Diagnostik - wieso, was, wie?

Wieso und wozu braucht es eine Diagnostik?    |    Möglichkeiten der Diagnose  |   Umgang mit den Diagnoseergebnissen   |   Gelingensfaktoren   |   Zurück zur Übersicht

 

WIESO UND WOZU BRAUCHT ES EINE DIAGNOSTIK?

Die Lernenden kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in eine Klasse. Aufgabe der Lehr­person ist es, alle diese individuellen Voraussetzungen zu kennen und zu berücksichtigen, um den Unterricht auf diese abzustimmen.

Als grundlegend für eine gelingende Sprachförderung gilt die Diagnostik. Diese dient der Ermittlung des individuellen Lernstandes und der individuellen Lern­fortschritte. Als Grundlage für Förderentscheidungen ist ein systematischer Einsatz verschiedener Diagnose­verfahren unerlässlich.
Zu fragen ist dabei immer:

FRAGE
AUSWIRKUNG AUF DIE DIAGNOSTIK
Wo soll es hingehen? Diagnosezielsetzungen und Zeitpunkte
Was soll diagnostiziert werden? Kompetenzbereiche
Wie / womit soll bzw. kann diagnostiziert werden? Diagnoseverfahren
Was folgt auf die Diagnose? Planung von Unterricht und Fördermaßnahmen

Abb.: Fragen zur Diagnose

 

Wo soll es hingehen?


ZEITPUNKT


ZIEL

MÖGLICHE SELBSTDIAGNOSTISCHE FRAGEN FÜR LERNFÖRDERGESPRÄCHE
vor der VKL / bei Eintritt in die VKL Eingangsdiagnostik zuweisungsdiagnostisch, formativformativformative Diagnose(formativ: begleitend, formend) Schülerleistungen werden fortlaufend diagnostiziert, um passgenaue Maßnahmen zur individuellen Förderung ableiten zu können; vs. summative Diagnose. -> Glossar:
  • Sprachstand
  • Zuweisung zu einer Schulart, Klasse,Sprachfördermaßnahme etc.
  • Wo bin ich gut?
  • Was kann ich für die Schule nutzen?
  • Was kann ich schon gut?
  • Was kann ich noch nicht so gut?
während der VKL (fortlaufend) Förderdiagnostik förderdiagnostisch, formativ:
  • prozessbegleitende Lernverlaufsdiagnostik
  • Auswahl der Fördermaßnahmen in zu fördernden Kompetenzbereichen
  • Komme ich mit einem bestimmten sprachlichen Phänomen schon besser zurecht?
  • Welche Strategie hat mir besonders geholfen?
  • Wobei brauche ich noch Übung/Hilfe?
  • Was habe ich noch nicht verstanden?
  • Was würde ich gerne als nächstes in
    Angriff nehmen?
am Ende der VKL beim Übergang >
-> in den Regelunterricht

Übergangsdiagnostik zuweisungsdiagnostisch, summativsummativsummative Diagnose (summativ: das Zusammenzählen betreffend) arbeitet mit Ergebniskontrollen, die am Ende des jeweiligen Lernprozesses stehen, wie beispielsweise Tests, Klassenarbeiten oder Zeugnisse; vs. formative Diagnose. -> Glossar:
  • Erfassung des Sprachstands
  • Erfassung des Leistungsstands in versch. Bereichen
  • Entscheidung für Art und Ort der Integration in den Regelunterricht oder eine andere Maßnahme
  • Traue ich mir zu, am Regelunterricht teilzunehmen?
  • Was verspreche ich mir von der Teilnahme am Regelunterricht?
  • Wo habe ich große Fortschritte gemacht?
  • Kann ich mir beim Erschließen / beim Produzieren von Texten schon selbst helfen?
Anschlussförderung im / ergänzend zum Regelunterricht Förderdiagnostik förderdiagnostisch, formativ:
  • prozessbegleitende Lernverlaufsdiagnostik
  • siehe oben während der VKL
  • Was muss ich noch lernen/üben, um im Regelunterricht noch erfolgreicher zu werden?

