Die direkte und indirekte Charakterisierung: methodische Hinweise
Bei der Interpretation von Texten, in denen Figuren vorkommen, können die Schülerinnen und Schüler untersuchen, wie diese Figuren charakterisiert werden. Sie unterscheiden dabei ihre eigene Sichtweise auf die Figuren von den Perspektiven, die im Text selbst angelegt sind. Dabei erweist es sich als erhellend, wenn die direkte von der indirekten Charakterisierung abgehoben wird. Direkt ist eine Figur dann charakterisiert, wenn die Erzählerstimme oder eine andere Figur die Eigenschaften der untersuchten Figur ausdrücklich benennt. Hier können wertende Ausdrücke aller Art besonders herangezogen werden. Die direkte Charakterisierung kann meist relativ eindeutig bestimmt werden, weil sie an der Textoberfläche zu beobachten ist. Wenn z. B. der Sprecher in der Anekdote des Aulus Gellius über den Feldherrn Sertorius die Bewohner der Provinz, die sich von dessen Lügengeschichten hinters Licht führen lassen, als Barbaren und als „mobiles“ bezeichnet werden, dann ist lässt sich kaum bezweifeln, dass diese Menschen von ihm so gesehen werden (Arbeitsblatt: Sertorius und die weiße Hirschkuh).
Diese im Text selbst ausgedrückte Sichtweise ist zu unterscheiden von der indirekten Charakterisierung, bei der die Leserinnen und Leser aus den Handlungen und Äußerungen der Figur deren Eigenschaften erschließen müssen. Hier ist der Spielraum der Interpretation weitaus größer, denn zu den Handlungen gehört auch die Handlungsmotivation, die oft von der Figur selbst nicht ausdrücklich ausgesprochen wird. Zudem hängt die Bewertung einer Handlung (etwa ob sie feige, mutig oder riskant ist) von den Bewertungsmaßstäben ab, die stark zeitgebunden sind: Die Bewertung kann vom antiken Autor der Geschichte ganz anders intendiert sein, als eine moderne Leserin oder ein moderner Leser sie wahrnimmt.
Figuren kommen nicht nur in epischen Texten im engeren Sinne und in dramatischen Texten vor, sondern auch in historischen Texten, in Reden (Gerichtsreden und politischen Reden) oder in den erzählerischen Passagen der philosophischen Texte. Insofern kann die hier vorgestellte Methode der Figurenbeschreibung für eine Vielzahl an Texten angewandt werden.
Anregungen für den Unterricht
- Als Einführung und Arbeitsvorlage für die Lerngruppe dient das Arbeitsblatt zur Charakterisierung.
- Diese Arbeitsblätter aus der Lateinischen Bibliothek enthalten Arbeitsaufträge zur Charakterisierung:
- Aulus Gellius, Noctes Atticae 15, 22, Sertorius und die weiße Hirschkuh:
- Aulus Gellius, Noctes Atticae 4, 18: Scipio rechtfertigt sich nicht
- Vergil, Ekloge 1: Leid und Freude zweier Hirten in der Zeit der Bürgerkriege
- Die Auszüge aus den Reden Ciceros gegen den korrupten Statthalter Verres und gegen M. Antonius bieten vielfache Gelegenheiten, nach Charakterisierungen zu fragen:
- Cicero, Reden gegen Verres
- Cicero, Philippische Reden
Bildungsplan
Im Bildungsplan wird die direkte und indirekte Charakterisierung ausdrücklich erwähnt: Charakterisierung als Thema im Bildungsplan.
Bei der Behandlung des Themas kann man auf den Bildungsplan des Faches Deutsch, Klasse 10, zurückgreifen.
Herausgeber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: https://www.schule-bw.de
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