist die Lorentzkraft 0 und es entsteht keine Induktionsspannung. Daher bleibt die Überlegung auch dann richtig, wenn das Magnetfeld umgekehrt orientiert wäre, also von rechts nach links zeigen würde. |
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Liegt die Spule waagrecht, so steht der Vektor der Bewegungsgeschwindigkeit
v (rot) genau senkrecht auf dem Vektor des Magnetfeldes B (blau). In diesem
Moment ist also die Induktionsspannung besonders groß. Im linken Leiterteil entsteht vorne ein Minuspol und hinten ein Pluspol, im rechten Leiterteil ist es umgekehrt (vgl. Foto). Dies kannst du dir leicht mit der 3-Finger-Regel klar machen. Beide Leiterteile wirken wie zwei richtig gepolte "Batterien" zusammen, die vorderen und hinteren Leiterteile bilden einfach eine Verbindung. |
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Bei einer anderen Stellung (hier z.B. etwa 45°) muss man den Vektor
der Geschwindigkeit (rot) in zwei Teilkomponenten zerlegen.
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Für die Induktionsspannung gilt folgende Gleichung:
Wie oben erläutert, ist für die Induktion nur die senkrechte
Komponente vs der Bahngeschwindigkeit interessant, wir müssen
also für v hier vs einsetzen.
Wie hängt die Teilkomponente vs mit der Bahngeschwindigkeit
v zusammen?
Die nebenstehende Grafik zeigt es (es sind die gleichen Farben wie im Foto verwendet): Der Drehwinkel φ (blau) kommt mehrmals vor. Im grau hinterlegten Dreieck der Geschwindigkeitskomponenten erkennt man: |
Alles zusammengefasst erhalten wir also:
Der erste Ausdruck (rot) ist auch hier der Scheitelwert der
Induktionsspannung.
Je schneller die Spule rotiert, desto größer ist die
Bahngeschwindigkeit v. Also hängt auch bei dieser Überlegung die
Scheitelspannung von der Drehfrequenz f ab.
Zusatzaufgabe:
Wenn du Lust hast, kannst du versuchen mit Hilfe der
Gesetzmäßigkeiten der gleichförmigen Kreisbewegung die beiden
Beziehungen für die Scheitelspannung U-Dach ineinander umzuformen.
Eine mögliche Lösung findest du hier:
Lösungsvorschlag
Zusatzaufgabe
2.) Der Scheitelwert U-Dach hängt von der Drehfrequenz ab!
Was passiert, wenn sich der Rotor schneller dreht?
Dann ändert sich natürlich die Drehfrequenz f und damit die
Winkelgeschwindigkeit ω. Beide werden größer.
ω steht aber auch noch im Ausdruck für die Scheitelspannung U-Dach.
Das bedeutet, die Scheitelspannung wird ebenfalls größer.
Ändere die Parameter in diesem Applet um zu sehen wie sich die Kurven der Induktionsspannung verändern.
2.1.) Die Folgen für unsere Stromversorgung.
An der Erzeugung von elektrischer Energie in unserem Verbundnetz sind viele
Kraftwerksgeneratoren beteiligt. Dabei arbeiten die Generatoren aus
unterschiedlichsten Quellen zusammen, z.B. auch aus Wasser- und
Windkraftanlagen. Was würde passieren, wenn sich jeder Generator so
schnell drehen würde, wie der Wasserdurchfluss gerade ist oder wie stark
der Wind gerade weht?
Das gäbe ein totales Chaos!
- Schnelle Generatoren erzeugen dann große Scheitelspannungen, langsame
Generatoren kleine.
Die Spannung im gesamten Netz würde sich unkontrollierbar verändern. Angeschlossene Geräte würden bei zu kleiner Spannung nicht richtig funktionieren, bei zu großer Spannung überlastet oder sogar zerstört.
Daher muss man die Drehzahl der Generatoren festlegen.
- Wenn zwei Generatoren mit gleicher Drehzahl laufen, haben sie zwar
die gleiche Scheitelspannung, es könnte aber sein, dass Generator
1 gerade dann das positive Maximum erreicht, wenn Generator 2 das negative
Maximum hat. Sie würden sich dann - wie zwei falsch gepolte Batterien -
die ganze Zeit in ihrer Wirkung aufheben.