Abb. 5: Zeitpunkte und Zielsetzung der Diagnose

 

Nach oben

Was soll diagnostiziert werden?
Bevor entschieden wird, womit eine Diagnose durch­geführt werden soll, muss feststehen, was diagnosti­ziert werden soll. Um zu entscheiden, ob überhaupt und in welchen Bereichen Sprachförderbedarf besteht, muss der Sprachstand einer Schülerin/eines Schülers genauer betrachtet werden.
Das Konstrukt Sprache / Sprachstand ist sehr komplex. Es setzt sich aus einer Vielzahl von Qualifikationen / Teilqualifikationen zusammen. Diese entwickeln sich nicht jede für sich und auch nicht nacheinander. Sie bedingen sich gegenseitig.

rezeptive Ebene Pragmatische Basisqualifikationen Basisqualifikationen nach K. Ehlich Grundlegende Aneignung sprachl. Handlungsfähigkeit im primären Beziehungs- kontext Wörteraneignung, Begriffsbildung, Erkennen u nd Produzieren v on Schriftzeichen Umsetzung mündlicher Sprachprodukte in schriftliche Sprachprodukte und umgekehrt Entwicklung von Graphie Lesevermögen Orthographie Schriftliche Textualität Sprachbewusstheit Aneignung von Erzähl- fähigkeit Erkennen von Handlungs- zielen und Übertragung der sprachlichen Hand- lungsmuster auf eigenen Einsatz der Sprache Wahrnehmung, Unterscheidung und Produktion von Lauten, Silben & Wörtern; Erfassung und zielsprachliche Produktion übergreifender intonatorischer Strukturen Übertragung von Bedeutung Ermittlung von Satzbedeutung produktive Ebene Semantische Basisqualifikation Literale Basisqualifikation Phonologische (phonische) Basisqualifikation Grundlegende Strukturen der formalen sprachlichen Kooperation Befähigung komplexe sprachliche Formen, Form-und Wortkombina- tionen sowie Kombinati- onen zu Sätzen und von Sätzen zu verstehen- Morphologisch - syn - taktische Basisqualifikation Diskursive Basisqualifikation Abb.: Basisqualifikationen

Info Es ist nicht möglich, den Sprachstand mit einem einzigen Verfahren zu erfassen.
Eine Einschätzung muss über einen längeren Zeitraum erfolgen.
Die Personen, die diesen erheben, benötigen zur Durchführung, Auswertung und Einordnung der Ergebnisse ein umfangreiches fachliches Wissen im Hinblick auf Diagnose und Sprache bzw. Spracherwerb / Zweitspracherwerb.


Dazu ist ein kurzer Exkurs in die Sprachwissenschaft notwendig:  -> zum Exkurs

 

Nach oben

Möglichkeiten der Diagnose
Um eine Diagnose durchzuführen, bieten sich verschiedene Verfahren an. Diese unterscheiden sich hinsichtlich

  • des theoretischen Hintergrunds,
  • des Inhaltes, d. h. dessen, was sie erfassen,
  • dessen, wie sie etwas erfassen, und
  • der Zielsetzung, die damit verfolgt wird. 

Grundsätzlich lässt sich unterscheiden zwischen standardisierten und informellen Verfahren.


Standardisierte Verfahren: Sind an einer bestimmten repräsentativen Population normiert (daher auch nor­mierte Verfahren). Die erbrachten Leistungen werden in eine Rangfolge gebracht, d. h. die Leistungen eines Kindes werden anhand von T­-Werten oder Prozent­rängen mit den Leistungen anderer verglichen. Meist liegt dieser Normierung als BezugsnormBezugsnormMeist wird bei standardisierten Verfahren bei der Entwicklung der Vergleichswerte von einer „normalen“ altersgemäßen Entwicklung ausgegangen, d. h. eine Altersnorm zu Grunde gelegt. Sachliche Bezugsnorm. Hier werden Vorgaben wie Lernziele, Kompetenzen oder notwendige Punktzahlen für die Erreichung eines Niveaus zu Grunde gelegt. Ziel ist es zu erkennen, wie groß der Unterschied zwischen dem individuellen Niveau und dem erwarteten Niveau ist (vgl. Jäger 2000, S. 134f).  das Alter zu Grunde. Ein Einsatz solcher Verfahren kann sinnvoll sein, um Hinweise zu bestimmten sprachlichen Kom­petenzen zu bekommen, die Ergebnisse müssen in diesem Fall bezogen auf die individuellen Vorausset­zungen des einzelnen Kindes interpretiert werden.

