Cicero, De Officiis
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Textbearbeitung und Anmerkungen: Markus Häberle
Auch die Frage, wie man eine Diktatur kritisieren kann, sollte unter dem Aspekt der Nützlichkeit und des gerechten Handelns betrachtet werden. Cicero nimmt hier den Diktator Caesar in den Blick, der wenige Monate vor Abfassung des Textes ermordet worden war. Es geht hier weiterhin um die Grundfrage des 3. Buches von De officiis, ob es jemals einen echten Widerspruch zwischen dem Nutzen und dem Ehrenhaften geben kann
Zuerst fragt Cicero, ob es jemals Situationen geben kann, in denen Grausamkeit gerechtfertigt ist.
[3, 82] Est ergo ulla res tanti* aut commodum* ullum tam expetendum, ut viri boni et splendorem* et nomen amittas?
Quid est, quod afferre tantum* utilitas* ista, quae dicitur, possit, quantum* auferre, si boni viri nomen eripuerit*, fidem iustitiamque detraxerit*?
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tantī: so viel wert commodum, commodī, n. : der Vorteil splendor, splendōris, m. : der Ruhm, der gute Ruf tantum - quantum: in solchem Maße – wie utilitas ista, quae dicitur: das, was man dabei als Nutzen bezeichnet ēripere, ēripiō, ēripuī, ēreptum : wegnehmen, rauben dētrahere, dētrahō, dētrāxī, dētractum : entreißen
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Quid enim interest*, utrum ex homine se convertat quis* in beluam* an hominis figura hominis figurā: unter der Maske/in der Gestalt eines Menschen immanitatem* gerat beluae*? |
quid interest, utrum ... an.: welchen Unterschied macht es, ob ... oder ob quis steht hier für aliquis. Die Vorsilbe ali- fällt bei utrum ebenso weg wie z. B. bei si (Siehe: Grundwortschatz: Indefinitpronomina. bēlua, bēluae, f. : die Bestie immānitās, immānitātis, f. : die Bosheit, die Gefährlichkeit |
Quid? Qui omnia recta et honesta neglegunt, dummodo* potentiam consequantur, nonne idem* faciunt, quod is, qui etiam socerum socer, socerī, m.: der Schwiegervater. Die Rede ist von Pompeius (Wikipedia), der die Tochter Caesars heiratete; Pompeius wird hier unterstellt, er habe im Kielwasser von Caesars skrupelloser Machtgier selbst Einfluss gewinnen wollen. habere voluit eum, cuius* ipse audacia potens esset?
Utile ei videbatur plurimum posse alterius invidia*.
Id quam iniustum in patriam et quam turpe esset, non videbat. |
dummodō: solange nur idem ... quod: dasselbe, wie cuius ...:konjunktivischer Relativsatz, finaler Sinn invidia, invidiae, f. : die Verhasstheit. Ablativus causae (des Grundes) Id quam … : Übersetzen Sie zuerst den Hauptsatz.
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Ipse autem socer in ore semper Graecos versus de Phoenissis Phoenissae, Phoenissārum: Trojanerinnen. Die „Phoenissen“ sind eine Tragödie des griechischen Schriftstellers Euripides; Wikipedia. habebat, quos dicam, ut potero; incondite fortasse sed tamen, ut res possit intellegi: „Nam si violandum est ius regnandi gratia, violandum est; aliis rebus pietatem* colas.“
Capitalis* Eteocles vel potius Euripides, qui id unum, quod omnium sceleratissimum fuerit, exceperit.
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pietās, pietātis, f. : der Respekt, die Rechtstreue
capitālis (est): ... verdient die Todesstrafe excipere, excipiō, excēpī, exceptum : von etwas ausnehmen, eine Ausnahme machen; hier: von der Strafe ausnehmen |
Cicero vergleicht im Folgenden das Bestreben, in Rom als König zu herrschen (regnare) mit gewöhnlichen Vergehen, und kommt zu dem Ergebnis, dass diese ungerechte Herrschaft das größte Übel ist. Er hat dabei offensichtlich C. Iulius Caesar im Blick.
Die Herrschaft des Tyrannen ist mit vielfachen Ängsten verbunden.
[3, 84] Non habeo*, ad volgi* opinionem* quae maior utilitas quam regnandi esse possit;
nihil contra inutilius ei, qui id* iniuste consecutus sit*, invenio, cum ad veritatem coepi revocare rationem*.
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nōn habeō: ich weiß nicht. Von non habeo hängt ein indirekter Fragesatz ab, der mit quae eingeleitet wird. volgus, volgī, n. : das Volk, die Menge ad volgī opīniōnem: nach Meinung des einfachen Volkes id: (gemeint ist die Herrschaft) cōnsequī, cōnsequor, cōnsecūtus sum : erreichen ratiōnem ad veritātem revocāre: das Denken an der Wahrheit orientieren
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Possunt enim cuiquam esse utiles angores*, sollicitudines*, diurni* et nocturni* metus,
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angor, angōris, m. : die Angst sollicitūdō, sollicitūdinis, f. : die Aufregung, die Sorge |
„Multi iniqui* atque infideles* regno, pauci benivoli“ inquit Accius*. At cui regno? Quod a TantaloTantalus Tantalos und sein Sohn Pelops waren mythische Könige auf der Peloponnes. (Wikipedia) et Pelope proditum iure obtinebatur. Nam quanto plures ei regi* iniquos et infideles fuisse putas, qui exercitu populi Romani populum ipsum Romanum oppressisset* civitatemque non modo liberam, sed etiam gentibus imperantem servire sibi coegisset? |
inīquus, inīqua, inīquum : ungerecht, missgünstig īnfidēlis, īnfidēlis, īnfidēle : treulos rēgnum, rēgnī, n. : Königsherrschaft; das Wort steht hier metonymisch für „König“; Kasus: Dativus commodi (des Vor- oder Nachteils), zu übersetzen mit „gegenüber“) Accius: (römischer Dichter, ca. 170-90 v. Chr.) Quod a Tantalo ... obtinebatur: Der Herrschaft, welche von Tantalus und Pelops zu Recht ausgeübt wurde. ei regi ... qui: (gemeint ist Caesar, den Cicero hier mit dem Schimpfwort „König” belegt.) opprimere, opprimō, oppressī, oppressum : unterdrücken, unterwerfen |
Im folgenden Abschnitt spielt Cicero auf die Ermordung Caesars an (Wikipedia). Der Diktator war von einer Gruppe von Senatoren im Senat erstochen worden. Cicero war zwar nicht anwesend, aber er billigte diese Tat später mehrfach.
Die Ermordung Caesars, nach Vincenzo Camuccini (Wikipedia). Das Bild wurde aus diesem Buch entnommen: Oscar Jäger, Geschichte der Römer, Gütersloh 1896 (Bilder für den Lateinunterricht)
Cicero führt ein Beispiel aus dem Krieg gegen den König Pyrrhus an. Hier hätte es die Möglichkeit eines unehrenhaften Anschlags auf den König gegeben.
In der Zusammenfassung bekräftigt Cicero noch einmal, dass Hass und schändliches Verhalten niemals nützlich sein können.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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