Lateinische BibliothekM. Tullius Cicero, De finibus bonorum et malorum |
De finibus 1, 43 – 45
Die Lehre Epikurs befreit von den überflüssigen Begierden
Der Epikureer Torquatus setzt hier die Verteidigung der epikureischen Lehre fort (siehe das Arbeitsblatt zu De finibus 1, 42). Er räumt mit dem Irrtum auf, Epikur fordere die Befriedigung aller Bedürfnisse: Im Gegenteil zeige Epikur, welche Bedürfnisse notwendig und natürlich sind.
Grammatikthema: Ablativus absolutus.
Am Fuß dieses Arbeitsblatts findet man vielfache Ergänzungen (Download in anderen Dateiformaten, Anregungen zur Diskussion, interaktive Übung)
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Erklärung zu den Übersetzungshilfen
Ein Klick auf das Tabellensymbol hinter einer Wortangabe öffnet die passende Deklinations- oder Konjugationstabelle.
Der Text ist an einigen Stellen vereinfacht. Originaltext bei der Bibliothek des Packard Humanities Institute.
Text |
Übersetzungshilfen |
[De finibus 1, 43, zweite Hälfte] Sapientia enim est una, quae maestitiam pellat ex animis, quae nos exhorrescere metu non sinat. |
maestitia, maestitiae, f. : die Traurigkeit non sinere (sinō, sīvī, sītum - hier mit AcI): nicht zulassen |
Qua praeceptrice in tranquillitate vivi potest omnium cupiditatum ardore restincto. |
praeceptrix, praeceptricis, f. : die Lehrerin (von praecipere: vorschreiben, unterrichten). qua praeceptrice: nominaler Ablativus absolutus restinguere, restinguō, restīnxī, restīnctum : löschen, auslöschen |
Cupiditates enim sunt insatiabiles, quae non modo singulos homines, sed universas familias evertunt, totam etiam labefactant saepe rem publicam. |
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[De finibus 1, 44]
nec eae se foris solum iactant nec tantum in alios homines caeco impetu incurrunt, sed intus etiam in animis inclusae inter se dissident atque discordant. |
discidium, discidiī, n. : die Zwietracht, der Streit sēditiō, sēditiōnis, f. : der Aufruhr nāscī, nāscor, nātus sum : entstehen, geboren werden foris: draußen; hier: in der Öffentlichkeit, unter den Menschen iactant … incurrunt … dissident … discordant: Subjekt sind die oben genannten cupiditates, deren Wirkung hier wie die von handelnden Personen beschrieben wird. inclūdere, inclūdō, inclūsī, inclūsum: einschließen dissidēre (dissideō ), discordare (discordō ): sich streiten, miteinander uneins sein, miteinander in Konflikt liegen. In stilistischer Hinsicht liegt hier das Stilmittel Hendiadyoin vor (ein Sinngehalt wird durch zwei Wörter ausgedrückt), so dass beide Wörter wahlweise entweder mit einem einzigen Wort oder mit zwei bedeutungsähnlichen Wörtern übersetzt werden können. |
Ex quo necesse est vitam amarissimam effici, ut sapiens solum amputata circumcisaque inanitate omni et errore finibus naturae contentus sine aegritudine possit et sine metu vivere. |
amārus : bitter amputāre: beschneiden circumcīdere, circumcīdō, circumcīdī, circumcīsum: ausschneiden, herausschneiden inānitās. inānitātis, f. : die Nichtigkeit. Errore ist mit inanitate gleichgeordnet. finibus ist (als Ablativus causae) von contentus abhängig, übersetze: zufrieden mit |
[45] Quae partitio est enim aut utilior aut ad bene vivendum aptior quam illa, qua est usus Epicurus? |
partitio: die Einteilung. Quae und partitio sind kongruent; also wird quae hier als adjektivisches Fragepronomen verwendet; siehe die Hinweise zur Übersetzung des Relativpronomens. |
Qui (1) unum genus posuit earum cupiditatum, quae essent et naturales et necessariae, (2) alterum, quae naturales essent nec tamen necessariae, (3) tertium, quae nec naturales nec necessariae. |
qui: dieser. Relativer Satzanschluss. Siehe die Hinweise zur Übersetzung des Relativpronomens. genus pōnere (pōnō, posuī, positum ): eine Art (der Begierden) definieren |
Quarum ea ratio est, ut necessariae cupiditates nec opera multa nec impensa expleantur. |
ratiō, ratiōnis, f. : hier: die Bewandtnis, die Beschaffenheit. Ea ratio est: es hat diese Bewandtnis, es verhält sich damit folgendermaßen explēre, expleō, explēvī, explētum : ausfüllen; hier: befriedigen |
Ne naturales cupiditates quidem multa desiderant, propterea quod ipsa natura divitias, quibus contenta sit, et parabiles et terminatas habet. |
dēsiderāre: erfordern, verlangen parabiles (Akk. Pl. ): bereit; parabiles divitias habet: sie hält die Reichtümer bereit termināre: begrenzen habēre hier: bereithalten |
Inanium autem cupiditatum nec modus ullus nec finis inveniri potest. |
Anzahl der Wörter des Textauszugs: ca. 180 Wörter
Ergänzungen zu diesem Arbeitsblatt
Vorschläge zur inhaltlichen Auseinandersetzung
- Epikur und seinen Anhängern wird vorgeworfen, dass diese die Bedürfnisbefriedigung für wichtiger halten als das Erreichen der Tugend. Untersuche nun, wie der Epikureer Torquatus Bedürfnisse und ihren jeweiligen Wert beurteilt und ob daher der Vorwurf gerechtfertigt ist.
- Diskutiere, wie die hier von Torquatus geäußerte Kritik an den Bedürfnissen zur epikureischen Lehre passt. Verwende entweder Informationen aus deinem Unterricht oder informiere dich über Epikurs Lehre hier:
- Eintrag zu Epikur in der Tabelle zur römischen Geschichte
- Peter Kuhlmann: Die Ethik Epikurs im Lateinunterricht, S. 1 - 2, Universität Göttingen
- Arbeite das System der Bedürfnisse heraus, das der Epikureer hier vorstellt. Erstelle zuerst eine Tabelle mit Beispielen für die jeweiligen Formen der Bedürfnisse; hier siehst du einen Vorschlag, wie du vorgehen kannst:
naturales non naturales necessariae non necessariae
- Diskutiere in deiner Gruppe, ob dieses System zu einfach ist oder ob es auch heute noch bei der Beschreibung und Beurteilung von Bedürfnissen nützlich sein kann.
Interaktive Übung
Weiterarbeit
Fortsetzung der Verteidigung Epikurs: De finibus 1, 65, Über die Freundschaft
oder
De finibus 2, 27: Kritik an Epikur.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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