Informelle Verfahren: Bei diesen liegen keine Vergleichswerte vor, hier werden vorab Kriterien formuliert, nach denen eine Auswertung vorgenom­men wird (daher auch kriterienorientierte Verfahren). Diese Kriterien basieren meist auf vorgegebenen Lernzielen. Ziel ist hier eine Erfassung des individuellen Lernstandes eines Kindes, als Bezugsnorm wird der individuelle Lernfortschritt genommen. Voraussetzung ist ein detailliertes Wissen der Lehrperson über die Entwicklungs-­ und Aneignungsprozesse sprachlicher Fähigkeiten, damit die erhobenen Daten richtig interpretiert werden. Diese Form der Verfahren wird meist angewendet, um eine passgenaue Förderung zu formulieren. 

 

VERFAHRENSTYP
CHARAKTERISTIK BEISPIELE
TestsTestsGemeint sind hier nicht Tests, die als Klassenarbeiten erstellt werden, sondern standardisierte Verfahren.
  • standardisiert / Vergleichswerte
  • Durchführung ist stark gesteuert
  • meist werden nur Teilbereiche (Sprache) erfasst
ELFE 1-6
Screenings
  • „Siebverfahren“
  • stufenweise Durchführung
  • am Ende jeder Stufe Entscheidung über Zuweisung
    -> Fördermaßnahme/Schulform
  • lässt Aussagen darüber zu, ob grundsätzlich ein Förderbedarf besteht
Neu in Deutschland (ab Klasse 2)
Kenntnisse in Deutsch als Zweitsprache erfassen (Schulanfänger)
C-Test
Lautleseprotokoll
Profilanalysen
  • Grundlage: Sprachaufnahmen oder schriftliche Texte/Äußerungen
  • kriterienorientierte Auswertung
  • Auswertung meist sehr aufwändig
Profilanalyse nach Grießhaber
2P
Fehleranalysen
  • Grundlage: schriftliche Texte oder mündliche Äußerungen (Aufnahme)
  • Analyse erfolgt nach bestimmten Schwerpunkten
  • Fehler identifizieren, beschreiben, erklären (Ursachen)
    -> Formulieren von Förderschwerpunkten
OLFA-Oldenburger Fehleranalyse (nur Orthographie)
Beobachtungsraster Fix & Jeuk/Schäfer
Schätzverfahren
  • Selbst- und Fremdeinschätzung mittels Fragebogen oder Interview
Portfolio -> Einschätzung des Lernstandes mit Hilfe einer
Skala oder eines kurzen Fließtextes; Fragebogen
Beobachtungen
  • Teilnehmend / nicht-teilnehmend; offen/verdeckt
  • meist kriterienorientiert
Strich- und Checklisten
Diagnostische Leitfragen
Niveaubeschreibungen DaZ Sek. I

Abb. 7: Überblick – Diagnostische VerfahrenstypenDiagnostische VerfahrenstypenDie Literaturangaben zu den hier aufgeführten Verfahren sind im Literaturverzeichnis zu finden.

Nach oben

 

Wie bereits ausgeführt (siehe Exkurs in die Sprachwissenschaft) ist Sprache ein komplexes Konstrukt. Es reicht nicht aus, nur einen Teilbereich der Sprache anzuschauen, es muss ein Gesamtblick auf das Konstrukt Sprache mit den verschiedenen Qualifikationen erfolgen. Die bisher entwickelten Verfahren weisen Defizite im Hinblick auf den zu Grunde gelegten Sprachbegriff und auf die umfassende Erfassung der einzelnen Bereiche sowie die Orientierung der Bezugsnorm auf.