Man muss die Generatoren also auch noch synchronisieren, also dafür sorgen, dass alle zeitgleich das positive Maximum erreichen.
Sie müssen dieselbe Phasenlage haben, wie man sagt.
Daher muss man in einem Netz die Drehfrequenz und die Phasenlage vorgeben.
Im europäischen Verbundnetz ist die Frequenz auf 50 Hz festgelegt. Das
bedeutet, alle Generatoren in diesem Netz müssen so
geregelt werden, dass sie immer mit 50 Hz (oder 3000 Umdrehungen je Minute)
laufen.
Die festgelegte Spannung 230V ist der sogenannte Effektivwert, also so
etwas wie ein zeitlicher Mittelwert der Leistungsabgabe.
Der Scheitelwert der Spannung U-Dach ist dabei etwa 325 V (Effektivwert mal
Wurzel aus 2)
Mehr zu Effektivwert und Scheitelwert findest du auf dieser Seite: Der Effektivwert einer sinusförmigen Wechselspannung.
In den USA hat man eine Frequenz von 60 Hz festgelegt. Dieser Unterschied
hat weitgehende Folgen.
Da man in der Frühzeit die Fernsehbilder mit dem Stromnetz synchronisiert
hat, passt die auf 50 Hz aufbauende, europäische PAL-Norm nicht mit der
amerikanischen NTSC-Norm zusammen. Eine in den USA gekaufte Film-DVD wird bei
uns möglicherweise gar nicht funktionieren (manche Abspielgeräte
beherrschen allerdings beide Normen).
2.2.) 50 Hz die "heilige Regelgröße" in unserem Stromverbund.
Hast du schon einmal bei deinem Hausarzt ein sogenanntes
Belastungs-EKG machen lassen?
In einem normalen Ruhe-EKG kann der Arzt die Tätigkeit des Herzens durch
Ableitung kleiner Muskelströme untersuchen. Oft möchte er aber auch
noch wissen, ob das Herz auch unter Belastung immer noch richtig
arbeitet.
Dazu setzt er dich auf einen Hometrainer, eine Art Fahrrad, wie du es
vielleicht auch aus dem Fitness-Studio kennst. Du bekommst die Anweisung mit
einer konstanten Drehzahl zu fahren. Alle 2 Minuten wird das Rad stärker
gebremst - deine Belastung erhöht sich. Es ist gewissermaßen so, als
ob du einen immer steileren Berg mit konstanter Geschwindigkeit hinauf fahren
musst.
Steigt die Belastung plötzlich, so merkst du wie deine Drehzahl sinkt, du
musst "kräftiger in die Pedale treten" um dies auszugleichen.
Genau so ist es auch im Verbundnetz!
Wird in vielen Haushalten gleichzeitig die Waschmaschine eingeschaltet, so
wächst die Last im Netz. Die Generatoren werden also für einen Moment
langsamer laufen wollen. Die Drehfrequenz von 50 Hz sinkt geringfügig.
Diese Abweichung nach unten ist für die Generatoren aber das Signal
"Gas zu geben", also die Energieeinspeisung zu erhöhen.
Würden umgekehrt sämtliche Waschmaschinen gleichzeitig abgeschaltet,
dann fehlt den Generatoren die Belastung, sie laufen zu schnell. Das ist, wie
wenn man beim Hometrainer die Bremse plötzlich lockert. Diese Abweichung
von 50 Hz nach oben ist für die Generatoren das Signal die Leistung zu
drosseln.
Jede Abweichung von 50 Hz ist also ein Hinweis darauf, dass im Netz plötzlich mehr oder weniger elektrische Energie abgerufen wird. Daher wird sie als Regelgröße sehr genau überwacht.
Links auf dem Landesbildungsserver zum Thema:
Wie kommt der "Strom"
in die Steckdose?
Was ist Wechselspannung?
Wie wird Wechselspannung
erzeugt?
Wechselspannung und
"Drehstrom".
Grüninger, Landesbildungsserver, 2016