Info Zu fragen ist immer:
- Zu welchem Zweck erfolgt die Diagnose?
- Was genau soll erhoben werden?
- Welches Verfahren /welche Verfahren eignen sich dafür?
- Welche Aussagen genau erhält man durch das jeweilige Verfahren?
- Werden diese Aussagen auch tatsächlich benötigt oder braucht es noch weitere (Ergebnisse / Verfahren)?

 

Info Eine Kombination aus verschiedenen diagnostischen Verfahren ist notwendig, um ein umfassendes Bild des Sprachstandes / Lernstandes zu erhalten.



Im Folgenden werden einige Verfahren genannt, die für eine Diagnostik bzw. Erhebung des Sprachstandes der Schülerinnen und Schüler herangezogen werden können:

  • Schulz, Petra / Tracy, Rosemarie (2011): LiSe-DaZ®: Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache. Hogrefe. Göttingen.
  • Heilmann, Beatrix (2012): Diagnostik und Förderung leicht gemacht. Klett. Stuttgart.
  • Gehring, Carsten / Jeuk, Stefan / Schäfer, Joachim (2013): Sprachstandsbeobachtung für „der-die- das“ 3/4, Schreiben und Lesen. Cornelsen. Berlin.
  • Jeuk, Stefan (2011): Sprachstandsbeobachtung für „der-die-das 1/2. Cornelsen. Berlin.
  • Knapp, Werner (2001): Diagnostische Leitfragen. In: Praxis Grundschule 3/01, S. 4­ 6.
  • Sigel, Richard (2017): Leitfaden zur Lernausgangs- und Lernprozessdiagnostik für Kinder mit aktueller Flucht-oder Migrationserfahrung – eine förderdiagnostische Herausforderung der Grundschulpädagogik. In: Sigel, Richard / Inckemann, Elke (Hrsg.): Diagnose und Förderung von Kindern mit Zuwanderungshintergrund im Sprach­ und Schrift­spracherwerb. Klinkhardt. Bad Heilbrunn. S. 217­228.
  • Das Tulpenbeet. Ein profilanalytisches Instrument am Übergang vom Primar- zum Sekundarbereich. FörMig
  • Reich, Hans H. / Roth, Hans-J. (2004): HAVAS 5. Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstandes bei 5-­Jährigen. Hamburg: Behörde für Bildung und Sport. (Durchführung nur nach vorheriger Fortbildung)
  • Beobachtungsraster für fortgeschrittenes Schreiben in Jeuk /Schäfer (nach Fix / Melenk 2000) ab Mitte Klasse 2
  • Projekt KomPass (QUA-LiS NRW: Modul 4: Diagnostik)
  • Hölscher, Petra. (2002): Kenntnisse in Deutsch als Zweitsprache erfassen: Screening-Modell für Schulanfänger. Klett. Stuttgart.
  • Hölscher, Petra. (2005): Neu in Deutschland: Sprachkenntnisse und Lernvoraussetzungen ermitteln. Klett. Stuttgart.
  • Aufnahmebogen zur Erfassung des Sprachgebrauchs im Alltag. In: Rösch, Heidi (Hrsg.) (2003): Deutsch als Zweitsprache. Sprachförderung – Grundlagen – Übungsideen – Kopiervorlagen. Schroedel. Braunschweig.

Gute Übersichten über einige Verfahren mit Hinwei­sen auf Schwerpunkte und Anwendbarkeit finden sich auch in bzw. unter:

  • Landesinstitut für Schulentwicklung (2015): Deutsch als Zweitsprache in der Grundschule. Kapitel 4. Publikation steht als kostenloser Download zur Verfügung
  • Gutachten zu Verfahren der Sprachstandserhebung an GS
  • Gutachten zu Verfahren der Sprachstandserhebung an der Sek I
  • Schnieders/Komor (2007). Eine Synopse aktueller Verfahren der Sprachstandsfeststellung. In: Ehlich et al.: Anforderungen an Verfahren der regel­mäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. BMBF. Bonn, Berlin. S. 261­ - 342.
  • Wildemann, Anja (2015): Heterogenität im Sprachlichen Anfangsunterricht. Von der Diagnose bis zur Unterrichtsgestaltung. Kallmeyer in Verbindung mit Klett. Seelze. S. 117­ - 138.

Nach oben


UMGANG MIT DIAGNOSEERGEBNISSEN

Nach der Durchführung und Auswertung einer Diagnose stellt sich die Frage: Was passiert mit den Ergebnissen?
Die Ergebnisse der Diagnose dienen in erster Linie der Ermittlung des Lernstandes einer Schülerin bzw. eines Schülers, dabei alleine darf es allerdings nicht bleiben.

Im Sinne eines formativen Assessments sollten die (diagnostischen) Informationen dazu genutzt wer­den, den Lehr-­Lernprozess zu optimieren. D. h. die Ergebnisse dienen den Lehrpersonen dazu, Förder­entscheidungen zu treffen, Maßnahmen zu planen und den Erfolg von Fördermaßnahmen zu überprüfen (vgl. Maier 2014). Grundlage für eine erfolgreiche Förderung ist die Erhebung der Lernvoraussetzungen / des Sprachstandes des Kindes. Daran anschließen muss sich eine Förderung, die auf den Ressourcen und Interessen der Schülerin/des Schülers aufbaut. Folgende Fragestellungen (nach Dehn/Hüttis­-Graf 2006) –

  • Was kann der Schüler/die Schülerin schon?
  • Was muss er/sie noch lernen?
  • Was kann er/sie als nächstes lernen?

sollten dabei für die Lehrperson leitend sein.


Im Sinne der formativen Leistungsdiagnose sind dies aus Sicht der Lernenden Fragestellungen wie:


Berücksichtigt werden sollten dabei bestimmte Prin­zipien, Methoden und didaktische Ansätze. Wichtig dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler in den Prozess einbezogen werden, Kriterien transparent gemacht werden und die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, ihre Leistungen selbst einzu­schätzen und ihren Lernprozess zu reflektieren.


Portfolio

Eine Möglichkeit, Schülerleistungen, Einschätzungen, Beobachtungen und Ergebnisse zu dokumentieren sowie die Lernenden in den Prozess einzubeziehen, stellt ein Portfolio dar.

Unterschieden werden muss zwischen verschiedenen Formen von Portfolios abhängig von der Anlage und der Zielsetzung.

Grundsätzlich kann man zwischen einem reinen Produkt-Portfolio, bei dem der Schwerpunkt auf der Sammlung von Ergebnissen liegt, und einem Prozess-Portfolio, in dessen Fokus auch der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler rückt, unterscheiden.

Ziel des Portfolios im Sinne der zuvor definierten formativen Leistungsdiagnose ist die Diagnose des Lernprozesses zu einem bestimmten Zeitpunkt, um auf Grundlage einer differenzierten Leistungsrückmeldung einen Ausgangspunkt für die weitere Unterrichtsplanung zu haben.

Enthalten sein sollte eine Auswahl von fertigen, aber auch noch gerade in Bearbeitung befindlichen Arbei­ten zu einem bestimmten Thema/Lerngegenstand, die die Bemühungen, die Fortschritte und Leistungen dar­stellen und so den Stand der Entwicklung abbilden. Mit Arbeiten sind nicht nur reine Textproduktionen gemeint, auch Collagen, Recherchen (Dokumentation von Internetseiten, Homepages etc.), PowerPoint­-Präsentationen und vieles mehr, was den Lernprozess dokumentiert, können enthalten sein. Wichtig ist, dass Auswahlkriterien sowohl von Seiten der Lehrperson als auch von Seiten der Lernenden formuliert werden. Ein Portfolio kann vom Inhalt her verschiedene Kategorien enthalten:

  • Pflichtaufgaben
  • fakultative Aufgabenfakultative AufgabenAufgaben/Auswahl an Aufgaben bspw. in einem Portfolio oder einem Wochenplan, die nicht verpflichtend zu bearbeiten sind, sondern von der Schülerin/dem Schüler frei ausgewählt und bearbeitet werden können.-> Glossar
  • Rückmeldungen
  • Reflexionen


Wichtig ist, dass festgelegt und transparent ist, welche Kriterien für welche Teile/Aufgaben gelten und zu welchem Zweck das Portfolio angelegt wird.

Das Portfolio ist ein Dialogisches Portfolio, in dem die Schülerin/der Schüler auch Rückmeldung auf un­terschiedliche Art und Weise (schriftlich, visualisiert – Piktogramme, farblich, in Form einer Skala, ...), von unterschiedlichen Personen (Mitschüler, Eltern (wenn möglich), Lehrpersonen) und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhält.

Auch hier ist es wichtig, dass Kriterien festgelegt werden, wie eine Rückmeldung aussehen kann, auf was sie Bezug nimmt und welche Aspekte sie enthalten soll. Ein Portfolio kann auf unterschiedliche Weise Eingang in den Unterricht finden:

Geeignet ist in diesem Falle das Parallele Modell, welches begleitend zum Unterricht, mit eigens fest­gelegten Stunden für die Portfolioarbeit mit dem Ziel der Förderung der Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler erfolgt. Dies sollte über einen längeren Zeitraum am besten das ganze Schuljahr stattfinden.

Mögliche Bestandteile eines Portfolios zur Dokumen­tation des Lernfortschrittes im Bereich der sprachli­chen und fachlichen Kompetenzen können sein:

  •  Sprachbiographie
    • Aufgaben zur Bewusstmachung des eigenen Sprachhintergrunds
      • Selbstporträt
      • Steckbriefe
      • Wer spricht mit wem in welcher Sprache? – Stammbäume
      • Woher ich komme
      • ...
  • Pflichtaufgaben
    • Bezogen auf sprachliche Phänomene
    • Bezogen auf thematische Inhalte
    • Bezogen auf Reflexion
  • Fakultative Aufgaben
    • Bezogen auf sprachliche Phänomene
    • Bezogen auf thematische Inhalte.
    • Bezogen auf Reflexion
  • Reflexionsaufgaben
    • Das kann ich schon ...
    • Hier benötige ich noch Hilfe ...
    • Das muss ich mir noch einmal genauer anschauen ...
  • Rückmeldungen
    • Von Mitschülerinnen und Mitschülern
    • Von der Lehrperson
    • Evtl. von den Eltern
    • ...


Nach oben

Weiterführende Literatur:

HINTERGRUND:

  • Wiedenhorn, Thomas (2006): Das Portfoliokonzept in der Sekundarstufe. Individualisiertes Lernen organisieren. Verlag an der Ruhr. Mülheim an der Ruhr.
  • Landesinstitut für Schulentwicklung Baden-Württemberg (2009): Lernen im Fokus der Kompetenzorientierung. Individuelles Fördern in der Schule durch Beobachten – Beschreiben – Bewerten – Begleiten. Stuttgart.

KONKRETE UMSETZUNGSBEISPIELE:

 

GELINGENSFAKTOREN

  • Qualifikation der Lehrpersonen hinsichtlich Diagnosemöglichkeiten, Auswertung und Interpretation
  • Auswahl der geeigneten Diagnoserichtung und -­verfahren
  • Verbinden verschiedener Formen der Diagnose, um ein umfassendes Bild über die Voraussetzungen und den Sprachstand einer Schülerin/eines Schülers zu erhalten
  • Ausreichend Zeit zur Verfügung stellen, sowohl den Schülerinnen und Schülern für den Lernprozess als auch den Lehrpersonen für die Auswertung und Interpretation der Ergebnisse und für den Austausch / die Kooperation im Team
  • Einbezug der Lernenden -> Selbstverantwortung für eigenes Lernen
  • Transparenz der Erwartungen 
  • Dokumentation
  • Kommunikation

 

Nach oben

Zurück zur Übersicht

 


Der Text dieser Seite ist verfügbar unter der Lizenz CC BY 4.0 International
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de

Bitte beachten Sie eventuell abweichende Lizenzangaben bei den eingebundenen Bildern und anderen Dateien.